Seid umschlungen, Millionen!

Gerechtigkeit, was soll das sein? Moral, wie schreibt man das?

Der liebe Gott ist tot, nicht erst, seit Friedrich Nietzsche dies am Ende des 19. Jahrhunderts diagnostiziert hat.

Daher brauchen wir auch keine absolute Moral, die es ohnehin nicht gibt. Zumindest dann nicht, wenn darunter ein Mysterium verstanden wird, das aus dem Nichts (oder aus dem Himmel) auf uns nieder tröpfelt und auch noch den größten Egoisten auf geheimnisvolle Weise zum Märtyrer für die Allgemeinheit verwandelt.

Nein, so etwas wird es auch in Zukunft nicht spielen, weil jeder zuerst einmal an sich selbst denkt. Wie könnte es auch anders sein?

Wer heute für Gerechtigkeit bzw. für „das Gute“ eintritt, macht sich entweder großer Naivität schuldig, oder er setzt sich dem Verdacht aus, den eigenen Egoismus auf besonders subtile Weise verwirklichen zu wollen.

Hören wir auf, von einander etwas zu verlangen, das jeder von uns nur unter Androhung von Folter zu geben bereit ist.

Wie aber lässt sich die Welt dann überhaupt noch besser machen, wenn die Forderung nach Moral und Gerechtigkeit nicht greift, ja, gar nicht greifen kann?

Wir müssen einander umarmen – und das meine ich nicht im kitschig-kindlichen Sinn einer „Wir haben uns alle ganz toll lieb!“-Romantik.

Die Bösen dieser Welt, jene also, die das labile Gleichgewicht von Geben und Nehmen regelmäßig zu ihren eignen Gunsten verändern und permanent einen Überfluss auf ihrer Haben- und einen Mangel auf ihrer Sollen-Seite aufweisen, müssen und können nur mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden.

Die Möglichkeiten globaler Kommunikation, manifestiert im Web 2.0, machen aus allen Menschen Beteiligte des einen Projektes „Menschheit“ und somit zu potenziell Betroffenen jedweder Art von Verbrechen Einzelner an der Allgemeinheit.

Die Lügner, Diebe und Mörder dieser Welt, produzieren Gewinn für einige wenige (manchmal nur für sich selbst und ihre Familien), den Schaden, zumindest aber den Nachteil, nicht am Gewinn ihrer Gaunereien beteiligt zu sein, haben alle Anderen.

Diese Anderen, wir alle, die wir gerade nicht selbst lügen, stehlen und morden, neiden den Bösewichten ihren Erfolg – aus purem Egoismus. Und genau dieser Egoismus reicht aus, dass wir uns gegen die wenigen Verbrecher zusammenschließen.

Nicht aus Moralgründen werden wir moralisch und nicht um der Gerechtigkeit willen gerecht.

Es sind dieselben Motive, aus denen die Verbrecher handeln, durch die der Rest der Welt sich gegen sie empört und erfolgreich zur Wehr setzt.