Copy & Paste

Die neuen Technologien machen es möglich.

Mit Hilfe von Internet und Programmen wie ChatGPT kann jedermann Texte zusammen basteln, die zumindest auf den ersten Blick klug klingen und es auf den zweiten in vielen Fällen auch tatsächlich sind.

Was das für die Zukunft schriftlicher Arbeiten im akademischen Umfeld bedeutet und für die Arbeit von Journalisten, kann noch nicht wirklich abgeschätzt werden. Doch die ersten paar „Versuche“ lassen das Schlimmste erahnen.

Seit einigen Wochen steht die ehemalige Cheredakteurin des „Standard“ und derzeitige stellvertretende Chefredakteurin der „SZ“ im Zentrum der Debatte.

Stefan Weber, jener Salzburger Privatdozent, der als „Plagiatsjäger“ bezeichnet wird, hat sich der Dissertation von Föderl-Schmid sowie einiger ihrer Artikel aus ihrer journalistischen Arbeit angenommen.

Nach den ersten, vorläufigen Erkenntnissen hat Föderl-Schmid sowohl bei ihrer Dissertation, als auch in zumindest einigen ihrer Artikel per „copy & paste“ Passagen aus den Schriften anderer Autoren übernommen, ohne diese gekennzeichnet zu haben.

Stefan Webers Analyse ist noch nicht abgeschlossen, weshalb es vielleicht verfrüht ist, ein endgültiges Urteil zu fällen. Doch eines lässt sich bereits jetzt sagen: Plagiieren, egal von wem, sollte ein absolutes „No-Go“ sein. Texte anderer Autoren – und sei es nur auszugsweise – zu übernehmen und als eigene auszugeben, ist nicht nur Ausdruck von Faulheit, es ist auch Betrug am Leser (im Falle journalistischer Texte) und an der „scientific community“ (bei wissenschaftlichen Arbeiten).

Warum aber ist diese Vorgangsweise inakzeptabel?

Top-Journalisten – und Föderl-Schmid gehört nominell dieser Gruppe an -, die für „Qualitätszeitungen“ schreiben – und sowohl der „Standard“ als auch die „SZ“ werden gemeinhin zu dieser Kategorie gezählt -, können es sich prinzipiell nicht leisten, dass ihre Ehrlichkeit in Frage gestellt wird.

Das gilt schon im Allgemeinen, in Zeiten wie diesen aber ganz besonders.

Das Vertrauen der Menschen in Politiker ist schon lange sehr niedrig, das von Journalisten ist auch nicht besser. Während der „Flüchtlingskrise“ 2015/16 und der „Corona-Pandemie“ haben Qualitätsmedien viel Vertrauen bei den Menschen eingebüßt.

Das Schlagwort während dieser Zeit lautete „Lügenpresse“. Mit diesem Kampfbegriff beschreiben vor allem politisch rechts eingestellte Menschen Medien, die ihnen nicht die ganze Wahrheit erzählen, oder von denen zumindest gedacht wird, dass sie nicht ganz ehrlich mit der Öffentlichkeit sind.

Ob dieser Vorwurf nun zu Recht erhoben wurde oder nicht, spielt keine Rolle. Denn wenn Top-Journalisten von Qualitätsmedien dabei ertappt werden, zu lügen, verlieren sie den wichtigsten Bonus, über den Journalisten verfügen können: Vertrauen.

Und wenn die Medien (die sog. „Vierte Macht“) – und insbesondere die Qualitätsmedien – das Vertrauen der Bevölkerung verlieren, ist die Demokratie in Gefahr.

Neues „profil“?

Das Nachrichtenmagazin „profil“ und ich haben eines gemeinsam: Wir wurden beide 1970 „geboren“.

Oscar Bronner, der später die Tageszeitung „Der Standard“ gründete, hat im selben Jahr auch das Wirtschaftsmagazin „trend“ ins Leben gerufen.

Trotz einiger inhaltlicher und formaler Änderungen, welche die Magazine durchlaufen haben, ist zumindest das „profil“ im Großen und Ganzen das geblieben, was es schon immer war:

Ein seriöser und doch humorvoller Begleiter durch die wichtigsten Themen des Landes und der Welt, optisch ansprechend und inhaltlich anspruchsvoll von einem professionellen Team gestaltet.

Nun zieht sich Christian Rainer, seit rund einem Vierteljahrhundert in Amt und Würden als Herausgeber und Chefredakteur, aus dem „profil“ zurück. Eine neue Chefredakteurin, Anna Thalhammer, zieht in die Redaktion ein, die betriebswirtschaftlichen Agenden übernimmt in der Funktion des Geschäftsführers Richard Grasl.

Ob das „profil“ seiner mehr oder weniger neutralen, objektiv berichtenden Rolle treu bleiben wird, dürfte sich bald zeigen.

Zu wünschen wäre es dem Magazin und seinem Team jedenfalls.

Gefährliche Kumpanei

Die Protokolle der Chats von Thomas Schmid haben nicht nur Unappetitliches zutage gefördert in Bezug auf die politischen Ränkespiele hinter dem Vorhang der Öffentlichkeit.

Sie zeigen auch, wie namhafte Journalisten von Qualitätsmedien sich mit den Mächtigen, denen sie eigentlich auf die Finger schauen sollten (Stichwort „Vierte Macht“), verhabern.

So stolperte der Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse“, Rainer Nowak, über seine virtuelle Plauderei mit Schmid, in welcher er sich dessen Unterstützung bei der Wahl zum Generaldirektor des ORF erbittet – und umgekehrt Schmid freundlichere Berichterstattung verspricht (und diese auch realisiert).

Dem nunmehr ehemaligen ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom wiederum wurde sein Chat mit Heinz-Christian Strache zum Verhängnis, ein Chat, in welchem Strache FPÖ-kritische Berichterstattung beanstandet und Schrom Tipps gibt, wie die FPÖ das Problem lösen könnte („Ich denke Steger sollt das mit zib24 schon wissen und mal mit Totzauer/Geier reden. Die sollten schon wissen, dass sie auch nicht unter dem Radard sind.“).

Im Internet kursieren auch Fotos, auf denen man „profil“-Herausgeber Christian Rainer sieht – zusammen mit Rainer Nowak, Eva Dichand und Gernot Blümel (im Hintergrund). In eher locker-amikaler Stimmung und einem ebensolchen Setting.

Ein Treffen im privaten Rahmen?

(Das Foto scheint ein Selfie zu sein, aufgenommen vom „profil“-Herausgeber.)

Nun mag Rainer zwar einer der besten und renommiertesten Journalisten dieses Landes sein, allein, die Frage sollte ihm dennoch gestellt werden:

Ist die Nähe zwischen ihm und einem ÖVP-Politiker zulässig?

Rainer und andere Journalisten argumentieren ihr Naheverhältnis meist so, dass es ohne ein solches nicht möglich wäre, an Hintergrundinformationen zu gelangen.

Diese Argumentation ist irritierend und zwar deshalb, weil es einerseits bedeuten würde, dass alle Journalisten, die nicht über ein solches Naheverhältnis zu den Personen, über die sie publizieren, verfügen, schlechten Journalismus anbieten.

Andererseits würde diese Argumentation darauf aufbauen, dass den behandelten Personen (Politikern, Managern) von den entsprechenden Journalisten eine Nähe und somit ein Vertrauensverhältnis vorgegaukelt wird, das nicht wirklich besteht.

Entweder, die Nähe ist gefährlich, weil sie den Journalisten hemmt, „zuzubeißen“, oder sie ist dem Politiker gegenüber unfair, der glaubt, sein Herz ausschütten zu können, die Inhalte eines Vier-Augengesprächs dann aber in der Zeitung nachlesen muss.

Noch einmal die Frage:

Muss ein guter Journalist die Nähe von Politikern suchen, weil er nur so über sie und ihre Themen seriös berichten kann, oder könnte sich da nicht eine gehörige Portion Eitelkeit untergemischt haben – die Eitelkeit, auf du und du zu sein mit den „Mächtigen“?

Zahlstunde

Es ist soweit:

Der ORF ist einem – aus seiner Sicht – bedeutenden Ziel ein Stück nähergerückt.

Aus einem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs geht hervor, dass die Möglichkeit, dass Konsumenten, die ORF-Inhalte ausschließlich über das Internet konsumieren (Stichwort „Streaming“), nichts dafür bezahlen, gegen die Verfassung verstößt.

Mit anderen Worten:

Das online zur Verfügung gestellte Programm darf nicht gratis sein, wenn jene, die über ein TV- oder Radiogerät verfügen, Rundfunkgebühren entrichten müssen.

Das wirft natürlich eine Menge Fragen auf, eine der wichtigsten lautet:

Muss der ORF neben seinem Flaggschiff auf dem Küniglberg in Wien auch noch neun Landesstudios betreiben?

Ließen sich diese und mit ihnen ihr fest angestelltes Personal und die für dieses zu betreibende Infrastruktur nicht auch einsparen?

Wenn sämtliche Österreicher, also auch jene, die weder über ein TV- noch über ein Radiogerät verfügen, künftig Gebühren entrichten müssen, bloß, weil sie Internetzugang haben, haben sie natürlich ein berechtigtes Interesse, die Kosten so gering wie möglich zu halten.

Fairer wäre es, den Zugang zu ORF-Inhalten via Internet an die Benutzung eines individuellen Accounts zu knüpfen, der gegen eine bestimmte Gebühr freigeschaltet wird.

Denn es ist schwer zu argumentieren, dass Menschen, die den ORF online nicht nutzen, trotzdem bezahlen oder ihren Internetzugang abbestellen müssen. Das käme vor allem für jene, die das Internet zum Arbeiten benötigen, einem Berufsverbot gleich.

Rosen & Kriege

Michael Douglas und Kathleen Turner machten es 1989 vor – allerdings nur im Film:

„Der Rosenkrieg“ war ein bitterböses Sittenbild eines Paares, das sich von Liebe zu gegenseitigem Hass mit tödlichem Ausgang entwickelte.

Mindestens ebenso traurig, wenn auch nicht ganz so tragisch – die Beteiligten leben noch – gestaltete sich die echte Auseinandersetzung zwischen Johnny Depp und Amber Heard.

Nun wurde sie in mehreren Anklagepunkten (er in nur einem) schuldig gesprochen.

In der Gerichtsverhandlung ging es um Verleumdung (von Depp durch Heard), das Thema „häusliche Gewalt“ wurde nur indirekt abgehandelt, es bildete den Hintergrund der Eskalation des Konflikts, zu welchem sich die Beziehung der beiden Hollywood-Stars gewandelt hatte.

Doch wer wem Gewalt angetan hat, er ihr oder sie ihm oder jeder von beiden dem jeweils anderen, das werden wir wohl nie erfahren.

Depp hatte bezüglich der Beweise in der Verhandlung jedenfalls die besseren Karten, was nicht bedeutet, dass er nicht auch Gewalt gegenüber Heard ausgeübt haben könnte.

Doch vor Gericht zählt nicht das, was vielleicht wirklich passiert ist (und nur Depp und Heard wissen können), es geht ausschließlich darum, was bewiesen werden kann.

(Die Tatsache, dass eine Frau ihrem Mann ins Bett kackt, lässt ihren Charakter genauso irritierend erscheinen wie jene den seinen, dass ihr Mann schon frühmorgens betrunken durch die Wohnung torkelt und voller Aggression die Türen von Küchenkästen so fest zuschlägt, dass die Glasscheiben zerspringen.)

Irritierend ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass mehrere Medien eine Niederlage für die #metoo-Bewegung aus dem Ausgang des Verfahrens abgeleitet haben.

Doch lässt sich dieser Schluss tatsächlich ziehen?

Ich denke, nein.

Denn wenn die auch via Social Media von Vertretern beider Lager ausgetragene Auseinandersetzung zwischen Johnny Depp und Amber Heard einen wesentlichen positiven Aspekt aufzuweisen hatte, dann diesen:

Gerade trotz der #metoo-Bewegung haben die Geschworenen offensichtlich streng „lege artis“ geurteilt, das heißt: sich auf das beschränkt, was durch Beweise ausreichend belegt war.

Das mag für Amber Heard tragisch sein, falls mehr passiert sein sollte, als sie beweisen konnte.

Es zeigt aber, dass der Rechtsstaat – zumindest in diesem Fall – funktioniert hat.

Maulkorberlass?

Donald Trumps Twitter-Account wurde von dem Kurznachrichtendienst gesperrt.

Nicht nur der scheidende US-Präsident findet das problematisch.

Auch viele Medienexperten sprechen von Zensur und kritisieren die Sperre Trumps.

Doch ist sie tatsächlich problematisch?

Twitter ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen und auch wenn es vielleicht eine jener Plattformen ist, welche global eine sehr hohe Reichweite haben, gibt es trotzdem keinen legitimen Anspruch darauf, dieses virtuelle Sprachrohr nutzen zu dürfen.

Das gilt auch, ja, insbesonders für Donald Trump.

Es ist schwer zu glauben, dass er, der zu den reichsten Menschen seines Landes gehört, keine andere Möglichkeit finden könnte, seine Meinungen unters Volk zu bringen.

(Das kann in einem liberalen demokratischen Rechtsstaat jeder Mensch mit Internetzugang.)

Und gerade in einem Land wie den USA sollte es einem Privatunternehmen möglich sein, sich selbst seine Kundschaft auszusuchen.

Trotzdem kann man es schlecht finden, dass Twitter Donald Trump verbietet, seine – durchaus oft befremdlichen – Botschaften unters Volk zu bringen.

Denn die offene Debatte auch von umstrittenen Positionen ist das Salz in der Suppe einer demokratischen, offenen Gesellschaft.

Twitter darf Trump selbstverständlich sperren, aber tun sollte der Kurznachrichtendienst es nicht.

Fakten statt Fiktion

Wir leben in aufgeregten Zeiten.

Viele behaupten, es würde sich um aufregende Zeiten handeln, die Welt wäre ungerecht wie nie zuvor, Hass und Gewalt würden stetig wachsen, alles langsam aber sicher den Bach hinunter gehen.

Doch das Gegenteil ist wahr.

Wenn man sich nüchtern mit den Zahlen, Daten, Fakten auseinandersetzt, die seriöse Quellen (z.B. die Vereinten Nationen) zu bieten haben, kann man erkennen, dass vieles, wenn nicht das Meiste von dem, was uns täglich berichtet wird, Ausdruck einer ziemlich einseitigen, und zwar einseitig negativen, Perspektive auf die Welt ist.

Die Welt wird, selbst für jene Menschen, die nicht in Ländern der sogenannten „Ersten Welt“ leben, ein immer besserer Platz. Armut und Hunger sinken, die Lebenserwartung steigt. Das ist nicht zuletzt einer immer professionelleren medizinischen Versorgung und einer qualitativen (und quantitativen) Steigerung der Ernährung zu verdanken – weltweit, wohlgemerkt.

Doch warum glauben viele, wenn nicht sogar die meisten Menschen, dass alles immer schlimmer wird?

In diesem konkreten Fall gilt ausnahmsweise die Warnung, dass Medien nicht zu trauen ist. Denn sie berichten vorzugsweise über negative Ereignisse mit großem punktuellen Impact:

Ein Flugzeugabsturz, eine Flutkatastrophe, ein Großbrand, ein Bürgerkrieg mit unzähligen Toten.

„Only bad news are good news.“ lautet die Devise des Journalismus, zumindest desjenigen, der große Auflagen verkaufen möchte.

Wir sollten lernen, Medienberichte kritisch zu hinterfragen.

Dazu ist es unumgänglich, an der eigenen Allgemeinbildung zu arbeiten, sich möglichst viel Wissen aus den unterschiedlichsten Disziplinen anzueignen und dieses Wissen regelmäßig zu aktualisieren.

Natürlich ist das mit Arbeit und Mühen verbunden.

Aber es lohnt sich.

Die Wahrheit ist es wert, gewusst zu werden:

Es geht uns viel besser, als die Medien uns glauben machen wollen.

Das hässliche Gesicht von Facebook

Dass das „social web“ in der Krise steckt ist trotz der großen Zahl an Mitgliedern kein Geheimnis.

Gerade junge Menschen, also die Kundinnen und Kunden der Zukunft, fühlen sich von Facebook nicht mehr sonderlich angesprochen und treiben sich lieber auf anderen Kanälen herum.

Der neueste Vorfall könnte allerdings ein großes Image-Problem verursachen und sich dementsprechend noch viel stärker auf den wirtschaftlichen Erfolg von Facebook auswirken:

Laut einem Bericht der „New York Times“ soll Facebook die republikanische Politberatungsfirma „Definers Public Affairs“ für eine Schmutzkampagne angeheuert haben.

„Definers Public Affairs“ soll ein sogenanntes „Forschungspapier“ in Umlauf gebracht haben, das den ungarischstämmigen Unternehmer George Soros mit „einer breiten Anti-Facebook-Bewegung“ in Verbindung bringt.

Sollten sich die Vorwürfe, welche die NYT erhebt, als wahr erweisen, wäre dies fatal:

Ein Unternehmen wie Facebook, das stets betont, kein Produzent im Mediengeschäft zu sein und selbstverständlich auch keine politische Partei, sondern ausschließlich die neutrale Bereitstellung einer Kommunikationsplattform anzubieten, würde sich selbst ins Knie schießen, wenn erwiesen wäre, dass es seine eigenen Kunden gezielt manipuliert.

Kritiker sehen in derartigen Vorgängen eine Gefahr für die Demokratie – wohl nicht ganz zu Unrecht, wenn man bedenkt, wie viele Menschen das „soziale Netz“ immer noch verwenden.

Dass die angebliche Kampagne gegen Soros auch antisemitische Züge tragen soll, ist besonders pikant, denn Mark Zuckerberg entstammt selbst einem jüdischen Elternhaus.

Im Kreisverkehr der Bedeutungslosigkeiten

Wer, so wie ich, gerne auf Facebook mit „Freunden“ diskutiert, stellt bald fest:

Diese Diskussionen führen nirgendwo hin.

Die immer gleichen Positionen werden mit den immer gleichen Argumenten vertreten, Streit, der zu persönlichen Beleidigungen führt, ist meistens vorprogrammiert.

Woran liegt das?

Die meisten Menschen treten in solche „Diskussionen“ nicht deshalb ein, weil sie wissen wollen, was andere Menschen denken, welche Meinung sie zu verschiedenen Themen haben und wie sie diese begründen.

Facebook ist keine „offene Gesellschaft“ (und damit meine ich nicht die Zensur von Bildern, auf denen nackte Frauenbrüste zu sehen sind).

Das „social web“ besteht aus einer Ansammlung von Predigern, die versuchen, mit allen Mitteln ihre Botschaft rüberzubringen und – idealer Weise – alle anderen davon zu überzeugen.

Ich nehme mich bei dieser Kritik selbst nicht aus.

Über die psychologischen Effekte von Facebook & Co. kann man trefflich streiten, dass die Konzentrationsfähigkeit der Menschen immer stärker sinkt, ist ein Faktum, das wohl nicht zuletzt durch die massenmediale Reizüberflutung erklärbar sein dürfte.

Doch das ist nicht das Schlimmste an den neuen Technologien.

Viel gravierender ist die Tatsache, dass die sogenannten Informationen, mit denen Menschen ihre Meinungen zu untermauern versuchen, wissenschaftlich betrachtet fragwürdig bis wertlos sind.

„Social media“ sind keine „scientific communities“, wo faktenbasiert und mit empirisch seriösen Belegen diskutiert wird.

Die Gewinner dieser Pseudo-Diskussionen sind jene, welche die besten rhetorischen Fähigkeiten besitzen, die richtigen Trigger zur passenden Zeit setzen und durch das Sammeln von „likes“ ihre Überzeugungen stark machen.

Auf Facebook wird nicht überzeugt, hier wird überredet oder – dort, wo mit persönlichen Angriffen gearbeitet wird – gezwungen.

Der zwanglose Zwang des besseren Arguments, wie ihn Jürgen Habermas im Rahmen seiner Diskursethik propagiert, unterliegt dem „ästhetischen Argument“:

Wer es schöner, knackiger, politisch korrekter ausdrückt, gewinnt.

Non scholae sed vitae discimus…

Das geht gar nicht:

Eine der SPÖ nahestehende Lehrerin wagt es öffentlich aufzutreten und auszusprechen, was viele wissen, aber keiner sich bisher zu sagen traute:

Dass es Probleme mit (vor allem) männlichen Schulkindern mit muslimischem Background gibt.

Doch anstatt Susanne Wiesinger und ihr Anliegen ernst zu nehmen, wird gegen sie polemisiert, was das Zeug hält.

„Instrumentalisieren“ habe sie sich lassen, weil sie den „falschen Medien“ Interviews gegeben habe.

(Wiesinger ließ sich von Addendum und Servus TV interviewen bzw. zu Diskussionen einladen – beide Medien gehören Red Bull-Chef Didi Mateschitz, der mit Sicherheit kein Linker ist.)

Den „Konsens, Problem intern anzusprechen und auszudiskutieren“ habe sie verletzt.

Ihre Eindrücke wären „Einzelfälle“, einer „persönlichen Wahrnehmung“ geschuldet.

Was ist von diesen Vorwürfen zu halten?

Wenn es möglich wäre, als Lehrerin in einer politisch von Rot(-Grün), also von „Links“ dominierten Stadt Kritik zu äußern, die dann auch wahr- und ernstgenommen und öffentlich diskutiert würde, wäre es ja prinzipiell okay, auch mit anderen, „linkeren“ Medien zu sprechen.

Doch wenn die sich lange Zeit von der an der Macht befindlichen Politik dazu missbrauchen haben lassen, nicht Klartext zu reden, ist man – selbst als „rote“ Lehrerin – irgendwann dazu gezwungen, sich liberalen (oder meinetwegen konservativen) Medien zuzuwenden.

Das trifft auch auf die Verletzung des Konsens, Probleme „intern“ zu besprechen, zu.

Wenn „intern“ zwar geredet wird, diese Gespräche aber zu keinen Verbesserungen führen, weil die Verantwortlichen nicht zugeben können (oder wollen), dass sie Fehler gemacht haben, ist es unvermeidbar, an die Öffentlichkeit zu gehen, sozusagen „Whistle Blowing“ zu betreiben.

Dass man mit „Reden“ (internem noch dazu) nicht weiterkommt, ja, dass vielleicht schon viel zu lange bloß „geredet“ worden ist, bewies der Wiener Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer beim „Talk im Hangar 7“, wo er u.a. mit eben jener Susanne Wiesinger diskutierte:

„Reden“, „Analysieren“ usw. müsse und wolle man.

Ja, eh.

Dass Wiesingers Eindrücke bloß ihre „persönlichen“ und somit nicht repräsentativ wären, ist ein weiterer Versuch, die Lehrerin als „hysterisches Hascherl“ abzukanzeln, um sich nicht weiter mit ihren Themen befassen zu müssen.

Doch Wiesinger war Jahre lang Personalvertreterin, sie dürfte also durchaus einen wesentlich umfangreicheren Blick auf die Problematik haben, als bloß jenen auf Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen als Lehrerin an einer bestimmten Schule.

Der Spruch des Titels dieses Kommentars – „Non scholae sed vitae discimus.“ – geht auf den römischen Dichter Seneca den Jüngeren zurück.

Im Original lautet er übrigens genau umgekehrt und war als Kritik am Schulsystem seiner Zeit gedacht:

„Non vitae sed scholae discimus.“

Frei übersetzt könnte das ungefähr dies bedeuten:

„So, wie unser Schulsystem derzeit aussieht, lernen unsere Schüler nicht für ihr Leben, sondern bloß für die Schule.“

Mit nur wenig Aufwand lässt sich diese Analyse auf die Wiener Schulpolitik und ihre Diskursbereitschaft übertragen:

Diese Art von Politik dient bestenfalls den Politikerinnen und Politikern.

Der Schule und den Schülerinnen und Schülern bringt sie nichts.

Eher das Gegenteil.