Nun ist es also doch passiert.
Die Griechen bzw. ihre Parlamentarier haben sich – Zeus sei Dank! – dafür entschieden, das Sparpakt anzunehmen, das ihnen die EU als conditio sine qua non für die Gewährung weiterer finanzieller Unterstützung vorgeschrieben hat.
Gut so.
Aber damit wird es wohl nicht getan sein.
Um das zu erkennen, braucht man nicht erst das Orakel von Delphi befragen.
Viele (die meisten?) Griechen haben ein echtes Moral-Problem. Die Schuld an der jetzigen Misere ausschließlich einer „ausbeuterischen Oberschicht“ in die Schuhe zu schieben, die sich – auf Kosten der Allgemeinheit und somit der „kleinen Leute“ – bereichert hätte, ist verlogen.
Auch der „kleine griechische Mann“ und die „kleine griechische Frau“ wissen, wie sie ihren Staat und damit indirekt auch die europäische Gemeinschaft missbrauchen.
Zur Veranschaulichung:
Vergangenes Jahr verbrachte ich zusammen mit einem Freund zwei Wochen an der Südküste Kretas. Rund um den Ort, in dem wir uns niedergelassen hatten, sah es aus wie auf einer Müllhalde. Die Pfade durch Olivenhaine und Orangenplantagen waren gesäumt mit leeren Plastikflaschen, alten Autoreifen, Blechdosen und diversem anderen Mist.
Als ich einmal von der Terrasse unsers Apartments blickte, sah ich einen alten, nicht gerade wohlhabend scheinenden Griechen aus dem gegenüber liegenden Haus kommen. Er bemerkte den Flugzettel einer Partei (es waren gerade Wahlen), der in seinem Postkasten steckte, zog ihn heraus, zerknüllte ihn und warf ihn über den Zaun in das von Abfällen bereits übersäte Gestrüpp außerhalb seines Grundstücks.
Hinter mir die Sintflut.
Beim ersten Einkauf im „Minimarkt“ des Ortes besorgte ich drei Flaschen Rotwein, Brot, Oliven, Spagetti, aber kein Obst.
Auf der Rechnung ausgewiesen waren drei Positionen mit den Preisen der Weine, die mit „Frutos“ bezeichnet waren.
Ich gehe davon aus, dass beim Verkauf von Alkohol andere, nämlich höhere Steuern zu entrichten wären, als bei dem von Obst.
Die Besitzerin des Ladens – ganz offensichtlich keine reiche Supermarktketten-Inhaberin – beging also Abgaben-Betrug.
Als wir unser Apartment kurz vor der Abreise bezahlen wollten und einen Beleg dafür verlangten, stellte sich unsere Vermieterin zunächst dumm. Erst, als wir ihr klarmachten, dass wir nur dann bezahlen würden, wenn wir auch eine Rechnung bekämen, rückte sie diese heraus.
Auch diese Frau war keine reiche Villenbesitzerin.
Ich liebe Griechenland, das habe ich schon immer getan. In der Schule hatte ich neben Latein auch noch Altgriechisch, studierte nach der Matura Philosophie und schätze vor allem die Denker und Künstler der griechischen Antike.
Das Land, das am Anfang der europäischen Kulturgeschichte stand, mag auf eine lange Geschichte verweisen. Von seiner Kultur ist jedoch nicht allzu viel übrig geblieben. Da mögen die hoch polierten „antiken Stätten“, etwa die Akropolis von Athen, die wir in den Sujets der Griechenland-Werbung stolz vor Augen geführt bekommen, noch so sehr glänzen vom Ruhm vergangener Zeiten.
Das „wahre Sein“ hat in der Philosophie der klassisch-griechischen Metaphysik eine große Bedeutung.
Das heutige Griechenland dürfte sich stärker dem Schein zugewandt haben.