Nein, ich bin nicht prüde, ganz im Gegenteil.
Aber vielleicht bin ich einfach zu alt und zu analytisch eingestellt, um der neuesten Mode des Protests das abgewinnen zu können, was ihre Proponenten von ihren Zusehern zu erwarten behaupten.
Bei aller Weltoffenheit und eifrigem Bemühen, den diversen Kundgebungen halb- oder ganz nackter Frauen einen tieferen Sinn und somit Verständnis für diese Form des politischen Engagements zu entlocken:
Es gelingt mir leider nicht.
Das liegt nicht daran, dass die Protagonistinnen nicht auch meine Aufmerksamkeit erregen würden.
Welcher heterosexuelle Mann würde es nicht – aus rein sexueller Sicht – interessant finden, wenn sich anziehende Frauen öffentlich ausziehen und er – ganz unverschämt – hinsehen darf, indem er dies elegant hinter dem Interesse am Inhalt, nicht der Form der Veranstaltung verstecken kann?
Doch was hat das alles mit Politik, und sei es auch nur mit einer Art basisdemokratisch-anarchischem politischen Statement zu tun?
Warum müssen Kritikerinnen des Neoliberalismus, Stichwort „Occupy Wall Street..!“, ihrem Groll Ausdruck verleihen, indem sie die Hüllen fallen lassen?
Immer wieder kritisieren Feministinnen (zu Recht..!) die sexuelle Ausbeutung von (halb- oder ganz nackten) Frauen zum Zwecke der (Werbe-)Wirtschaft, Stichwort: „Autoverkauf mit Frauen im Bikini“.
Warum springen engagierte Frauen dann genau auf diesen Zug auf und fahren damit in die Richtung, aus der sie sich eigentlich entfernen möchten?
Welchen Sinn macht es, wenn ukrainische Frauen der Gruppe FEMEN, die gegen Sexismus im Allgemeinen und gegen Sextourismus in der Ukraine im Besonderen eintritt, sich halb- oder ganz nackt in der Öffentlichkeit zeigen?
Welcher (potenzielle) Sextourist oder Vergewaltiger soll durch so ein „Statement“ zum Umdenken angeregt werden (können)?
Besteht nicht viel eher die Gefahr, dass z.B. die Ukrainerinnen, die eigentlich weniger Sextouristen in ihrem Land haben wollen, genau diese anlocken, wenn durch solche Aktionen (unbeabsichtigt) signalisiert wird: „Solch’ hübsche Mädels rennen hier rum, und sie sind liberal genug, sich in der Öffentlichkeit auszuziehen!“
Die besondere Ironie an der Sache:
Alle jene, die das freizügige Statement verstehen und nicht als Einladung interpretieren, fallen nicht in die Zielgruppe der Aktion – für die Anderen gilt das oben Gesagte.
Das „sich Ausziehen“ als politisches Statement haben schon die 68er eingesetzt.
Sie sind schon lange wieder davon abgekommen.
Zu Recht.
Wer sich heute auszieht, um gegen was auch immer zu protestieren, ist schon vor Beginn der Schlacht dem Feind erlegen, gegen den er / sie vorgibt anzutreten.