Noch knapp ein Monat ist es hin bis zur Nationalratswahl und obwohl der Wahlkampf erst seit ein paar Wochen läuft, fühlt es sich so an, als würde er bereits Jahre dauern.
Das könnte nicht zuletzt auch daran liegen, dass die Kandidatinnen und Kandidaten von einem TV-Auftritt zum nächsten weitergereicht werden.
Doch wer möchte wirklich irgendeine der zur Wahl stehenden Personen öfters als ein, zwei Mal im Fernsehen dabei beobachten, wie sie die immer gleichen Phrasen dreschen, das eigene Parteiprogramm in mehr oder weniger elegante Sätze verpacken und diese bis zum Erbrechen wiederholen?
Die verkrampften Versuche des ORF sowie der privaten TV-Sender, dem Blick auf die heimische Politik durch neue Formate alternative Seiten abzugewinnen, sind zum Scheitern verurteilt.
Die neuen Perspektiven können nämlich nichts daran ändern, dass die „dramatis personae“ von ihren Medien-Coaches perfekt darauf vorbereitet worden sind, auf jede nur erdenkliche Frage möglichst eloquent nicht zu antworten.
Wer weiß also wirklich, was ihn oder sie nach der Wahl erwarten wird? Wer wagt es, sich auf eine Wette einzulassen, die für ihn oder sie so gut ausgeht, dass sich der Einsatz lohnt, einer ganz bestimmten Partei die Stimme zu geben? Immerhin könnte diese Partei aus reinem Opportunismus, um jeden Preis an der Macht zu bleiben, mit einem Partner, den man selbst nicht gewählt hat und niemals gewählt hätte, in eine Koalition gehen.
Fühlt man sich eher „links“ zuhause und wählt z.B. die SPÖ, kann man nach dem 15. Oktober nicht ausschließen, die am weitesten von der ursprünglichen Ideologie der Sozialdemokraten entfernte Partei in Regierungsämtern wiederzufinden: die FPÖ.
Die Wahl einer kleinen „linken“ Partei (derer es einige gibt, rechnet man die Grünen ein, was aus vielen Gründen legitim erscheint) wird in Anbetracht der großen Auswahl nicht viel bewirken. Die Sympathisantinnen von „linker“ Politik jenseits der SPÖ, werden durch ihre Wahl die Welt nicht verändern. Sie können höchstens ein Zeichen setzen – für mehr „Gerechtigkeit“, was auch immer das bedeuten mag.
Wer sich selbst eher als liberal ansieht kann, je nachdem, ob dieser Liberalismus sich nur auf die Wirtschafts-, aber nicht auch auf die Gesellschaftspolitik erstreckt, eher die ÖVP oder die NEOS wählen, wobei letzteres einen ähnlichen Effekt haben dürfte wie die Wahl der Grünen.
Österreich teilt sich seit Jahrzehnten primär in zwei Lager auf: in dasjenige der ÖVP- und in jenes der SPÖ-Fans. Die Anhängerinnen und Anhänger der FPÖ sind jenes knappe Drittel an Menschen, die sich von den beiden „Etablierten“ ausgeschlossen und von der Welt verraten fühlen.
Eine der beiden großen Parteien wird nach der Wahl mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der FPÖ zusammenarbeiten.
Die Politik, die dabei herauskommt, wird wohl oder übel ziemlich klar die Handschrift der SPÖ oder der ÖVP tragen. Die FPÖ selbst wird wohl nur als Steigbügelhalter dienen und dafür mit ein paar Ministerposten und Ämtern abgespeist werden, ohne allzu großen politischen Schaden anrichten zu können.
Eine SPÖ/FPÖ- oder eine ÖVP/FPÖ-Koalition könnte fünf Jahre lang eine deutlicher „rote“ oder „schwarze“ Politik verwirklichen, als dies in der „Großen Koalition“ aus Gründen der gegenseitige Blockade jemals möglich war.
So gesehen könnte man selbst bei der auf den ersten Blick beängstigenden Variante einer SPÖ/FPÖ- oder ÖVP/FPÖ-Regierung nach der Oktober-Wahl optimistisch in die Zukunft blicken. Denn als Souverän bekommt man in fünf Jahren einen guten Einblick in das, was uns im Falle einer „Absoluten“ einer der beiden Großparteien erwarten könnte und was wir vielleicht nicht mehr so bald erleben wollen.
Im Idealfall könnte dies die bisher kleineren Parteien stärken und sie zu neuen, tatsächlichen Alternativen auf der linken (z.B. Peter Pilz) und gemäßigt rechten bzw. liberalen Seite (z.B. NEOS) heranwachsen lassen.
Vielleicht sollten wir einfach gelassener auf die Dinge blicken.
Mag es auch nicht für alle von uns perfekt sein, irgendetwas wird schon rauskommen, bei dieser Wahl.
Wenn sie nur endlich vorüber wäre!