Dass Sebastian Kurz nicht gewusst hat, worauf er sich einlässt, können nur hartgesottene ÖVP-Anhänger oder geistig Umnachtete ernsthaft behaupten.
War er naiv oder ging er das Experiment deswegen ein, weil er von Anfang an die polit-taktisch geniale Strategie verfolgte, die FPÖ zu instrumentalisieren und bei erstbester Gelegenheit öffentlichkeitswirksam wieder loszuwerden, um als strahlender Held dazustehen und die nächste Wahl absolut zu gewinnen?
Natürlich war Jedem von Anfang an klar, dass eine Koalition mit der FPÖ kein gutes Ende nehmen würde.
Quod erat demonstrandum.
Doch wie geht es weiter, wenn Ende September der Nationalrat neu gewählt wird?
Die Prognosen stehen gut für die „Türkisen“, schlecht hingegen dürften die „Roten“ abschneiden.
Woran liegt es, dass die SPÖ den Elfmeter mit Anlauf, den ihr HC Strache und seine Partei ermöglicht haben, nicht verwandelt?
Ist der Grund dafür wirklich nur die dünne Personaldecke?
Oder könnte es nicht vielleicht auch an einer veritablen Sinnfindungskrise der SPÖ liegen, dass diese es nicht und nicht zustande bringt, sich selbst als unverzichtbare Kraft in der österreichischen Politik zu verankern?
Wahrscheinlich trifft beides zu.
Mit Pamela Rendi-Wagner als neuer Chefin hat die Partei sich keinen Gefallen getan. So integer und intelligent sie auch sein mag, ihr Charisma ist überschaubar, der Zug zum Tor fehlt ihr völlig, mit ihren rhetorischen Fähigkeiten kann sie ebenfalls nicht überzeugen.
Doch die SPÖ hat in einem Land wie Österreich, das nach Transferleistungen zu einem der gerechtesten (wenn man Gleichverteilung als Fundament von Gerechtigkeit ansehen möchte) der Welt gehört und insgesamt sehr gut dasteht, ganz einfach keinen Auftrag (mehr).
Das Thema, ob ein reales oder bloß imaginiertes Problem, das die meisten Menschen hierzulande am stärksten bewegt, heißt „Migration“.
Die FPÖ ist damit seit Jahren erfolgreich, die ÖVP unter Sebastian Kurz hat sich auf etwas gemäßigtere Weise ebenfalls darauf gestürzt.
Und selbst innerhalb der SPÖ gibt es Politiker, die bereit sind, auf diesen Zug aufzuspringen, siehe Hans Peter Doskozil.
Wie die Wahl im Herbst für die SPÖ ausgeht, wird vor allem daran liegen, wie sie mit dem Thema „Migration“ umgeht. Die „Roten“ werden wohl einen Kompromiss finden müssen zwischen ihrem Ideal und einer völligen Anbiederung an die „Blauen“, die ihnen nicht zuletzt wegen dieses Themas in den letzten Jahren Wählerstimmen geraubt haben.