Die grüne Kandidatin für die deutsche Bundeskanzlerwahl 2021, Annalena Baerbock, kommt nicht aus den Schlagzeilen.
So soll sie nicht nur ihren Lebenslauf geschönt und bei „ihrem“ Buch (das wahrscheinlich von einem Ghostwriter zusammenkopiert und -gestückelt worden sein dürfte) geschummelt haben.
Nein, Baerbock hat auch vergessen, Nebeneinkünfte rechtzeitig zu deklarieren.
Wäre die Grünen-Kandidatin eine Politikerin z.B. der FDP oder CDU oder SPD, die Kritik aus den Reihen der Grünen würde wohl nicht verstummen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass auch sie in den Chor jener einstimmen würden, die ihren Rücktritt fordern.
Doch das passiert nicht, im Gegenteil.
Die Grünen selbst, aber auch viele „neutrale“ Kommentatoren verteidigen Annalena Baerbock, indem sie ihre Vergehen bagatellisieren.
Das ist bereits per se problematisch.
Doch noch schlimmer scheint mir zu sein, mit welcher Argumentation dies geschieht.
So ist immer wieder zu lesen, dass es derzeit viel wichtigere Themen gäbe, als die Flunkereien bzw. Gedächtnislücken von Frau Baerbock, z.B. den Klimawandel.
Aber kann man es sich wirklich so leicht machen?
Kann man den Vorwurf der – vielleicht – vorsätzlichen Täuschung einfach damit vom Tisch wischen, dass man ihn in einen Zweck-Mittel-Zusammenhang stellt und sagt: „So lange es eine Politikerin der Grünen ist, die bei solchen Vergehen erwischt wird, ist das kein Problem. Denn die Grünen sind ja schließlich die Guten!“?
Nein, das kann man nicht.
Denn wer Lug und Trug für legitime Mittel erachtet, entzieht der Demokratie ihre Grundlage. Sie lebt nämlich davon, dass der Souverän, also der Demos, die Wahrheit kennt und dann seine Entscheidung trifft.
Ein Demos, der in eine Entscheidung hineinbetrogen wird, ist um kein Stück selbstbestimmter als einer, der von einem Diktator zu seiner „Wahl“ gezwungen wird.
Vielleicht befindet er sich sogar noch in einer schlimmeren Position. Denn er weiß gar nicht, dass er gezwungen wird.
Lektor, Autor, Philosoph