Probleme erkannt und benannt. Lösungen?

Dass es unmöglich ist, dass Europa (und innerhalb dieses Kontinents die drei Länder Österreich, Deutschland und Schweden) die „Flüchtlingskrise“ im Alleingang lösen wird können, dürfte allen bewusst sein.

Was sind nun aber mögliche Ansätze für ihre Lösung?

Zunächst einmal sollten die drei oben genannten Staaten im eigenen Interesse darauf hinwirken, dass in einem ersten Schritt – gemäß der Menschenrechte und der Genfer Flüchtlingskonvention – „Erste Hilfe“ geleistet wird. Das muss europaweit akkordiert ablaufen, was aber auch bedeutet, dass weder Flüchtlinge sich aussuchen können, wo sie untergebracht werden, noch Länder sich aussuchen dürfen, ob sie überhaupt Flüchtlinge aufnehmen oder nicht.

Wer weiterhin Teil der „Europäischen Union“ sein will, dieses exklusiven Clubs, der gerade für die Staaten aus Zentral- und Osteuropa, die mehrheitlich der Gruppe der so genannten „Nettoempfänger“ angehören, große Vorteile mit sich bringt, muss auch die Gemeinschaftsregeln respektieren und die ihm zuzuordnende Verantwortung für das Gesamte übernehmen.

Die Trennung zwischen „echten“, also Kriegsflüchtlingen gemäß der beiden oben genannten Rechtssatzungen, und so genannten „Wirtschaftsflüchtlingen“ muss konsequent durchgeführt werden; letztere, also die „Wirtschaftsflüchtlinge“, sollten umgehend abgeschoben bzw. gar nicht erst nach Europa gelassen werden und falls doch, nur nach Bedarf nach (qualifizierten) Arbeitskräften gemäß entsprechender (Länder-)Quoten.

Um die ansässige Bevölkerung nicht zu überfordern, sollte aber während der Durchführung von „Erste Hilfe“-Maßnahmen daran gearbeitet werden, Flüchtlingszonen in den benachbarten Regionen außerhalb jener Kriegsgebiete  einzurichten. Diese sollen von der EU, aber auch von anderen „Global Players“, z.B. den USA, Russland, den reichen Golfstaaten, großzügig mit Geld und Logistik ausgestattet werden.

Die EU und die übrigen „Global Players“ sollten gemeinsam daran arbeiten, Konflikte in der Region, wie z.B. jenen in Syrien so zu lösen, damit eine Rückkehr der Flüchtlinge und ein friedliches Zusammenleben der Menschen in diesen Länder wieder möglich gemacht wird. Das ist bestimmt die schwierigste der vorgeschlagenen Maßnahmen, aber langfristig die nachhaltigste, wenn wir nicht wollen, dass Europa von unzähligen Flüchtlingswellen überschwemmt wird.

Apropos: Jene Menschen, die als Flüchtlinge anerkannt und im Rahmen der „Erste Hilfe“-Maßnahmen bei uns aufgenommen werden, müssen von Anfang an über die bei uns geltenden Gesetze und „Konventionen“ (z.B. über den Umgang der Geschlechter, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und das Verhältnis von Religion und Staat) informiert werden – und darüber, dass sie bei Zuwiderhandeln keine Chance darauf haben, (auf Dauer) hier zu bleiben.

Nach gesetzlicher Möglichkeit sollten jene, die straffällig geworden sind, abgeschoben werden. Sollte dies aufgrund der aktuellen Gesetzeslage nicht möglich sein, sollten die Gesetze (EU-weit) entsprechend adaptiert werden. Dies ist nicht nur im Interesse der „Einheimischen“, sondern auch im Interesse jener Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Terror (z.B. des „Islamischen Staats“) darauf hoffen, ein neues Leben in Frieden und Freiheit beginnen zu können.

Gutes Klima

Schon wieder Paris.

Doch diesmal sind es keine Hiobsbotschaften über Terroranschläge, die uns von dort erreichen.

Nein, bei den neuesten Nachrichten aus der französischen Hauptstadt geht – im übertragenen und im wörtlichen Sinne – die Sonne auf:

Auf der Klimakonferenz, die dort bis zum 12. Dezember 2015 stattfand, konnten sich so gut wie alle Staaten dieser Welt (also auch jene, die bisher als so genannte „Klimasünder“ galten) auf eine neue Klimaschutz-Vereinbarung in der Nachfolge des „Kyoto-Protokolls“ einigen.

Beschlossen wurde die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst auf 1,5°C.

Das ist ein durchaus ambitionierter Vorsatz, so ambitioniert, dass man meinen könnte, dass er das Papier nicht wert ist, auf dem er festgehalten wurde. Dazu kommt, dass das Abschlussdokument zwar völkerrechtlich bindend ist, jedoch keine Strafen bei Missachtung der Vertragspunkte drohen.

Dennoch beurteilen nicht nur PolitikerInnen, sondern auch VertreterInnen von NGOs (wie z.B. Greenpeace) das „Paris-Abkommen“ durchaus als Meilenstein. Das scheint, vorsichtig betrachtet, legitim.

Trotz allem – berechtigten – Enthusiasmus gilt jedoch:

Paris kann nur der Anfang sein.

Ob das Dokument hält, was es verspricht, werden die kommenden Jahre zeigen – und die Bereitschaft der Unterzeichner, großen Worten ebensolche Taten folgen zu lassen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Paris, November 2015

Man muss kein Franzose sein, um Trauer zu verspüren, Trauer darüber, dass nach kaum einem Jahr (im Jänner 2015 fand das Attentat auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ statt) schon wieder islamistische Attentäter ein Blutbad in der Stadt an der Seine angerichtet haben.

Besucher eines Fußballmatches, Besucher eines Konzerts, Besucher von Cafés – aus diesen Menschen setzt sich die Gruppe der mehr als 120 Toten zusammen.

Waren die Opfer des Anschlags auf „Charlie Hebdo“ Karikaturisten, die sich über radikale Ausprägungen des Islam lustig gemacht haben, so sind es nun völlig Unbeteiligte, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Nur damit ich nicht missverstanden werde:

Auch die Karikaturisten hatten es nicht verdient, erschossen zu werden.

Aber welchen Affront gegenüber dem Islam haben sich die Opfer des 13. November 2015 geleistet, um so „bestraft“ zu werden?

Offensichtlich gehört es – aus Sicht radikalisierter Muslime – bereits zur Gottlosigkeit, Fußballfan, Liebhaber moderner Musik und Kaffeetrinker zu sein.

Nein, das wäre zu einfach.

Laut Augenzeugenbericht hätten die Attentäter Frankreichs Engagement im Kampf gegen den Islamischen Staat in Syrien als Grund für ihren Rachefeldzug genannt.

Aber kann man es sich als Terrorist tatsächlich so einfach machen und riskieren, Menschen zu töten, die vielleicht gar nicht geschlossen hinter ihrer Regierung und deren außenpolitischen Entscheidungen stehen?

Was, wenn es sich bei den Opfern um muslimische Franzosen handelt?

Um solche, die dezidiert das Syrien-Engagement Frankreichs nicht gutheißen?

„Kollateralschaden!“ würde ein überzeugter islamistischer Terrorist auf diesen Einwand wohl antworten.

Aber mit jeder weiteren Pirouette, die ein Gehirn dreht, drehen muss, um solche Taten zu „argumentieren“, zeigt sich, welches Ausmaß an Wahn von ihm Besitz ergriffen haben muss.

Und dennoch:

Es mag paradox erscheinen, aber Fanatismus, ganz egal, in welches Mäntelchen er sich hüllen, zu welchen „hehren“ Zielen auch immer er sich bekennen mag, ist meistens der Ausdruck großer Hilflosigkeit.

Je gewalttätiger ein Mensch ist, je mehr „Stärke“ er in seine Taten investiert, umso klarer gibt er zu erkennen, wie schwach er in Wahrheit ist.

Vertrauen ist wertvoll – und muss daher teuer sein

Nun haben sie es also auch getan, die Wiener Grünen:

Gelogen.

Die Wiener Vize-Bürgermeisterin Maria Vassilakou hat vor der Wahl angekündigt zurückzutreten, sollten die Grünen Verluste einfahren.

Bereits am Wahlabend, als feststand, dass die Grünen rund ein Prozent (und somit ein Mandat) gegenüber der Wahl von 2010 eingebüßt hatten, war plötzlich alles anders und Vassilakou darum bemüht, zurückzurudern.

In den darauffolgenden Stunden folgten halbgare Ausreden und Entschuldigungen.

Ein Fehler sei es gewesen, den sie bedauere, aber sie wolle im Amt bleiben, noch dazu, wo ihre MitstreiterInnen ihr das Vertrauen ausgesprochen hätten.

Wie würden die Grünen reagieren, wenn Michael Häupl, trotz seiner Ansage von vor der Wahl, mit der Strache-FPÖ unter keinen Umständen zu koalieren, nun plötzlich eine SPÖ-FPÖ-Koalition ausrufen und Kritik unter Erinnerung an sein Versprechen mit dem Hinweis auf einen „Fehler“ ausräumen würde?

Die Grünen würden ihn zu Recht der Lüge zeihen.

Aber ist es dann legitim, wenn die Grünen, die letzte aller bereits seit mehreren Jahren im österreichischen Polit-Betrieb aktiven Parteien, die sich solche Lügen noch nicht geleistet haben, eine solche Lüge ihrer Wien-Chefin Vassilakou durchgehen lassen?

Nein.

Gerade weil die Grünen bisher eine „anständige“ Partei waren und bei jeder Gelegenheit den moralischen Finger in die Wunden ihrer politischen Mitbewerber gelegt haben, dürfen sie jetzt nicht demselben Fehler erliegen wie alle anderen:

Politik zu einem reinen Strategie-Spiel verkommen zu lassen.

Wenn die Grünen ihre Glaubwürdigkeit bewahren wollen, müssen sie Maria Vassilakou an ihr Versprechen erinnern und zum Rücktritt veranlassen. Auch wenn das noch so teuer für die bisherige Vizebürgermeisterin sein mag.

Der Partei selbst kann es nur Pluspunkte bringen:

ein weiterhin starkes Vertrauen von Seiten der WählerInnen der Grünen.

Auf der Flucht, die zweite

Über die Widerstände der Gemeinden in Österreich habe ich bereits geschrieben.

Hier geht es um das „größere Ganze“, Europa, namentlich: die Europäische Union, die es nicht schafft, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen, um das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen.

Dass mittel- bis langfristig auch außenpolitische Maßnahmen nötig sein werden, steht außer Frage; dazu gehören akkordierte Maßnahmen in den Herkunftsregionen der Flüchtlinge. Das könnte politischer und ökonomischer Druck sein, der auf die kriegstreibende Parteien ausgeübt wird in Verbindung mit positiven Angeboten an die entsprechenden Länder.

Frieden schaffen stünde an oberster Stelle der Agenda, in weiterer Folge: eine ökonomisch und sozial stabile Lage vor zu Ort etablieren.

Kurzfristig kommt die EU bzw. kommen ihre Mitgliedsländer jedoch nicht umhin, Flüchtlinge zuerst einmal aufzunehmen und ihnen Schutz und ein seriöses Verfahren zu bieten. Mag sein, dass nicht alle in Europa bleiben dürfen, wenn sich herausstellt, dass einige keinen echten Asylgrund haben.

Aber das darf erst mit Abschluss des jeweiligen Verfahrens entschieden werden.

Tausende von Menschen unter den Generalverdacht des „Asylbetrugs“ zu stellen und deshalb die Grenzen nach Europa dicht zu machen, widerspricht den Werten der Union und jene Europas, das sich zu Recht zugute hält, keine religiös und weltanschaulich konservative Region der Welt mehr zu sein und keine „neoliberale“, wie das z.B. die USA sind.

Europa kann die Herausforderung bewältigen, die Mittel und Möglichkeiten dazu existieren.

Die Frage, ob wir es schaffen, ist keine des „Könnens“, sondern eine des „Wollens“.

Um dieses zu schaffen, müssen nationale Politiker ihren Binnenchauvinismus aufgeben und anfangen, in größeren Maßstäben zu denken.

Dazu gehört auch eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten.

Mag sein, dass dies manchen Staatsführern politisch kurzfristig schaden könnte.

Langfristig gesehen und in Generationen unserer Kinder und Enkelkinder gedacht, wird es aus der Zukunft betrachtet die richtige Entscheidung gewesen sein.

Auf der Flucht

Es ist eine Schande: Eines der reichsten Länder der Welt schafft es nicht, Flüchtlinge unter menschenwürdigen Bedingungen unterzubringen.

Woran scheitert es?

An der Feigheit lokaler PolitikerInnen, die es „ihrer“ Bevölkerung nicht zumuten zu können glauben, mit Menschen aus anderen Ländern konfrontiert zu werden, die nicht als zahlende TouristInnen nach Österreich kommen, sondern, weil sie an Leib und Leben bedroht sind.

Natürlich wäre es problematisch, einfach über die ÖsterreicherInnen und ihre Sorgen „drüberzufahren“.

Aber das ist gar nicht nötig.

Eine akkordierte Aktion aller im Parlament vertretenen Parteien – vielleicht mit Ausnahme der FPÖ, die hier nicht mitziehen würde -, eine Rede des Bundespräsidenten an „sein“ Volk, Initiativen von „Opinion Leaders“ (z.B. Schauspielern, Sportlern – idealer Weise solcher, die selbst Migrations- oder sogar Flüchtlingshintergrund aufweisen) und diversen Institutionen wie z.B. Medien, Kirchen usw. würden ausreichen, den ÖsterreicherInnen zu zeigen, dass sie offene Herzen und offene Türen für Menschen in Not haben – auch wenn „ihre“ PolitikerInnen das Gegenteil glauben.

Die Tatsache, dass immer mehr Menschen in Eigeninitiative nach Traiskirchen fahren, um den Flüchtlingen ihre Hilfe anzubieten, ist ein Zeichen, das die Politik aufgreifen sollte. Die überwiegende Mehrzahl der ÖsterreicherInnen ist hilfsbereiter, als lautstark auftretende Einzelne, die sich gegen „Asylanten“ positionieren, das vermuten ließen.

Griechische Tragödie

Es gehört zur Tragödie – gemeint ist die theatralische Inszenierung – dazu, das Leid in allen Farben auszumalen, es an der einen oder anderen Stelle besonders bunt zu zeichnen, egal, ob das den Tatsachen entspricht oder nicht. Übertreibung ist notwendig, lernt man beim Schauspielunterricht – zumindest, wenn es um Theateraufführungen geht -, denn die kleine Geste bleibt unbemerkt und das Publikum in der letzten Reihe soll ja auch vom Schmerz des tragischen Helden erfahren, er muss ihn daher übertrieben darstellen, damit es wirkt.

So präsentieren sich die Griechinnen und Griechen seit Monaten als von der „Troika“, dem „Kapitalismus“ bzw. „Neoliberalismus“ Ausgebeutete, Gequälte, Geschundene und hoffen auf Mitleid, das ihnen tatsächlich von Linken aller Herren Länder bis hin zu US-amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträgern entgegen gebracht wird.

Doch ist dieses Mitleid berechtigt?

Griechenland hat sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die EU geschummelt.

„Ja, aber diese EU hat das durchschaut und trotzdem die Türe weit aufgemacht“, lautet das Gegenargument der Linken, versehen mit dem Nachsatz, „um Geld via Kreditzinsen zu verdienen und die eigene (Export-)Wirtschaft zu fördern.“

Die „bösen Banken“ kommen als nächstes ins Spiel der griechischen Selbstverteidigung und danach sogleich der „internationale Finanzkapitalismus“.

Zuletzt wird dann auch noch auf die „Austeritätspolitik“ verwiesen und auf ihre kontraproduktiven Effekte.

Was die Griechinnen und Griechen und ihre linken Unterstützer weltweit jedoch geflissentlich übersehen:

Dem Land wurde nicht nur sehr viel Geld geliehen (und mit großzügigen Zinsen und Rückzahlungsfristen versehen), es wurde ihnen auch sehr viel Geld geschenkt (durch einen umfangreichen Schuldenschnitt).

Dass die EU Griechenland trotz ihr – vielleicht – bekannter schlechter Wirtschaftsdaten in ihre Reihen aufgenommen hat, kann man als Eigeninteresse Deutschlands und anderer starker, exportorientierter Nationen interpretieren.

Man kann es aber auch so sehen:

Gerade Deutschland hat, wohl nicht zuletzt aus historischer Schuld und dem daraus erwachsenen Verantwortungsgefühl und jenem der moralischen Verpflichtung Europa gegenüber, so viel für diese Gemeinschaft geleistet (nicht zuletzt durch überproportionalen Einsatz von Finanzmitteln), dass der „Egoismus-Vorwurf“ ins Leere geht und der vom „bösen Kapitalismus“ gleich mit dazu.

Für Deutschland (und Frankreich) waren es vor allem Idealismus und Solidarität, die sein Engagement für das Zusammenwachsen Europas inspiriert haben, natürlich auch ökonomische Interessen, aber wer hat die nicht?

Griechenland, das „Demokratie“ und „Solidarität“ als europäische Werte beschwört, hat im Unterschied dazu seit Jahr(zehnt)en auf Pump gelebt: auf Kosten der eigenen Volkswirtschaft, auf Kosten der EU.

Nun den Regierungen, die (aus Eigeninteresse) nicht streng genug mit Steuersündern im Land umgegangen sind und Heerscharen von Beamten Jobs gegeben haben, vorzuwerfen, sie alleine wären Schuld, ist verlogen.

Gewählt wurden diese Regierungen vom griechischen Volk, das flächendeckend an der Korruption und Ausbeutung des eigenen Landes beteiligt war (und ist). Sich jetzt aus der Verantwortung zu stehlen und den schwarzen Peter Deutschland / der EU / einer kapitalistisch-neoliberalen Verschwörung zuzuschieben, ist fadenscheinig und darüber hinaus auch kontraproduktiv.

Mag sein, dass die Tragödie Griechenlands keine reine Inszenierung, sondern für viele Menschen ein echtes Trauerspiel ist.

Umso wichtiger, dass die Menschen vor Ort endlich ihre Eigenverantwortung wahrnehmen und jene Demokratie, von der sie gerne reden, wenn sie die Solidarität Europas einfordern, leben, indem sie damit aufhören, sich selbst anzulügen und ihr Land, einander und somit zuletzt auch sich selbst auszubeuten.

Die letzten Helden

Nun ist er also tot: Winnetou oder besser gesagt: Pierre Brice, aber eigentlich doch: Winnetou.

Der französische Schauspieler hat den berühmten Appachen-Häuptling in den Filmen verkörpert, die meine Kindheit und Jugend und indirekt wohl auch mein Erwachsenenleben geprägt haben.

Winnetou und Old Shatterhand waren, neben Batman, Superman und Spiderman, meine Helden.

Selbst heute bekomme ich noch feuchte Augen, wenn ich den Titelsong der Filme im Radio höre.

Wenn ich erfahre, wie in den Kindergärten von heute den Kleinen eingebläut wird, dass Cowboy und Indianer zu spielen nicht okay, weil so „gewalttätig“ ist, und mit Waffen aufeinander zu schießen, „grauslich“, muss ich lachen.

Selbstverständlich haben wir Cowboy und Indianer gespielt, uns dabei jedoch nicht die Bösen, sondern Old Shatterhand und Winnetou zu Vorbildern genommen.

Wir sind durch die Prärie geritten, haben uns angepirscht und auf einander geschossen, wenn es unvermeidlich war.

Aber wir haben auch Gefangene befreit, am Lagerfeuer zusammen die Friedenspfeife geraucht und Blutsbruderschaften geschlossen.

Auch Winnetou und Old Shatterhand und ihre Freunde haben geschossen und getötet. Aber nur in Notwehr.

Hauptsächlich haben sie Menschen geholfen, die in Not waren, Armen, Schwachen, Unterdrückten.

Das hat Eindruck auf mich gemacht.

Pierre Brice war für mich Winnetou, so wie Lex Barker Old Shatterhand war und immer sein wird.

So long, du edler Appachen-Häuptling, deine Heldentaten und die Abenteuer meiner Kindheit, zu denen sie meine Freunde und mich inspiriert haben, werden mir unvergessen bleiben.

Die unerträgliche Leichtigkeit des Nichtwichtigseinwollens

Eher zufällig habe ich es erfahren, via Facebook, über das Posting einer Freundin, die ebenfalls Philosophin ist:

Odo Marquard ist tot.

Er starb vor drei Tagen (also am 9. Mai 2015) in Celle im Alter von 87 Jahren.

Ich habe nicht viel gelesen von diesem deutschen Philosophen, der mir das erste Mal in meinem Philosophiestudium begegnet ist – über einen seiner markanten Aussprüche, den ein Professor eher beiläufig erzählte und den ich mir bis heute gemerkt habe:

Die Philosophie, so Marquard, besäße die „Inkompetenzkompensationskompetenz“.

So viel augenzwinkernde Unaufgeregtheit, so viel sich selbst nicht wichtig Nehmen, ist schon beinahe Ausdruck philosophischer Genialität.

Es wundert kein bisschen, dass Marquard seine eigenen philosophischen Texte als „Transzendentalbelletristik“ bezeichnet hat.

Wer die Philosophie und ihre deutschsprachigen Kerzerlträger kennt, die sich gerne wichtig, allzu wichtig nehmen, wenn sie im Brustton der Überzeugung der eigenen Bedeutsamkeit Trivialitäten in die von Trivialitäten mittlerweile übergehende Welt hinaustragen, muss Odo Marquard dankbar dafür sein, dass er den Peter Sloterdijks und Richard David Prechts dieser Welt die Grenzen ihres Denkens und Schreibens aufgezeigt hat.

Obwohl ich, wie gesagt, nicht viel von Odo Marquard gelesen habe, alleine durch seine selbstironisch-bescheidene Art habe ich mehr gelernt als durch die Lektüre der Bücher seiner sich gerne ins Rampenlicht drängenden „Kollegen“.

Ein Schiff wird kommen…

…und dann noch eins und dann noch eins und…

Dass die Flüchtlinge, die sich per Boot übers Mittelmeer ins „gelobte Land“ Europa aufmachen, schlechte Karten haben, wissen die meisten von ihnen nicht oder sie sehen das einfach ganz anders:

Wer daheim nichts zu fressen hat oder von Krieg und Verfolgung bedroht ist, hat nichts zu verlieren.

So lange wir in Europa nicht näher zusammen rücken – gerade auch, was die gemeinsame (Flüchtlings-)Politik betrifft -, wird sich nichts ändern.

Neben Maßnahmen, die EU-weit abgestimmt werden müssen und jene Länder an der südlichen Grenze unterstützen, die als Ankunftsstaaten direkt betroffen sind (z.B. Italien und Griechenland), wird es wohl früher oder später unumgänglich sein, Diktatoren, die ihr Volk unterdrücken, nicht mehr zu hofieren, um günstig an Rohstoffe zu gelangen, Subventionen für die eigenen Güter abzuschaffen, welche die Einwohner in ärmeren Ländern der Welt bisher zur Konkurrenzunfähigkeit verdammen und infrastrukturelle Maßnahmen zu fördern, welche den Menschen in ärmeren Regionen zugute kommen – Stichwort: Hilfe zur Selbsthilfe.

Das muss die sogenannte „Erste Welt“ nicht unbedingt deshalb tun, weil es vielleicht moralisch geboten wäre. Denn darüber kann man moralphilosophisch streiten.

Sie sollte es ganz einfach deshalb machen, weil es ihr selbst mittel- bis langfristig zugute kommt.

Der Ansturm der Flüchtlinge wird in Zukunft nicht schwächer werden, sondern noch ansteigen – mit allen sicherheitspolitischen Problemen, die damit einhergehen (z.B. Terrorismus).

Auch für den – egoistisch gedacht – funktionierenden Tausch von Waren und Dienstleistungen im globalen Maßstab brauchen wir eine Welt, die auf eine gewisse Gleichheit der Chancen achtet.

Nicht, weil sich dies „gerechtigkeitstheoretisch“ begründen lässt, sondern, weil es auch uns selbst nützt.