Griechische Fingerübung

Hat er oder hat er nicht?

Vom neuen griechischen Finanzminister geistert ein Video durchs Internet.

Zu sehen ist Yanis Varoufakis darin bei einer eindeutigen Geste während einer Rede, die er beim Subversive Festival in Zagreb im Jahr 2013 gehalten hat.

Er streckt den Mittelfinger der linken Hand nach oben. Begleitet wird das Ganze durch die Worte:

„My proposal was that Greece should simply announce that it is defaulting just like Argentina did. Within the Euro in January 2010 and stick the finger to Germany and say: Well, you can now save this problem by yourself.“

Als das Video durch einen Zuspieler bei Günther Jauchs gleichnamiger Sendung im ARD auftauchte, tat Varoufakis es als Fake ab. Wenige Tage später meldete sich der deutsche TV-Satiriker Jan Böhmermann zu Wort. Er behauptete, das Finger-Video sei tatsächlich ein Fake, er und sein Team hätten es gebastelt.

Die Frage, ob es sich beim gestreckten Finger um ein echtes „Foul“ handelt oder nicht, ist aber eigentlich irrelevant.

Denn die Haltung, die nicht nur der neue griechische Finanzminister, sondern die gesamte griechische Regierung Deutschland und der gesamten restlichen EU gegenüber an den Tag legt, ist mehr als fragwürdig.

Das Land, das schwer verschuldet ist und schon seit Jahren am Tropf der übrigen Mitgliedsstaaten der Union hängt, fällt vor allem durch Arroganz auf, vernünftige Vorschläge zur Kurskorrektur und dazu, wie Griechenland endlich die volkswirtschaftliche Kurve kratzen könnte, bleiben die Verantwortlichen in Athen bis heute schuldig.

Mag sein, dass Griechenland historisch betrachtet (Stichwort „Nazizeit“) berechtigten Hass auf Deutschland hat. Der Finger, den Varoufakis vielleicht nur als Fake, Griechenland jedoch im übertragenen Sinne tatsächlich in die Höhe streckt, ist auch ein Affront gegenüber den anderen EU-Ländern, von deren Goodwill Griechenland genauso abhängt wie von jenem der Deutschen.

Die Athener Regierung sollte sich ernsthaft überlegen, mit welchen Worten und Gesten sie denjenigen gegenüber auftritt, die sie eigentlich um Hilfe bittet. Sonst könnte bald die gesamte EU den Mittelfinger Richtung Griechenland ausstrecken.

Zwei Fäuste für ein Halleluja

Der neue Past, Franziskus, hat bereits kurz nach seinem Amtsantritt selbst eingefleischte Atheisten aufhorchen lassen.

Der erste Nachfolger Christi seit langem, der diese Nachfolge offensichtlich ernst nimmt.

Er isst in der Kantine mit den anderen „Angestellten“ im Vatikan, stellt sich dort auch brav an und wartet, bis er an die Reihe kommt, er wohnt nicht im Luxus-Appartment, das für ihn vorgesehen wäre, sondern als Gleicher unter Gleichen.

Das ist gewiss revolutionär, genauso wie die Entscheidung, an der Basis der Katholischen Kirche systematisch nachzufragen, was die Christinnen und Christen so denken und was sie bewegt.

Daraus könnte theoretisch eine neue Katholische Kirche entstehen.

Doch nicht alles, was Papst Franziskus sagt und tut, bestärkt die Hoffnungen, die in seine Person gesetzt wurden.

Kurz nach dem Attentat auf die Karikaturisten von „Charlie Hebdo“ in Paris zeigte der Heilige Vater ein gewisses Verständnis für gewalttätige Reaktionen auf persönliche Beleidigungen, indem er meinte, wenn jemand seine – also des Papstes – Mutter beleidigen würde, müsste er mit einem Faustschlag rechnen – wohlgemerkt: einem Faustschlag des Papstes, des Stellvertreters Christi auf Erden, der ja angeblich nicht nur Frieden gepredigt, sondern auch gefordert hat, im Falle eines Schlages auf die eine Backe, dem Angreifer auch noch die andere hinzuhalten.

Wenig später konnte Franziskus der Aussage eines Vaters etwas abgewinnen, er würde sein Kind schlagen, „aber nicht ins Gesicht“, um dessen „Würde zu wahren“. „Würdevolles Schlagen“ eines Kindes, so darf man das wohl zu Recht interpretieren, ist also durchaus im Sinne des Papstes.

Solche Aussagen vertragen sich nicht mit dem Bild des Liberalen, das Franziskus gleich nach Beginn seines Pontifikats Gläubigen und Ungläubigen vermittelt hat. Sie sind vollkommen inakzeptabel, wobei man nicht einmal sagen kann, welche der beiden „Gewalt unter bestimmten Umständen ist eh irgendwie okay!“-Aussagen die schlimmere ist.

Versteckt sich hier ein Wolf im Schafspelz? Ist all die Freundlichkeit nur gespielt? Oder hat der Papst sich bloß unglücklich ausgedrückt?

Ob es sich um einen Hardliner mit sanftem Lächeln handelt oder doch um einen Reformer, wird sich letztlich daran zeigen, welche seiner Vorhaben er verwirklicht und wie weit er dabei auf die Bedürfnisse der Basis eingeht.

Seine Kommentare zu Gewalt gegen Kinder und gegen Menschen, die „religiöse Gefühle“ verletzen, sollte er aber in jedem Fall widerrufen. Sie sind nicht nur nicht (mehr) zeitgemäß, sie bergen auch eine immense Gefahr in sich: Die – im wahrsten Sinne des Wortes – Absegnung von Gewalt durch die höchste Instanz einer wichtigen, weltweit aktiven Glaubensgemeinschaft könnte zu mehr Gewalt ihrer Mitglieder führen und Radikale anderer Religionen (wie die „Charlie Hebdo“-Attentäter) in ihren Taten bestärken.

Je suis Charlie

Natürlich bin auch ich Charlie.

Ich trete für das Recht auf freie Meinungsäußerung ein – und zwar für alle Menschen, egal, woran sie glauben.

Das bedeutet selbstverständlich auch, dass ich dafür bin, dass nichts „heilig“ ist, sich Satire über alles, ja, gerade über das, was irgendeinem Menschen heilig ist, lustig machen darf.

„Heiliges“ hat in unserer säkularen Gesellschaft nichts verloren.

Das soll heißen: Jeder darf natürlich glauben, woran er will, meinetwegen auch an Gott.

Aber in einem säkularen Rechtsstaat muss er es ebenso ertragen, dass ich der Meinung bin, dass sein Glaube Unsinn ist und dies auch öffentlich bekunde.

Wenn er mich deshalb töten will und sogar den Versuch startet, dies zu tun, endet seine demokratisch garantierte Freiheit.

Töten ist keine Satire, keine „freie Meinungsäußerung“. Töten ist ein Verbrechen. Punkt.

Der Paragraf 188 des österreichischen Strafrechts, der es verbietet, sich über religiöse Lehren lustig zu machen, gehört sofort abgeschafft, das Konkordat muss aufgekündigt und die Beschneidung jüdischer und muslimischer Kinder verboten werden.

Wer „Ich bin Charlie“ sagt und trotzdem weiter an diesen Absurditäten festhält, sollte lieber den Mund halten.

Gerechtigkeit steuern..?

Bis zum Frühjahr wollen sie sich geeinigt haben. Die beiden Regierungsparteien. Auf eine Steuerreform.

Mal sehen…

Die SPÖ möchte ihren WählerInnen – den sich selbst als „kleiner Mann“ bzw. „kleine Frau“ verstehenden Menschen, die das Gefühl nicht loswerden, sie würden stets zu kurz kommen – mit symbolträchtigen Maßnahmen Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen.

Stichwort „Gerechtigkeit“.

Doch was bedeutet das eigentlich, „Gerechtigkeit“?

Weniger arbeiten, bei gleichem Lohn? Ein größeres Stück „vom Kuchen“? Von welchem Kuchen? Wer hat den gebacken? Und wird der nicht schneller verschwinden, als man „Mahlzeit!“ sagen kann, wenn alle bloß davon naschen möchten, sich aber niemand daran beteiligen will, die Zutaten zu bezahlen und ihn zu backen?

Viele in der SPÖ fordern Vermögens- und Erbschaftssteuern, die ÖVP kann damit wenig anfangen.

Während die „Roten“ den kleinen Leuten „mehr Netto vom Brutto“ im Brieftascherl lassen wollen, damit die über ihren Konsum die Wirtschaft ankurbeln, möchten die „Schwarzen“ lieber die Investitionsbereitschaft der Wirtschaftstreibenden stimulieren. Das soll, indirekt, auch den Menschen helfen, gemäß der Formel: „Geht ’s der Wirtschaft gut, geht ’s uns allen gut!“

„Bottom up“ versus „top down“.

Dabei könnte man meinen, dass die beiden Seiten ohnedies kommunizierende Gefäße seien, wobei die Veränderung der einen nicht ohne Auswirkung auf die andere Seite bliebe.

Wie viel an Entlastung, Umverteilung und Investition überhaupt möglich ist, hängt nicht nur von den mehr oder weniger guten Absichten der beiden Parteien ab, sondern auch von der weltwirtschaftlichen Entwicklung der nächsten Monate und Jahre. Die volkswirtschaftliche Fitness, um diesen Entwicklungen erfolgreich begegnen zu können, wird nicht durch ideologische Wettkämpfe erlangt werden.

Welches Konzept umgesetzt wird, dürfte sich zwar auch, aber nicht in erster Linie daran entscheiden, wer den Menschen den plausibleren „Gerechtigkeitsbegriff“ anbieten kann.

Die Steuerreform wird kommen, so oder so.

Vielleicht sollte dabei weniger die Frage im Mittelpunkt stehen, ob sie „gerecht“ (was immer das heißen mag), sondern ob sie im internationalen Wettbewerb leistbar ist – und zwar nicht nur für die gegenwärtige, sondern auch für die nächste Generation.

Kopfloses Team

Kritische Beobachter der österreichischen Innenpolitik haben es schon gewusst, als die Partei sich das erste Mal der Öffentlichkeit präsentierte:

Das „Team Stronach“ ist kein Team, sondern eine One-Man Show, der eine Mann ist Frank Stronach, und wer nicht nach seiner Pfeife tanzt, kann wieder in die letzte Reihe zurück- oder am besten gleich abtreten.

Als der Parteigründer dereinst auf die Frage, was er von der „Goldenen Regel“ hielte, die launige Antwort gab: „Der mit dem Gold macht die Regeln.“, hätte jeder, der es wissen wollte, wissen können, wer hier einen auf „Demokrat“ macht:

ein autokratischer Möchtegern, dem im fortgeschrittenen Alter nach Erfolgen in der Privatwirtschaft nur noch ein einziger unverwirklichter Traum zur Selbsterfüllung fehlt: Bundeskanzler in der ehemaligen Heimat zu werden, denn Kaiser geht ja bekanntlich nicht mehr.

Die lustigste Parteineugründung seit dem „BZÖ“ steht kurz davor, sich in jene heiße Luft aufzulösen, die ihre Mitglieder bisher zu allen wichtigen (und weniger wichtigen) Themen der österreichischen Politik produziert haben.

Wer wird das „Team Stronach“ vermissen?

Niemand.

Ein Grund mehr für die letzten verbliebenen Teammitglieder, sich schleunigst von der politischen Bühne zu verabschieden und zu retten, was jetzt noch zu retten übrig ist:

die eigene Würde.

Und auf das leise „Servus“ zum Abschied können wir gerne verzichten.

Eisgekühlte Eier

Facebook und Apple wollen ihre Mitarbeiterinnen beim Karrieremachen unterstützen und bieten ihnen deshalb an, dass sie ihre Eizellen auf Kosten der Firma „auf Eis legen“ und erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Reproduktion verwenden können.

So wollen die beiden Unternehmen den Job in der IT-Branche für Frauen attraktiver machen.

Die ersten Kritiker haben sich bereits zu Wort gemeldet:

Lebens- und menschenfeindlich sei dies, weil die Wirtschaft nun auch ins Kindermachen eingreifen würde.

Der Leistungsdruck könne dadurch steigen und somit der Druck auf alle Frauen, nicht in jungen Jahren Mütter zu werden, sondern sich dem Berufswahnsinn auszuliefern und im Hamsterrad mit den anderen um die Wette zu hecheln, jetzt, wo die biologische Uhr auf „Pause“ gestellt werden kann – und das auch noch vom Chef bezahlt wird.

Das könnte man so sehen.

Man könnte es aber auch als einen interessanten Kompromiss für ein echtes Problem in Bezug auf die unterschiedlichen Karrierechancen von Frauen und Männern betrachten.

Ein wesentlicher Grund für die (Selbst-)Behinderung von Frauen in ihrer Karriereplanung ist nun einmal das Thema „Kinder bekommen“.

Mit diesem Angebot könnten Kind und Karriere leichter unter einen Hut gebracht werden.

Einen Trend hin zu immer älteren Müttern gibt es ohnedies.

Dummheit ist unteilbar

Es gibt sie, die „Gemäßigten“ unter den Dogmatikern, seien es religiöse oder säkulare „Gläubige“, die Göttern oder Ideologien anhängen, für deren Existenz bzw. Wahrheit sich kein intersubjektiv überprüfbarer Beweis erbringen lässt.

Natürlich ist es besser, „gemäßigt“ zu sein als radikal, fundamentalistisch, intolerant bis hin zur Gewaltbereitschaft „Andersgläubigen“ oder „ideologischen Gegnern“ gegenüber.

Die gemäßigten, sich selbst als „liberal“ verstehenden Moslems wollen den Koran, immerhin das Wort Gottes nach Ansicht der Vertreter dieser Religion, „korrekt“ verstanden haben und meinen, ihm keine Droh-, sondern bloß eine Frohbotschaft entnehmen zu können.

„Dschihad“, so sagen sie, handelt nicht vom kriegerischen Einsatz gegen andere Menschen, sondern davon, den inneren Schweinehund zu bekämpfen, sich anzustrengen auf dem Weg hin zu Gott.

Man muss kein Koran-Experte sein, genau so wenig, wie man jüdische oder christliche Theologie studiert haben muss, um mindestens zwei Probleme dieser Argumentation aufzuzeigen, die sie vollkommen disqualifizieren:

1) Wenn die jeweilige „Heilige Schrift“ (sei es die Thora, die Bibel, der Koran) so vieldeutig ist, dass Radikale und Gemäßigte gleichermaßen „DIE Wahrheit“ daraus beziehen und damit völlig verschiedene, einander ausschließende Handlungsanleitungen begründen können (Krieg und Frieden), ist dieses Buch – Wort Gottes hin oder her – nichts wert und sollte ein für alle Mal auf dem Müllhaufen der Ideengeschichte landen.

2) Von irgendeinem Text zu behaupten, er wäre die „Offenbarung“ eines Gottes, ist inakzeptabel. Einmal deswegen, weil sich nicht einwandfrei beweisen lässt, dass es sich nicht möglicher Weise doch bloß um das Werk eines oder mehrerer Menschen mit – vielleicht manch guten, vielen zweifelhaften und einigen bösen – Ideen handelt. Und dann nicht zuletzt deshalb, weil sich mit dem Begriff der „Heiligen Schrift“ per definitionem jeder Irrsinn verabsolutieren lässt, ohne das Recht, ihn zu hinterfragen, ohne mögliche Fehlerkorrektur.

Wenn die ISIS-Leute bereit sind, für die Befreiung ihrer Brüder (kommen die Schwestern eigentlich auch vor?) gegen Diktatoren in den Krieg zu ziehen, mag man das vielleicht noch verstehen, ganz egal, ob sie sich dabei auf Allah und Koran oder ihre Pflichten als Menschen und ihr Recht auf Nothilfe beziehen.

Sobald sie aber den Weg zum Kalifat beschreiten und dabei wehrlose, unschuldige Menschen töten und dies als die Ausführung der Befehle Allahs deklarieren, sollten auch die Gemäßigten unter ihren Glaubensbrüdern (und -schwestern) anfangen, die Sinnhaftigkeit und moralische Integrität ihres Glaubens und seiner „Heiligen Schrift“ fundamental zu hinterfragen und sich vielleicht überlegen, ob ihr Gott und seine – aus ihrer Sicht richtig verstandene friedliche Gesinnung – es nicht zur moralischen Pflicht machen, vom Glauben abzufallen und lieber atheistischer Humanist zu werden.

Dies gilt – ceteris paribus – für Juden und Christen und ihre jeweiligen „Heiligen Schriften“ genauso.

Denn:

Gemäßigt oder nicht, Vernunft ist nicht teilbar.

Dummheit auch nicht.

O Captain! My Captain!

Robin Williams ist tot.

Der Schauspieler hat Suizid begangen.

Die wahren Gründe dafür werden wir wohl nie erfahren.

Von Depressionen sowie Alkohol- und Drogensucht ist die Rede, aber auch davon, dass er wohl im Anfangsstadium an der Nervenkrankheit Parkinson gelitten haben soll.

Ganz egal, was davon stimmen mag:

Es ist unendlich tragisch, dass gerade ein Mensch wie Robin Williams, ein begnadeter Schauspieler, der anderen Menschen so viel Freude bereiten konnte, es selbst nicht geschafft hat, glücklich zu sein.

John Keating hat für immer die Klasse verlassen.

Ich werde ihn vermissen.

Aufrechter Gang & gebückte Haltung

Deutschland ist Fußballweltmeister – herzliche Gratulation!

Die Leistungen des deutschen Teams, nicht zuletzt der 7:1-Sieg gegen den Gastgeber Brasilien, waren tatsächlich beachtlich und auch die Coolness, im Finale gegen Argentinien Ruhe zu bewahren und den zum Greifen nahen Sieg nicht im wahrsten Sinne des Wortes zu verspielen, hat die deutsche Nationalmannschaft gut hingekriegt.

Weniger cool war jedoch die Einlage, welche die Spieler nach ihrer Rückkehr unter den Jubelrufen ihrer Fans vor dem Brandenburger Tor in Berlin geboten haben:

„So geh’n die Gauchos, die Gauchos, die geh’n so!“ spotteten Mario Götze, Miroslav Klose, Toni Kroos, André Schürrle, Shkodran Mustafi und Roman Weidenfeller über die unterlegenen Argentinier und stolperten dabei in gebückter Haltung über die Bühne.

Die darauf folgende Textzeile des Siegerliedes – „So geh’n die Deutschen, die Deutschen, die geh’n so!“ – absolvierten sie im aufrechten Gang.

In welchem Kontrast zu solch‘ würdelosem Verhalten steht dazu dasjenige von Jogi Löw, der nach dem Sieg über Brasilien einige der Spieler der gegnerischen Mannschaft umarmte und tröstete und ihnen damit seinen Respekt zollte.

Mann muss keine Nazi-Vergleiche anstellen – es muss Deutschland im Jahr 2014 selbstverständlich genauso vergönnt seine, eine Fußball-WM zu gewinnen und sich darüber zu freuen, wie jedem anderen Land dieser Welt -, aber das geht einfach nicht.

Wer sich so über den eigenen Erfolg freut, dass er das unterlegene Team auch noch außerhalb des Spielfeldes demütigt, hat den Sieg vielleicht aus fußballerischer Sicht verdient.

Aus moralischer aber bestimmt nicht.

Höhlengleichnis

Er ist ein Profi, keine Privatperson, die sich aus Langeweile auf ein waghalsiges Abenteuer eingelassen hat: der 52-jährige deutsche Höhlenforscher Johann Westhauser, der nach fast 275 Stunden Gefangenschaft in der Riesending-Schachthöhle befreit werden konnte.

Als professioneller Höhlenforscher wusste Westhauser natürlich, mit welchen Gefahren er zu rechnen hatte, auch die eines Steinschlags, die letztlich zu seinem Verhängnis wurde, war ihm bekannt.

Der bayerische Innenminister (der Höhleneingang liegt auf deutschem Staatsgebiet) will die Riesending-Schachthöhle nun versperren, um Amateure davon abzuhalten, in das gigantische unterirdische System abzusteigen.

Die Rettungsaktion, welcher der durch einen Steinschlag verletzte Höhlenforscher seine Bergung zu verdanken hat, nahm insgesamt über 700 Personen in Anspruch: ein enormer Aufwand an Menschen und Material.

Ist ein einzelner Mensch, noch dazu jemand, der sich freiwillig in Gefahr begibt, so einen Aufwand wert, wo doch andernorts, in den ärmsten Regionen dieser Welt, Menschen verhungern, die mit weit geringeren Mitteln vor dem Tod gerettet werden könnten? fragen kritische Stimmen.

Natürlich ist er das.

Denn neben der Solidarität, die jedem Menschen in Not zustehen sollte, trainieren Einsatzkräfte bei solchen Aktionen ihre Fähigkeiten und entwickeln vielleicht sogar neue Methoden der sicheren Bergung von Verletzten aus gefährlichen Situationen.

Dennoch darf und sollte die Frage gestellt werden: Ist jede Art von Forschung gleich sinnvoll? Muss jedes Risiko eingegangen werden, um Erkenntnis zu gewinnen? Worin besteht der Zuwachs an Wissen, der den Einsatz von Menschenleben rechtfertigt – in diesem Fall desjenigen des Höhlenforschers.

„Wissen“ muss nicht direkt und unmittelbar wirtschaftlich verwertbar sein, antworten Wissenschafter – nicht ganz zu Unrecht – Kritikern des grenzenlosen Forschens.

Das mag sein.

Aber eine Kosten-Nutzen-Rechnung im Sinne von „Welcher Aufwand wird mit welchem Risiko zu welcher Erkenntnismöglichkeit getrieben?“ sollte dennoch legitim sein. Vor allem, wenn es im Falle eines Scheiterns des Forschungsprojekts zu enormen Kosten (wie dies im Falle der Bergung von Johann Westhauser sein dürfte) kommt, die über den Umweg öffentlicher Gelder auf die Allgemeinheit abgewälzt werden sollen.

Nicht jedes Experiment, nicht jede Forschung können ihre möglichen Risiken mit den zu erwartenden neuen Erkenntnissen aufwiegen.

Denn andernfalls wäre es auch zulässig, Zyankali in langsam steigender Dosis zu schlucken, um festzustellen, ab wann das Gift tödlich wirkt und die Pflege des schwer verletzten „Wissen“schafters, der sich vor Einnahme der letalen Dosis mit irreparablen Behinderungen aus dem Experiment zurückzieht, der Allgemeinheit aufzubürden.