Mani pulite in bella Austria?

Als sich in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts die italienische Justiz zu umfassenden Untersuchungen – unter anderem – der illegalen Parteienfinanzierung aufschwang, führte das zum Ende der so genannten 1. Republik und zum Zusammenbruch der beiden wichtigsten Parteien: der „Democrazia Cristiana“ und des „Partito Socialista Italiano“.

In Österreich ist keine vergleichbare Aktion „saubere Hände“ geplant, denn der Verdacht der „illegalen Parteienfinanzierung“ steht nicht im Raum.

Aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb:

Was spricht dagegen, private Groß-Spender, die kaum aus reiner Sympathie für die ideologischen Positionen bestimmter Parteien tief in die eigene Tasche greifen, öffentlich zu machen?

Wer eine Partei wählt oder zu wählen beabsichtigt, sollte unbedingt das Recht bekommen zu erfahren, welche bzw. wessen Interessen diese Partei tatsächlich verfolgt.

Um als (potenzieller) Wähler einer Partei nicht in Gefahr zu geraten, die sprichwörtliche Katze im Sack zu kaufen, reicht die Veröffentlichung des Programms auf der Website der jeweiligen Partei nicht aus.

Wenn Parteien nichts Unmoralisches (dass es nichts Illegales ist, setzen wir als selbstverständlich voraus) beabsichtigen, dürfte es für sie auch kein Problem sein, ihre privaten Unterstützer allen ihren (potenziellen) Wählern zu nennen.

Nur allen (potenziellen) Wählern?

Nein!

Allen Bürgern dieses Staates.

In einer Demokratie sollte das legitim sein.

Denn nicht nur jene, die es sich leisten können oder wollen, bestimmte Parteien freiwillig mit Geld zu versorgen, weil sie sich entsprechende Gegenleistungen (etwa in Form genehmer Gesetze oder Regelungen) erwarten und / oder  jene Menschen, die diese Parteien wählen, zahlen über den Umweg von Steuern in deren Töpfe ein.

Nein, das tun alle Bürger dieses Staates.

Weil das in einer Demokratie legitim ist.

Eh schon wurscht…

Politikverdrossenheit?

DAS wäre ja wenigstens etwas!

Aber es ist noch viel schlimmer als vermutet:

Vielen (den meisten?) Österreicherinnen und Österreichern ist die Politik einfach egal, „wurscht“, wie man auf gut österreichisch sagen könnte.

Ob orange und blaue Politiker sich gegenseitig hintergehen und den „schwarzen Peter“ für Korruption und Betrug dem jeweils Anderen zuschieben, ob fragwürdige Staatsbürgerschaftsdeals unter Freunden gemacht werden oder ob mal eben schnell humanitäre Grundüberzeugungen auf dem Altar (vermeintlich erfolgsversprechender) wahltaktischer Überlegungen geopfert werden – unsere Landsleute sind darob nicht die Bohne erregt.

Es geht ihnen ganz einfach am sprichwörtlichen Arsch vorbei..!

DAS ist – neben der Grauslichkeit all jener Vorgänge per se – das WIRKLICH Schlimme.

Was mag der Grund dafür sein? Geht es uns tatsächlich so gut (zu gut, könnte man vermuten), dass es uns vollkommen kalt lässt, wenn die Fundamente der modernen, aufgeklärten Demokratie permanent erschüttert und in Frage gestellt werden?

Muss erst wieder ein Diktator daher kommen, der uns spürbar weh tut, damit wir überreißen, welche Menschen in diesem Land in Schlüsselpositionen der Macht sitzen, und dass diese Menschen nicht das tun, was sie behaupten und wofür sie sich – offiziell – haben wählen lassen:

die Interessen des Volks vertreten?

Wo ist der Bundespräsident, wo sind die ach, so moralischen Kirchen, wo jene Parteien wie die „Grünen“, die – im Prinzip noch unversaut vom Geschmack realer Macht – gegen diese Eintrübung unseres Blicks aus Bequemlichkeit aufbegehren, uns wachrütteln, bevor wir in dumpfer Gemütlichkeit entschlafen, während die Profiteure unserer Dummheit sich mit der Wahrheit, der Freiheit (unserer!) und unserem Geld davon gemacht haben?

Alles paletti, es geht uns gut!

Und außerdem:

Ist eh schon wurscht…

Um Gottes Willen..!

Es ist wieder einmal so weit:

Wir haben einen Karikaturen-Eklat.

Diesmal ist es nicht der Islam, der (über)reagiert, sondern der hierzulande vorherrschende Katholizismus.

Das corpus delicti sind zwei Cartoons, die Manfred Deix gemalt hat.

Mehrere Diakone der Erzdiözese Wien haben sich daraufhin bemüßigt gefühlt, der Staatsanwaltschaft Wien eine Stellungnahme zu übermitteln.

Was zeigen die inkriminierten Bilder?

Auf einem ist (nebst diversen anderen Darstellungen), unter dem Titel: „Das von Brüssel verordnete KRUZIFIXVERBOT IN DEN KLASSENZIMMERN wird man hierzulande geschickt zu umgehen wissen“, eine Christusfigur (nicht nackt!) zu sehen, auf deren rotem Gewand Hammer und Sichel, sowie ein Hakenkreuz  abgebildet sind. Am oberen Ende des vertikalen Holzbalkens ist ein Halbmond, auf einem Ende des horizontalen Balkens eine Buddha-Statue montiert. Überschrieben ist das Bild mit den Worten „Entwurf für ein multikulturelles Kompromiss-Kruzifix“.

Die Kritik der Diakone (laut Online Kurier vom 11. 12. 2009):

„Dadurch, dass das Symbol des Nationalsozialismus kritiklos auf eine Stufe mit den Symbolen von Weltreligionen gestellt wird, erscheint auch die verbrecherische NS-Ideologie gesellschaftlich quasi rehabilitiert, neu anerkannt bzw. verharmlost.“

Entweder, die beiden weltlichen Ideologien sind nicht harmlos, dann muss zugestanden werden, dass auch im Namen der Weltreligionen Verbrechen verübt wurden und werden, oder aber die beiden Ideologien haben dieselbe Exkulpierung ihrer Taten verdient (was meiner Meinung nach natürlich absurd wäre), wie dies die Diakone für die Weltreligionen in Anspruch zu nehmen scheinen.

Was Deix im ersten der beiden kritisierten Cartoons wahrscheinlich zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass es noch immer Menschen gibt, die sich einer dieser Religionen oder einer der beiden Ideologien in ungebrochenem Glauben zugehörig fühlen und das, obwohl sie alle zu Verbrechen geführt haben.

Warum sollten also die Kommunisten, Nazis, Buddhisten, Juden (das INRI des Kreuzes könnte von Deix als Symbol für die älteste der drei abrahamitischen Religionen gedacht sein) und Moslems nicht auch „ihr“ Symbol im Klassenzimmer vorfinden dürfen, wo die Christen doch so vehement darauf bestehen, dass das Kreuz dort hängen soll?

Eine prinzipielle moralische Überlegenheit des (katholischen) Christentums und die daraus abzuleitende Bevorzugung von dessen Symbol kann jedenfalls nicht ins Treffen geführt werden. Nationalsozialismus und Kommunismus mögen jeweils mehr Tote auf dem Gewissen haben als die genannten Religionen.

Dass letztere aber gänzlich ohne durch ihre „Wahrheit“ verursachte Morde durch die Geschichte gegangen sein sollen, kann nur ein Unwissender oder Unbelehrbarer behaupten.

Dass Deix sich der „Wiederbetätigung“ schuldig macht, wie die Diakone des weiteren bekunden, ist ein unsinniger Vorwurf; denn unter dieser Annahme dürften auch in einem Film (Kunst!) wie „Der Bockerer“ keine Hakenkreuzfahnen auftauchen, so wie in unzähligen vergleichbaren Kunstprodukten auch.

Auf dem zweiten der beiden Cartoons ist unter anderem ein mit weißem Gewand mit einem großen roten „G“ auf der Rückseite bekleideter Gott zu sehen, der über einem Globus, also der Erde, hockt und auf diese scheißt.

Ein Affront für die Diakone und – aus ihrer Sicht – selbstverständlich wert, auf Behandlung nach § 188 des Strafgesetzes zu pochen, geht es hier doch ganz offensichtlich um die „Herabwürdigung religiöser Lehren“.

Nun kann man die Deix-Karikaturen ob ihres unverblümten Stils mögen oder auch nicht, das, was in diesem Bild zum Ausdruck gebracht wird, ist ein reales Argument, das in der Debatte über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes unter dem Begriff der Theodizee tatsächlich diskutiert wird:

Wie lässt sich das Leid auf der Welt mit der Existenz eines allwissenden, allgütigen und allmächtigen Gottes vereinbaren?

Wäre er allwissend, so wüsste er um eben dieses Leid. Wäre er allgütig, so würde er es zum Verschwinden bringen wollen. Und falls er allmächtig wäre, so würde er das auch tatsächlich tun.

Es gibt Philosophen, die der Meinung sind, dass Gottes Nicht-Eingreifen trotz all des Übels in der Welt dafür spricht, dass er entweder nicht existiert oder, falls doch, zumindest einer (oder aller drei) der ihm zugeschriebenen Eigenschaften entbehrt.

Falls er existiert und allmächtig wäre, sich aber nicht gegen das Leid auf der Welt engagiert, so könnte man dies in die griffige, wenn auch nicht nach jedermanns Geschmack ausfallende Formel fassen:

„Gott scheißt auf die Welt.“

Die philosophische Position, die sich hinter dieser Formel verbirgt, ist – wie schon erwähnt – keine Erfindung von Manfred Deix. Es gibt sie bereits seit Anbeginn der abendländischen Philosophiegeschichte.

Geschmackvoll hin oder her, plakativer, als Deix die Vermutung, Gott würde – im übertragenen Sinn – auf die Welt „scheißen“, in seinem Cartoon in Bildsprache übersetzt, lässt sie sich in seinem künstlerischen Medium wohl nicht zum Ausdruck bringen.

Gute Menschen & das Glück

Soeben sind meine beiden Bücher

„Gut Mensch“ (Goldegg Verlag) und

„Glück“ (facultas.wuv)

erschienen.

ZUM INHALT von „Gut Mensch“

„Gut Mensch“ ist eine allgemein verständlich geschriebene Abhandlung über Ethik, sprich: Moralphilosophie.

Zunächst werden die für das Thema wichtigsten Grundbegriffe wie z.B. „Freiheit“, das „Gute“, „Sollen“ erläutert. Anschließend gehe ich auf die bekanntesten Versuche ein, Moral zu begründen, unter Rückgriff auf „Gott“, die „Natur“, das „Gewissen“ usw. Diesen eher allgemeinen Ansätzen folgt eine Darstellung der wichtigsten „klassischen Positionen“, von Aristoteles über Kant und den Utilitarismus (Bentham, Mill) bis hin zur Diskursethik (hier: nach Habermas) und dem interessenbasierten Ansatz von Norbert Hoerster.

Die letzten sechs Kapitel von „Gut Mensch“ diskutieren die aus meiner Sicht spannendsten Themenkomplexe der so genannten „angewandten Ethik“. Dies sind unter anderem „Bioethik“, „Tierethik“ und „Wirtschaftsethik „.

ZUM INHALT von „Glück“:

„Glück“ ist kein Ratgeber im üblichen Sinne, sondern eine kulturhistorische Abhandlung: Was haben antike Mythologie, Märchen und Volkssagen, was Theologie, Philosophie und politische Theorie, was Psychologie und Glücksforschung zum Thema „Glück“ herausgefunden?

„Glück“ ist Teil einer aus zehn Bänden bestehenden und von Konrad Paul Liessmann heraus gegebenen Reihe mit dem Titel: „Grundbegriffe der europäischen Geistesgeschichte“. Weitere Bände aus dieser Reihe sind etwa „Freiheit“, „Gerechtigkeit“, „Macht“, „Wahrheit“, „Tod“.

Land unter

Ja, ja, es gibt sie, jene Länder, in welchen die Korruption um Lichtjahre vor jener in Österreich liegt.

Keine Frage, die gerne spöttisch als „Bananenrepubliken“ bezeichneten Staaten, wo Korruption zum Tagesgeschäft gehört, existieren und im Vergleich dazu nehmen sich die heimischen Missbrauchsfälle in Politik und Justiz, die in den letzten Wochen gehäuft ans Tageslicht gefördert werden, wie Kinderkram aus.

Aber halt – ist es wirklich legitim, die kleinen Vergehen noch kleiner zu reden, bloß, weil es anderswo viel größere gibt? Lässt sich der Einfachkiller exkulpieren, indem man auf den Massenmörder verweist?

Es ist schlimm genug, dass es all jene Vorkommnisse gibt, über die etwa der Falter-Journalist Florian Klenk seit ein paar Wochen regelmäßig berichtet. Bei weitem schlimm genug. Denn sie lassen erahnen, dass es sich dabei wohl nur um die Spitze des Eisberges handeln kann, im Verborgenen also noch viel mehr geschieht.

Natürlich steht Österreich nicht vor dem demokratischen Bankrott. Dazu gibt es – Gottlob – doch noch ein paar Menschen und Medien, als Kontrollorgane (Stichwort „die vierte Macht“), zu viel, die wacker gegen den Untergang ankämpfen.

Doch viele Menschen, die nicht zu den Spitzen der Politik und Justiz gehören, richten es sich – in ihren bescheidenen Möglichkeiten – ebenfalls. Es wäre also unsinnig, so zu tun, als gäbe es Korruption nur ganz oben.

Die Annahme, dass der Fisch beim Kopf zu stinken beginnt, trifft hier nicht zu. Wer die Möglichkeit hat, es sich zu richten, der tut das und das betrifft den Herrn Minister genauso wie den kleinen Fritzl.

Dass es selbst unter den Medien solche gibt, welche die handelnden Personen der aktuellen Skandale nach oben an die Macht und somit an die Möglichkeit zu ihrem Missbrauch geschrieben haben, sollte nicht übersehen bzw. überlesen werden.

Wer sich – zu Recht – aufregt über „die da oben“, die durch Seilschaften das System zu ihren Gunsten beugen, sollte auch vor der eigenen Tür kehren.

Hau den Rogan?

Der österreichische Schwimmer Markus Rogan wurde, eigenen Angaben zufolge, in einer italienischen Diskothek von vier Türstehern verprügelt.

Die Aussage der Türsteher fällt, erwartungsgemäß, anders aus: Rogan hätte, stark alkoholisiert und mit einer zerbrochen Flasche in der Hand, im Lokal getanzt, wäre als Gefahr für die übrigen Besucher eingestuft und daher von den Security-Männern nach draußen gebracht worden.

Daraufhin wollte er sich angeblich wieder in die Disko zurück schleichen, wäre dabei über einen Zaun gekraxelt, hinunter gefallen und hätte sich im Zuge dieses Sturzes selbst verletzt.

Hier steht Aussage gegen Aussage und es ist sehr unwahrscheinlich, dass jemals geklärt werden kann, wer die Wahrheit sagt und wer lügt. Beide Seiten werden wohl „ihre“ Zeugen finden.

Dominic Heinzl, Anchorman von „Hi Society“, der Boulevardsendung auf ATV, scheint, im Unterschied zum Rest der österreichischen Journalisten, Informationen zu besitzen, die Rogan als Lügenbaron überführen könnten.

Zumindest klingt es danach, denn in seiner Sendung führt er den – so oder so – geprügelten Sportler süffisant vor, informiert sogar – „neutral“ – über eine Internetseite, auf der man Rogan in einem Computerspiel schlagen, nein, nicht im spielerisch-sportlichen, sondern im wörtlichen Sinn, also verprügeln könne und lässt gegen Ende der Sendung den Skifahrer Rainer Schönfelder zu Wort kommen, der zu Ehrlichkeit aufruft und damit ebenfalls implizit unterstellt, Rogan könnte vielleicht doch…

Man kann Markus Rogan mögen oder auch ob seiner – angeblichen – Arroganz für unsympathisch halten. Ob er jedoch lügt oder nicht, ist bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht entschieden.

Nach österreichischem Recht gilt bis zum Beweis des Gegenteils – Gottlob – noch immer die Unschuldsvermutung.

In Dominic Heinzls Sendung „Hi Society“ aber offenbar nicht.

Freiwillig in die Unfreiheit?

46 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind mit der Demokratie unzufrieden. Also knapp weniger als die Hälfte.

Zu diesem Ergebnis kommt die soeben vorgestellte Studie „Die Österreicher innen – Wertewandel 1990 bis 2008“.

Eine weitere beängstigende Erkenntnis dieser Studie:

21 Prozent könnten sich einen „starken Mann“ vorstellen, der weder durch Wahlen, noch durch das Parlament in seinem Schalten und Walten beeinflusst wird.

Kein Wunder, wo unsere Landsleute doch demokratischen Institutionen wenig Sympathie entgegen bringen:

Die Österreicherinnen und Österreicher vertrauen der EU (26 %) und dem heimischen Parlament (28 %) weniger als der Kirche (36 %).

Sollte uns das beunruhigen?

Auf jeden Fall.

Der Zweite Weltkrieg und das Ende des totalitären Regimes der Nationalsozialisten liegen über 60 Jahre zurück.

Winston Churchill, ehemaliger Premierminister Großbritanniens, noch geprägt von den Ereignissen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, war zwar nicht so naiv, zu glauben, die Demokratie wäre die perfekte Staatsform. Aber in seiner berühmten Rede vor dem britischen Unterhaus vom 11. November 1947 stellte er dennoch ziemlich klar fest:

„Es heißt ja, Demokratie ist die schlechteste Regierungsform – mit Ausnahme all der anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“

Müssen wir wirklich wieder erleben, wie es ist, unter einem „Führer“ zu leben, um zu erkennen, dass Churchill Recht hatte?

Schule machen

Besonders nett ist es nicht, dass der ÖVP-Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll seiner Kollegin im Unterrichtsressort, Claudia Schmied (SPÖ), bei ihrer Auseinandersetzung mit der Lehrergewerkschaft in den Rücken fällt. Er hätte „Verständnis“ für die Pädagogen, denn wer würde sich schon freiwillig mehr Arbeit um das gleiche Geld aufbrummen lassen.

Doch was hat das Wort „nett“ in der Politik verloren? Hier geht es um Macht, deren Erhalt und – wenn möglich – auch gleich um ihre Vermehrung.

Die Frage ist nur, was Josef Pröll mit seinem Vorgehen machtstrategisch bezweckt. Die einzige Ministerin abzuschießen, die mit beinahe rührender Courage versucht, das von ihr als richtig Erkannte durchzusetzen, ist nicht besonders klug. Da muss man nicht erst die Frage stellen, ob Schmied sich mit ihrer Vorgangsweise nicht zumindest PR-technisch selbst beschädigt hat und ob ihre Ideen der Weisheit letzter Schluss sind.

Ein seriöser Finanzminister hat die Art und Weise, wie seine Ministerkollegin ihre Hausaufgaben erledigt, nicht zu kommentieren. Noch viel weniger, wenn er selbst für die Geldknappheit zuständig ist, die (vielleicht) solch harte Maßnahmen wie unbezahlte Überstunden erfordert.

Prölls strategischer Missgriff zeigt außerdem, was die ÖVP-Minister sich von ihrem Parteikollegen im Finanzressort erwarten können; und falls dies etwas anderes sein sollte, als das, was er der Unterrichtsministerin gönnt, würde die SPÖ das bestimmt (zu Recht) thematisieren.

Wenn Claudia Schmied wirklich Courage hat, macht sie ernst mit ihrer Ankündigung und tritt zurück. Damit würde sie nicht nur ein starkes politisches Zeichen setzen. Sie würde außerdem der Regierungsspitze zeigen, was Strategie ist:

Eine Ministerin, die ihre Verantwortung vor die eigenen Interessen reiht, brächte kuschelnde Kanzler und Vizekanzler in Bedrängnis. Gleichzeitig könnte sie damit die Lehrergewerkschaft schwächen und ihren Nachfolger im Unterrichtsressort mit mehr Macht ausstatten. Dass der (oder die) dann mit dem gleichen Widerstand zu rechnen haben würde, ist unwahrscheinlich.

PS: Beruhigend zu erfahren, dass wenigstens die Schüler dem Streikaufruf der Schülerunion (ÖVP) nicht im großen Stil nachzukommen scheinen. Sich nicht für die Interessen der Lehrer (ob berechtigt oder nicht) instrumentalisieren zu lassen, zeugt von großer Bildung. Ein Schulsystem, das solche Jugendliche heran zieht, kann nicht ganz schlecht sein.

Kein Kreuzerl fürs Kreuz

Die Aktion „Pro Reli“ hat in Berlin eine Abfuhr erhalten. Zu Recht. Die Initiative wollte den verpflichtenden Ethik-Unterricht an den Schulen abschaffen und stattdessen die Wahlmöglichkeit einführen zwischen Religions- und Ethik-Unterricht.

Warum jedoch sollte ein säkularer Staat, hier: eine säkulare Stadt auf die Möglichkeit zur moralischen Bildung ihrer Bürger verzichten und der Religion den gleichen Stellenwert einräumen wie der areligiösen Erziehung?

Die Anhänger von „Pro Reli“, die sich gegen die säkulare Bevormundung der Stadt in Gestalt des verpflichtenden Ethik-Unterrichts stellten, wollten ihrerseits die Pflicht zur Wahl zwischen Religion und Ethik ab der ersten Schulklasse.

Für die Vertreter des Status quo, also des vorgeschriebenen Ethik-Unterrichts, ist es hingegen auch weiterhin möglich, dass Schüler zusätzlich zum Fach Ethik freiwillig Religionsunterricht nehmen.

Warum ist es so wichtig, dass es keine Pflicht zur Wahl zwischen Religions- und Ethik-Unterricht gibt? Weil die beiden – aus Sicht der säkularen Gesellschaft – eben nicht gleichwertig sind und daher auch nicht gleich berechtigt Teil der allgemeinen, verpflichtenden Schulbildung sein sollten.

(Das wäre übrigens so ähnlich, als würde darüber abgestimmt – und viele, vor allem US-amerikanische Konservative wollen gerade das -, ob Schüler die verpflichtende Wahl haben zwischen Biologie-Unterricht in Gestalt der „Evolutionstheorie“ und der „gleich berechtigten“ Alternative in Form einer religiösen „Schöpfungslehre“.)

Der areligiöse Ethik-Unterricht zeichnet sich im Idealfall als ein für alle Menschen, unabhängig von ihren individuellen religiösen Überzeugungen, verpflichtendes Programm des friedlichen Zusammenlebens aus. Er hat daher das Potenzial zum Verbinden. Verschiedene Formen des Religionsunterrichts betonen dagegen – zwangsläufig – das Trennende zwischen sich und ihren Konkurrenten.

Während Ethik also das „alle Menschen werden Brüder“ in den Mittelpunkt stellt, befördert der verpflichtende Religionsunterricht (auch wenn er „frei gewählt“ wurde) den „Clash of Civilizations“.

Es wäre außerdem naiv zu glauben, alle Eltern würden ihre Kinder frei wählen lassen. Die säkulare Gesellschaft hat ein Recht darauf, Kinder vor ihren Eltern und deren Traditionalismen zu schützen – zugunsten einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft, in der alle Platz haben. Auch die Anhänger eines zusätzlich angebotenen freien Religionsunterrichts.

Wenn schon schießen, dann scharf..!

Ein Amokläufer stürmt in eine deutsche Schule, erschießt mehr als ein Dutzend Menschen und tötet anschließend sich selbst. Die Waffe konnte er bequem von zuhause mitnehmen, hat sein Vater doch rund 15 Stück davon. Er ist schließlich „Sportschütze“.

Endlich, es war nur eine Frage der Zeit, schießen sich die österreichischen Parteien auf den einzigen Politiker ein, der öffentlich dafür eintritt, die Waffengesetze zu liberalisieren, um besonders gefährdeten Berufsgruppen, wie Ärzten (wieso eigentlich? Weil sie Racheakte im Zuge von Kunstfehlern befürchten müssten?), Trafikanten („Her mit den Tschik, sonst kracht ’s, und dann geben Sie mir noch an ganzen Lottoschein!“), Richtern (wahrscheinlich, weil die immer wieder im Falle von Fehlurteilen auf offener Straße von Angehörigen der Inhaftierten überfallen werden) und Polizisten (haben die nicht ohnedies eine Dienstwaffe?) Selbstschutz zu ermöglichen:

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache.

Dieser hat nach dem Amoklauf von Winnenden seine Haltung zum Thema „Waffenbesitz“ nur unmerklich nachkalibriert.

Für die ÖVP ist der bekennende Fan von Arnold Schwarzenegger schlicht ein „Möchtegern-Terminator“. Sehr lustig. Vor allem von einer Partei, die ein ausgewiesenes Naheverhältnis zu Upper Class-Hobby-Jägern und Waffenlobbyisten hat.

Dass das BZÖ seinem politischen Gottseibeiuns Strache keine Rosen für seine Ideen streuen würde, war zu erwarten. Für die Orangen ist der Blaue ein „politischer Amokläufer“, der Tote in Kauf nähme, um „einige Wählerstimmen zu erhaschen“. Dass schon ein harmloser VW Phaeton genügt, um aus einem volltrunkenen Autofahrer einen Mörder zu machen, hat man im zweiten ganz rechten Lager bereits wieder vergessen.

Für die SPÖ würden sich Straches Wortspenden gerade nach dem Vorfall in Deutschland „von selbst richten“ (eine interessante Wortwahl in Anbetracht des Amokläufers, der sich am Ende seines mörderischen Feldzuges selbst erschossen hat). Jägern, Sportschützen und Sammlern, die im Rahmen des Gesetzes agieren, zollen die Roten auch weiterhin ihren Respekt.

Selbst nach Ansicht der Grünen, die in Strache einen „Schutzpatron von potenziellen Amokläufern“ erkennen wollen, soll privater Waffenbesitz zwar insgesamt verboten, Jäger und Sportschützen von diesem Verbot jedoch ausgenommen werden.

Dass Polizisten und Jäger aus Berufsgründen über Waffen verfügen, ist wohl nicht zu vermeiden.

Aber warum, beim Heiligen Hubertus, muss es Waffensammler und Sportschützen geben? Man komme mir nicht mit dem berühmten Küchenmesser, das in den falschen Händen zur praktischen Mordwaffe werden kann. Zu welchem Zweck wurden Feuerwaffen denn erfunden? Jeder, der als „Sportschütze“ irgendwo, und sei es auf einem gesicherten Schießstand oder bei Wettkämpfen, damit herum ballert, jeder „Sammler“, der sich an der technischen Finesse von Waffen erfreut, hält Geräte in der Hand, die ursprünglich nur zu einem einzigen Zweck erfunden wurden:

Um jemand anderen damit zu töten.

Was für interessante Hobbys.

Fast so spannend wie das Spielen von Killerspielen.