Aufsperren!

Nach Ostern soll das Leben etappenweise wieder hochgefahren werden.

So weit das Versprechen der Regierung.

Und tatsächlich:

Während in den letzten vier Wochen so gut wie alle Geschäfte (bis auf Supermärkte, Apotheken und Trafiken) geschlossen blieben und Wien beinahe so wirkte, als wäre der Sonntag durch einen Fehler im Raumzeit-Gefüge in die Länge gezogen worden, sind seit heute, dem 14. April, zumindest kleinere Läden wie offen.

Kleidergeschäfte, Buchläden, Juweliere.

Die Kundschaft hält sich noch zurück.

Zu sehr hat man sich in den letzten Wochen daran gewöhnt, dass man nicht nur zuhause bleiben sollte, weil das besser für die Gesundheit wäre. Wozu vor die Türe gehen, wenn dort ohnedies nichts zu holen ist?

Hoffentlich dauert die Reaktivierung des Alltags nicht so lange, wie wir auf „Pause“ drücken mussten.

Es wird Zeit, dass die Menschen zurückkehren ins Leben.

Auch wenn die Gefahr des Todes und vor allem das Bewusstsein von ihr nie mehr ganz aus unsere Köpfen verschwinden dürfte.

Memento mori!

Aber zu Tode fürchten, das bringt uns auch nicht weiter.

Jupiter und die Rinder

Es ist schwer, den Menschen in Österreich zu erklären, warum Bundeskanzler Sebastian Kurz in seinen Dienstwagen steigen und die Reise ins Kleinwalsertal antreten hat müssen, anstatt die Gespräche, die er dort zu führen beabsichtigte, via Skype oder Telefon abzuwickeln.

Ist Kurz ein Notarzt, der physisch vor Ort erscheinen muss, weil ohne seine Präsenz Menschenleben in Gefahr sein könnten?

Das ist er natürlich nicht.

Die Reise nach Vorarlberg ist schon per se abstrus, noch viel mehr ist sie dies jedoch in Zeiten von „Corona“ und bei Kenntnis all jener Vorschriften, mit denen die österreichische Bundesregierung ihr Volk in den letzten zwei Monaten mehr oder weniger zu Hause eingesperrt hat.

„Social Distancing“, das verpflichtende Tragen von Masken, ein Verbot von Gruppentreffen von Menschen, die nicht im selben Haushalt leben – nichts davon hat Sebastian Kurz, haben die EinwohnerInnen des Kleinwalsertals beim Staatsbesuch aus Wien berücksichtigt.

Gibt es nun Strafen für die dem Kanzler in Vorarlberg zujubelnden Menschen, für die FotografInnen vor Ort, für den Bundeskanzler selbst und die Mitglieder seiner Reisegruppe?

Würde man die Regeln, die über ganz Österreich verhängt worden sind, auf die genannten Personen ebenso anwenden, wie auf jene, die in den letzten Wochen von der Polizei in Parks mit saftigen Strafen versorgt worden sind, müsste genau das passieren.

Doch natürlich wird nichts geschehen.

„Quod licet Iovi, non licet bovi“ lautet bekanntlich die Regel für die unterschiedliche Handhabung von Recht und Ordnung, je nachdem, wer betroffen ist – der Durchschnittsbürger oder der Herr Bundeskanzler und jene, die ihm zujubeln.

Dass Sebastian Kurz es nicht schaffte, beim ZIB2-Interview auf die Frage, ob er und die Veranstalter vor Ort Fehler gemacht haben könnten, mit einem unverklausulierten „Ja.“ zu antworten, spricht Bände.

Die Menschen vor Ort, so Kurz mehr oder weniger explizit, träfe die Schuld.

Wie könnte Jupiter auch Fehler begehen, die nur uns Rindern unterlaufen können?

Exitus auf Raten?

Ihr Vorgänger hat sich gleichsam über Nacht davongestohlen.

Eine Position in der zweiten Reihe war doch nichts für ihn.

Christian Kern hat den Job, den die SPÖ ihm nach seinem Abgang als Bundeskanzler angeboten hat, nach kurzer Zeit wieder hingeschmissen.

Ganz verübeln kann man es ihm nicht.

Wer einmal Regierungschef war und davor Top-Manager, gibt wohl nur ungern den Hausverwalter der größten Oppositionspartei, vor allem, wenn diese seit Jahren dabei ist, sich selbst zu Grunde zu richten.

Dass Kerns Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner jetzt die „Vertrauensfrage“ stellt, mag nach gelebter Basisdemokratie klingen.

Der wahre Grund für dieses Manöver dürfte jedoch darin zu sehen sein, dass die erste weibliche Parteichefin der SPÖ nun ebenfalls die Flucht antreten, sich aber nicht ganz so stillos zurückziehen will wie ihr Vorgänger.

Wahrscheinlich rechnet sie damit, dass entweder der Zuspruch oder die Beteiligung an der Befragung nicht allzu hoch ausfallen dürfte.

Beides wären gute Argumente, um sich zu verabschieden und endlich wieder einen Beruf auszuüben, der mit Erfolgserlebnissen aufwarten kann. Der Job der SPÖ-Chefin hat davon nur wenig zu bieten.

Bleibt die spannende Frage, wer Pamela Rendi-Wagner nachfolgen könnte.

Denn weit und breit ist kein(d) Kandidat(in) in Sicht, der (die) die Herkulesarbeit verrichten und die SPÖ wieder in die Gewinnzone führen könnte.

Das liegt nicht bloß an der ausgedünnten Personaldecke, sondern auch daran, dass nicht so wirklich klar ist, wofür eine sozialdemokratische Partei Österreichs im Jahr 2020 noch stehen könnte.

Wer auch immer die Führung übernehmen wird, wenn Frau Dr. Rendi-Wagner die ins Koma gefallene SPÖ zurücklässt:

Dass die Patientin reanimiert werden kann, ist nicht gesagt.

Sperrstunde!

Corona.

Und sonst?

Nicht viel.

Wir müssen auf einander achtgeben.

Sollen wir nicht nur, wir müssen.

Das schreibt die Regierung vor, per Verordnung.

Ob sie dabei übers Ziel hinausschießt?

Wer kann das wissen?

Die Schließung der Bundesgärten in Wien ist aus meiner Sicht eine überzogene Maßnahme.

Natürlich könnten Menschen sich auch im Freien anstecken.

Doch die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist bestimmt dann größer, wenn sich die sich nach Luft und Sonne verzehrenden WienerInnen auf den Gehsteigen und den städtischen Parks konzentrieren.

„Wer heilt, hat recht.“ heißt der Wahlspruch der Alternativmedizin.

Doch wer gleichzeitig Aspirin schluckt, ein „Ave Maria“ betet und Halbedelsteine in der Hand hält, wird nie erfahren, wodurch seine Kopfschmerzen verschwunden sind.

Tragödie & Farce

Es war Karl Marx, der den Ausspruch tätigte: „Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – das erste Malals Tragödie, das zweite Mal als Farce.“ („Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“).

Dass die Geschichte sich wiederholt, ist zwar nicht zwingend notwendig, geschieht aber doch so oft, dass man fast von einem verborgenen Naturgesetz ausgehen könnte.

Doch falls überhaupt, ist es ein Gesetz der Natur des Menschen, die ihn dazu bringt, dieselben Fehler immer und immer wieder zu begehen.

Dass die FPÖ nach der Ibiza-Affäre bei der Nationalratswahl einen Dämpfer erfahren würde, war zu erwarten.

Ganz so groß fiel er dann aber doch nicht aus. Dass die Partei, die H.-C. Strache nach der Abspaltung des BZÖ durch Jörg Haider von diesem übernommen hatte, noch einmal auf die Füße und in lichte Höhen der Wählergunst kommen würde, war bereits überraschend und zum größten Teil der harten Arbeit von Strache zu verdanken.

Dass dieser sein politisches Lebenswerk durch den Auftritt in jenem unsäglichen Video selbst demoliert hat, ist der tragische Teil dieser Geschichte.

Dass er sich nun nicht entblödet, ein Comeback zu versuchen und ernsthaft daran zu glauben, noch einmal Erfolg haben zu können, kratzt schon an der Schwelle zur Satire.

Doch falls die Wienerinnen und Wiener ihm bei der nächsten Wahl tatsächlich ihre Stimme im zweistelligen Bereich geben, ist endgültig die Zeit der Farce angebrochen.

Venedig sehen…

…und sterben – das könnte dieser Tage leicht Wirklichkeit werden.

Die Lagunenstadt kämpft dagegen an, abzusaufen.

Starke Regenfälle und Schirokko sind die unmittelbaren Ursachen, Bürgermeister Luigi Brugnaro, der aus Sicherheitsgründen den Markusplatz für Touristen sperrren ließ, hält den Klimawandel für das Grundübel, das den langsamen Untergang der Stadt einläutet.

Umweltschützer machen außerdem die baulichen Maßnahmen für die leichtere Beschiffung der Lagune sowie die Raubfischerei für die Misere verantwortlich. Die Entnahme von Grundwasser und Methan auf dem Festland dürften ebenfalls beteiligt sein.

Wodurch auch immer den Venezianern das Wasser langsam bis zum Hals steigt:

Es muss etwas geschehen, wenn die Stadt überleben soll.

Das MO.S.E.-Projekt, eine Art Sturmflutsperrwerk aus beweglichen Toren, wird erst 2021 in Betrieb gehen. Mit seiner Hilfe soll zumindest das historische Zentrum Venedigs vor Hochwasser geschützt werden.

Ob das gelingt, wird sich zeigen.

Türkise Blauäugigkeit & rote Unfähigkeit

Dass Sebastian Kurz nicht gewusst hat, worauf er sich einlässt, können nur hartgesottene ÖVP-Anhänger oder geistig Umnachtete ernsthaft behaupten.

War er naiv oder ging er das Experiment deswegen ein, weil er von Anfang an die polit-taktisch geniale Strategie verfolgte, die FPÖ zu instrumentalisieren und bei erstbester Gelegenheit öffentlichkeitswirksam wieder loszuwerden, um als strahlender Held dazustehen und die nächste Wahl absolut zu gewinnen?

Natürlich war Jedem von Anfang an klar, dass eine Koalition mit der FPÖ kein gutes Ende nehmen würde.

Quod erat demonstrandum.

Doch wie geht es weiter, wenn Ende September der Nationalrat neu gewählt wird?

Die Prognosen stehen gut für die „Türkisen“, schlecht hingegen dürften die „Roten“ abschneiden.

Woran liegt es, dass die SPÖ den Elfmeter mit Anlauf, den ihr HC Strache und seine Partei ermöglicht haben, nicht verwandelt?

Ist der Grund dafür wirklich nur die dünne Personaldecke?

Oder könnte es nicht vielleicht auch an einer veritablen Sinnfindungskrise der SPÖ liegen, dass diese es nicht und nicht zustande bringt, sich selbst als unverzichtbare Kraft in der österreichischen Politik zu verankern?

Wahrscheinlich trifft beides zu.

Mit Pamela Rendi-Wagner als neuer Chefin hat die Partei sich keinen Gefallen getan. So integer und intelligent sie auch sein mag, ihr Charisma ist überschaubar, der Zug zum Tor fehlt ihr völlig, mit ihren rhetorischen Fähigkeiten kann sie ebenfalls nicht überzeugen.

Doch die SPÖ hat in einem Land wie Österreich, das nach Transferleistungen zu einem der gerechtesten (wenn man Gleichverteilung als Fundament von Gerechtigkeit ansehen möchte) der Welt gehört und insgesamt sehr gut dasteht, ganz einfach keinen Auftrag (mehr).

Das Thema, ob ein reales oder bloß imaginiertes Problem, das die meisten Menschen hierzulande am stärksten bewegt, heißt „Migration“.

Die FPÖ ist damit seit Jahren erfolgreich, die ÖVP unter Sebastian Kurz hat sich auf etwas gemäßigtere Weise ebenfalls darauf gestürzt.

Und selbst innerhalb der SPÖ gibt es Politiker, die bereit sind, auf diesen Zug aufzuspringen, siehe Hans Peter Doskozil.

Wie die Wahl im Herbst für die SPÖ ausgeht, wird vor allem daran liegen, wie sie mit dem Thema „Migration“ umgeht. Die „Roten“ werden wohl einen Kompromiss finden müssen zwischen ihrem Ideal und einer völligen Anbiederung an die „Blauen“, die ihnen nicht zuletzt wegen dieses Themas in den letzten Jahren Wählerstimmen geraubt haben.

Braune Götterdämmerung

Odin also, der Hauptgott der nordischen und kontinentalgermanischen Götterwelt, der Göttervater, Kriegs- und Totengott.

Der oberösterreichische Maler Martin Wiesinger ist keiner, der kleckert.

Er klotzt.

Und das trifft nicht nur auf die Wahl seines „Künstlernamens“ (oder sollte man „nom de guerre“ sagen?) zu: „Odin Wiesinger“.

In seinen Bildern befasst sich der 1961 geborene Künstler, es sollte nicht weiter erstaunen, unter anderem mit dem Thema „Krieg“.

Doch es geht ihm dabei nicht um eine Kritik an Gewalt und Grausamkeit.

Die Gemälde Wiesingers scheinen eine gewisse Faszination für das auszuweisen, wovor den meisten Menschen eher schaudert.

Gewaltverherrlichend könnte man sie nennen oder wenigstens naiv in ihrer Ästhetisierung des Abscheulichen.

Dass Wiesinger nun von der FPÖ Oberösterreich in den Landeskulturrat geschickt wird, spricht für sich.

Der Himmel verdunkelt sich, eine braune Götterdämmerung bricht über das Land herein.

Sinnlose Gewalt

Bei einem Angriff auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch wurden rund 50 Menschen getötet und mehrere weitere verletzt.

Was treibt Menschen dazu, andere Menschen zu töten, die gerade in ihrem Gotteshaus der Ausübung ihrer Religion nachgehen?

Welche Gefahr geht aus Sicht eines Terroristen, der zu so seiner Tat fähig ist, von betenden Menschen aus?

Es gibt noch kein Bekennerschreiben, die Hintergründe der Tat sind noch nicht bekannt.

Doch eines lässt sich bereits jetzt sagen:

Die sinnlose Gewalt hat einmal mehr zugeschlagen.

In einer Welt, die eigentlich immer aufgeklärter und friedfertiger wird (siehe Steven Pinker: „Gewalt“ und „Aufklärung jetzt“), erschüttern solche blutigen Ereignisse umso mehr.

Ist es im 21. Jahrhundert wirklich notwendig, mit Waffen auf einander loszugehen?

Haben wir nicht mittlerweile genügend Erfahrungen gesammelt, um erkennen zu können, dass Gewalt in den meisten Fällen wieder nur Gewalt gebiert?

Im Kreisverkehr der Bedeutungslosigkeiten

Wer, so wie ich, gerne auf Facebook mit „Freunden“ diskutiert, stellt bald fest:

Diese Diskussionen führen nirgendwo hin.

Die immer gleichen Positionen werden mit den immer gleichen Argumenten vertreten, Streit, der zu persönlichen Beleidigungen führt, ist meistens vorprogrammiert.

Woran liegt das?

Die meisten Menschen treten in solche „Diskussionen“ nicht deshalb ein, weil sie wissen wollen, was andere Menschen denken, welche Meinung sie zu verschiedenen Themen haben und wie sie diese begründen.

Facebook ist keine „offene Gesellschaft“ (und damit meine ich nicht die Zensur von Bildern, auf denen nackte Frauenbrüste zu sehen sind).

Das „social web“ besteht aus einer Ansammlung von Predigern, die versuchen, mit allen Mitteln ihre Botschaft rüberzubringen und – idealer Weise – alle anderen davon zu überzeugen.

Ich nehme mich bei dieser Kritik selbst nicht aus.

Über die psychologischen Effekte von Facebook & Co. kann man trefflich streiten, dass die Konzentrationsfähigkeit der Menschen immer stärker sinkt, ist ein Faktum, das wohl nicht zuletzt durch die massenmediale Reizüberflutung erklärbar sein dürfte.

Doch das ist nicht das Schlimmste an den neuen Technologien.

Viel gravierender ist die Tatsache, dass die sogenannten Informationen, mit denen Menschen ihre Meinungen zu untermauern versuchen, wissenschaftlich betrachtet fragwürdig bis wertlos sind.

„Social media“ sind keine „scientific communities“, wo faktenbasiert und mit empirisch seriösen Belegen diskutiert wird.

Die Gewinner dieser Pseudo-Diskussionen sind jene, welche die besten rhetorischen Fähigkeiten besitzen, die richtigen Trigger zur passenden Zeit setzen und durch das Sammeln von „likes“ ihre Überzeugungen stark machen.

Auf Facebook wird nicht überzeugt, hier wird überredet oder – dort, wo mit persönlichen Angriffen gearbeitet wird – gezwungen.

Der zwanglose Zwang des besseren Arguments, wie ihn Jürgen Habermas im Rahmen seiner Diskursethik propagiert, unterliegt dem „ästhetischen Argument“:

Wer es schöner, knackiger, politisch korrekter ausdrückt, gewinnt.