Ästhetik, Ethik, Theologie..?

Der vor 200 Jahren geborene dänische Philosoph Søren Aabye Kierkegaard sprach bekanntlich von drei Stadien, in denen sich die Existenz des einzelnen Menschen befinden kann: im ästhetischen, ethischen und religiösen Stadium.

Während das ästhetische Stadium sich darin erschöpft, ein Leben im Hier und Jetzt, ein moralfreies Aufgehen im Genuss des Augenblicks zu bieten, findet der durch den Dauerrausch gleichsam abgestumpfte, nach Tiefgang suchende Mensch ins zweite, das ethische Stadium. Hier blickt er über den Tellerrand der egoistischen Lustbefriedigung hinaus und erkennt, dass er Verantwortung übernehmen muss für Seinesgleichen.

Eigentlich hätte Kierkegaard hier stehen bleiben können.

Ein Leben, das sich nicht im egoistischen Sinnesrausch verliert, sondern den Anderen mit einbezieht und sich auch um seine Bedürfnisse sorgt, kann das ästhetische Stadium aber durchaus integrieren:

Warum nicht Spaß haben, wenn man darauf achtet, dass es auch den Anderen gut geht?

Leider hat Kierkegaard als drittes das religiöse Stadium postuliert und zugleich – so ehrlich war er dann doch – zugegeben, dass dieses nicht mehr rational vermittelbar, sondern nur mehr durch den „Sprung“ in den Glauben erreichbar ist.

Ein Sprung, den heute – abgestoßen von der Oberflächlichkeit des Konsums – immer mehr Menschen zu machen bereit sind und sich dabei doch wieder – neuen – Konsumgütern, nämlich jenen der „Sinn-Industrie“, ausliefern.

Die Esoterik-Branche boomt.

Das Buch des Tiroler Psychologen und Esoterik-Kritikers Johannes Fischler zeigt, wie der Esoterik-Markt funktioniert und warum Menschen ihm auf den Leim gehen.

Unbedingt lesen..!

Johannes Fischler: New Cage: Esoterik 2.0. Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt

Quatsch? Quatsch!

Die Biochemikerin Renée Schroeder hat es gewagt, in einer Diskussionssendung des ORF Religion als „Quatsch“ zu bezeichnen.

Ein deutscher Theologe, ebenfalls Teilnehmer an dieser Diskussion, ist ihr vehement entgegen getreten.

Quintessenz seiner Kritik an Schröder:

Man könne doch nicht 1,2 Mrd. Gläubige weltweit beleidigen respektive diese als Dummköpfe verunglimpfen.

Nun kann man darüber streiten, ob es nett ist, sich über Menschen lustig zu machen, die – aus welchen Gründen auch immer und seien es bloß sentimentale  – im Erwachsenenalter an religiösen Traditionen festhalten.

Man kann auch als Atheist seine Kinder so erziehen, dass sie sich gläubigen Menschen gegenüber respektvoll verhalten, ob sie deren Glauben nun für Unsinn halten oder nicht.

Aber dieser „Respekt“ darf nicht zum Gesetz werden, dessen Bruch bestraft werden kann.

Tatsächlich gibt es jedoch im österreichischen Strafrecht den § 188: „Herabwürdigung religiöser Lehren“ – geahndet wird ein entsprechendes Zuwiderhandeln mit bis zu sechs Monaten Gefängnis (oder 360 Tagsätzen).

Das ist völlig inakzeptabel, denn aus naturwissenschaftlicher Sicht ist bisher kein Beweis dafür erbracht worden, dass derjenige Gott, um den es den Christen geht, tatsächlich existiert.

Es mag unhöflich, weil beleidigend sein, Menschen zu sagen, dass ihre Überzeugungen „Quatsch“ seien.

Per Gesetz verbieten und unter Strafe stellen darf man dies trotzdem nicht, denn damit das zulässig wäre, müsste erst der Wahrheitsbeweis der Gläubigen für die Behauptung der Existenz des Objekts ihrer Überzeugung erbracht werden.

So lange Religionen Privatmeinungen darstellen, die im Privaten gelebt werden: kein Problem.

Sobald Gläubige jedoch danach trachten, ihre unüberprüften, weil unüberprüfbaren Glaubenssätze in die Welt einzubauen und über staatliche Gesetze auch den Nichtgläubigen ihre in vielen Fällen kruden Überzeugungen (z.B. zu den Themen „Abtreibung“ und „Homosexualität“) aufs Auge zu drücken, ist es nicht nur zulässig, sondern geradezu Pflicht für säkulare Wissenschafterinnen und Wissenschafter, Quatsch als „Quatsch“ zu bezeichnen.

Unnatürlich..? Natürlich nicht..!

Für konservative Menschen hierzulande – und davon gibt es wohl noch einige, nicht bloß innerhalb von ÖVP, FPÖ und der Katholischen Kirche – dürfte das Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) ein Schlag ins Gesicht sein:

Bei der Adoption von Stiefkindern durch die neue Partnerin / den neuen Partner einer Mutter / eines Vaters dürfen Homosexuelle Heterosexuellen gegenüber nicht benachteiligt werden, denn das würde gegen die Menschenrechte verstoßen.

Nun ist zwar keineswegs klar, welchen Status die Menschenrechte rechtsphilosophisch beanspruchen dürfen und wie sie sich begründen lassen; doch diese Frage ist für die vorliegende Entscheidung vielleicht gar nicht von allzu großer Bedeutung.

Gegner der „Homo-Ehe“ und der Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare oder Einzelpersonen führen als Begründung für ihre Position gerne die „Natur“ ins Treffen und das, was sie gemäß ihrem Naturverständnis für „unnatürlich“ halten.

Das wirft die Frage auf, wer bestimmen darf und soll, was als „natürlich“ angesehen werden kann und was als „unnatürlich“.

Ist nicht per definitionem alles „natürlich“, was in der „Natur“ vorkommt?

Wenn dem so ist, gilt das selbstverständlich auch für Homosexualität, die nicht nur beim Menschen, sondern auch bei zahlreichen anderen Tierarten vorkommt.

Wer seiner Weltanschauung ein bestimmtes Naturbild zugrunde legt, kann mit Leichtigkeit bereits von Anfang an klar sagen, was als „natürlich“ gilt und was als „unnatürlich“.

Damit bleibt er / sie aber die Erklärung schuldig, wie er / sie zu diesem Naturbild kommt und was ihn / sie dazu berechtigt, gerade dieses als Maßstab für moralphilosophische und lebenspraktische Fragen heranzuziehen.

„Zwei Männer oder zwei Frauen können keine Kinder zeugen!“ sagen Gegner von Homo-Ehe und Adoption durch Homosexuelle.

Das trifft auch auf infertile Heterosexuelle zu, die dürften gemäß dieser Logik also auch nicht heiraten und keine Kinder adoptieren.

Aus einem „Sein“ lässt sich prinzipiell kein „Sollen“ ableiten, hatte bereits im 18. Jahrhundert der schottische Philosoph David Hume erkannt. Aus einem noch so hohen Prozentsatz Heterosexueller unter Mensch und Tier lässt sich also nicht ableiten, dass „die Natur“ Heterosexualität als Norm ansieht und gerne „hätte“, dass Homosexualität nicht vorkommt.

Selbst wenn man das von Hume aufgezeigte Problem ignorieren würde, könnte man genau genommen nur folgenden Schluss ziehen:

„Die Natur“ will einen gewissen Prozentsatz Heterosexueller und einen bestimmten Prozentsatz Homosexueller (wobei die Prozentsätze sich permanent ändern, je nach aktueller und wegen Geburten und Todesfällen stets im Wandel befindlicher Verteilung von hetero- und homosexuellen Menschen auf der Welt).

Wer jedoch so denkt und der Natur eine Art „Bewusstsein“ samt Absichten und Zielgerichtetheit unterstellt, hat irgendetwas falsch verstanden, ist wohl bei Aristoteles und seinen mittelalterlichen Anhängern hängen geblieben und hat Charles Darwin und seine Evolutionstheorie verschlafen.

Die einzig relevante Frage rund um das Thema „Adoption durch Homosexuelle“ ist eine rein empirische und die wurde bereits in mehreren Studien gestellt und beantwortet:

Schaden homosexuelle Eltern der Entwicklung ihrer Kinder?

Die Antwort lautet: Nein.

Warum sollte das auch so sein?

Es gibt heterosexuelle Paare mit dominante(re)n Müttern und sanfte(re)n Vätern, es gibt solche, wo Vater und Mutter sanf(ter) und solche, wo beide dominant(er) sind.

Welche Kombination von Charakteren für die Entwicklung eines Kindes besser oder schlechter ist, lässt sich wohl nicht beantworten.

Dass die Liebe der Eltern und ihr verantwortungsvoller Umgang mit ihren Kindern das Wichtigste für deren Entwicklung ist, dürfte unbestritten sein. Ob es sich dabei um Vater und Mutter, Vater oder Mutter, zwei Mütter oder zwei Väter handelt, ist offensichtlich nebensächlich.

Gleiche Pflicht für alle..!

Die Volksbefragung ist vorbei, das Ergebnis steht fest:

Bundesheer und Zivildienst bleiben den Österreicherinnen und Österreichern auf eigenen Wunsch erhalten, verpflichtend.

Den Österreicherinnen?

Ja, auch ihnen, aber nur als Nutznießer der beiden Institutionen, nicht als aufgrund von Gleichberechtigung auch gleichermaßen in die Pflicht genommene Staatsbürgerinnen.

Die Spitzen der beiden Großparteien haben sich bereits festgelegt:

Daran soll sich nichts ändern.

Es wäre dennoch an der Zeit, dass die Frauenministerin und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter, allen voran die feministisch inspirierten Journalistinnen und Journalisten dieses Landes, ihren Forderungen nach „Gleichberechtigung“ echte Glaubwürdigkeit verleihen –

durch die längst fällige Korrektur des Systems hin zur gleichen Verteilung der staatsbürgerlichen Pflichten.

Denn dass es in wenigstens zwei Bereichen unserer Gesellschaft (im Unterschied zu den bloß vermuteten „absichtlichen“ Benachteiligungen DER Frauen durch DIE Männer) tatsächliche absichtliche Diskriminierung der Männer gibt, ist klar:

Bei der Wehrpflicht (dem Zivildienst) und beim Pensionsalter.

Nach einer Quotenregelung und der verpflichtenden gleichen Aufteilung der Karenzzeit auf Männer und Frauen zu rufen (Forderungen, die – unabhängig von der Frage nach Bundesheer / Zivildienst und Pensionsalter – aus vielen Gründen zu hinterfragen sind), bei der Übernahme der Pflichten aber zu schweigen, ist unseriös.

Gleichberechtigung als Korrektur von Diskriminierung beginnt bei der gleichen Verteilung und Übernahme von Pflichten.

Knapp daneben…

Nein, selbstverständlich hat niemand meiner Verwandten, Freunde und Bekannten daran geglaubt, dass der Maya-Kalender tatsächlich den Weltuntergang vorhersagt.

Aber die eine oder der andere war sich nicht ganz sicher, ob nicht doch vielleicht, unter Umständen, eventuell…

Was für ein Schwachsinn..!

Angenommen, die Zukunft stünde schon heute fest, sie wäre also „vorherbestimmt“.

Wie könnten wir wissen, dass das tatsächlich so ist?

Nun, dazu müssten wir wissen, was genau morgen, sagen wir, zum Beispiel um 12 Uhr Mittag, passieren wird.

Angenommen, ich wüsste, dass ich morgen um 12 Uhr Mittag auf der Wiener Mariahilferstraße, Ecke Kaiserstraße mit dem Auto eine alte Frau überfahren würde.

Ich könnte diese „Prophezeihung“ ganz leicht ad absurdum führen, indem ich heute noch aufs Dach meines Hauses steige und mich in die Tiefe und somit in den sicheren Tod stürze.

Wenn ich die „vorhergesagte“ Zukunft verändern kann, kann sie nicht vorhergesagt werden.

Also ist die Zukunft nicht vorherbestimmt.

Weniger ist mehr

Die Glücksforschung bestätigt es:

Man muss nicht alles haben, um glücklich zu sein. Wenn die Grundbedürfnisse (Hunger, Durst, ein Dach über dem Kopf, Kleidung, medizinische Basisversorgung, ein Job, um all das zu finanzieren) gesichert sind, kann der Mensch glücklich sein. Muss er aber nicht.

Viele von uns glauben, erst, wenn sie ein großes Haus, ein teures Auto besitzen, einen luxuriösen Lebenswandel führen, können sie wirklich glücklich sein – und sind unglücklich, wenn all das nicht der Fall ist.

Dabei ist das so nicht richtig.

Denn erstens belehrt uns die „Theorie des abnehmenden Grenznutzens“ darüber, dass Güter, über die wir bereits verfügen, in dem Maße immer weniger interessant für uns werden, wie ihre Menge in unserem Besitz zunimmt.

Eine andere Theorie, genauer gesagt: ein Paradoxon, das so genannte „Easterlin-Paradox“ (es geht auf den US-amerikanischen Ökonomen Richard Easterlin zurück), behauptet, dass sich die Erhöhung des Einkommens – sobald die Grundbedürfnisse gestillt sind – nicht in einer weiteren Steigerung des subjektiven Glücksempfindens niederschlägt.

Zwar wurden die Ergebnisse von Easterlin in der Folge von anderen Wissenschaftern hinterfragt, er selbst sieht sie jedoch in einer weiteren Studie aus dem Jahr 2010 bestätigt.

Die Grundintuition, dass das Streben nach „immer mehr“ den Menschen nicht zwingend glücklicher machen muss, dürfte aber in jedem Fall stimmen.

In einem Leben, das endlich ist, können und sollten wir zwischen Quantität und Qualität wählen.

Wir können alles in die Jahre, die wir (wahrscheinlich) haben hineinpressen und den Planeten Erde schon zu unseren Lebzeiten auspressen wie eine Zitrone.

Wir können aber auch ein genügsames Leben führen.

Das würde unseren Kindern und Enkelkindern, aber auch den bisher ärmeren Menschen, die zeitgleich mit uns leben, ein besseres, zumindest aber nicht schlechteres Dasein ermöglichen.

Doch auch für uns selbst könnte ein nachhaltigerer Umgang mit dem eigenen Leben sinnvoll sein.

Dass „mehr“ nämlich nicht unbedingt „besser“ bedeutet, beweisen die zahlreichen Zivilisationskrankheiten, wie z.B. zunehmendes Übergewicht und starker Anstieg an Diabetes-Erkrankungen.

Vielleicht lässt sich den Menschen (der so genannten „Ersten Welt“), die bereits alles haben, was man benötigt und vieles, was man definitiv nicht braucht, ein anderes „Luxusgut“ schmackhaft machen:

die Freude darüber, anderen Menschen auch ein Stück vom Kuchen abgeben zu können.

Wurscht. Wurscht. Nix.

Österreich ist schon ein ganz eigenes, besser gesagt: eigenartiges Land.

Da „überredet“ ein (ehemaliger) Minister – es gilt die Unschuldsvermutung -, der heute auf dem Sessel des Bundeskanzlers sitzt, ein Unternehmen, für das er selbst die Verantwortung als Minister trägt, dazu, Inserate zu schalten, die ihn, den (ehemaligen) Minister, auf eigene Kosten – sprich: jene des Unternehmens – bewerben.

Das alleine ist schlimm genug.

Nun gibt es einen Untersuchungsausschuss im Parlament und alle Parteien bis auf die „Grünen“ versuchen geschlossen, die Vorladung des ehemaligen Ministers und nunmehrigen Bundeskanzlers zu verhindern.

Da stellen sich dem gelernten Österreicher mehrere Fragen:

1) Welche Deals zwischen SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ laufen hinter den Kulissen?

2) Auf welche „Gegengeschäfte“ zur Aushebelung von Recht und Gesetz dürfen wir in Zukunft gespannt sein?

3) Was kann jeder Einzelne von uns tun, als Staatsbürger, als Wähler, um solche Mauscheleien zu verhindern?

Die Antworten auf diese drei Fragen, welche die gelernten Österreicherinnen und Österreicher geben, lauten seit Jahren unverändert:

1) Wurscht.

2) Wurscht.

3) Nix.

Jedes Land hat die Politiker, die es verdient.

Schwierige Operation..?

Nun also die Debatte über die Zulässigkeit von Beschneidungen als Ausübung der Religionsfreiheit.

Das Landgericht Köln hatte die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als strafbare Körperverletzung bezeichnet.

Die Religionsfreiheit – in diesem Fall jene der Eltern – wiege weniger schwer als das Selbstbestimmungsrecht des Kindes.

Bereits unmittelbar nach dem Urteil liefen einige jüdische und muslimische Verbände Sturm dagegen und wurden dabei auch von manchen ihrer christlichen Kollegen unterstützt.

Die Kritiker des Kölner Urteils sehen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit in Gefahr.

Die Befürworter hingegen pochen auf das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit.

Eine klassische Patt-Situation? Ein gordischer Knoten? Eine schwierige Operation?

Nichts von alledem.

Das Recht auf „freie Religionsausübung“ trägt ein fundamentaleres Recht in sich, dasselbe gilt für das Menschenrecht auf „körperliche Unversehrtheit“:

Es handelt sich dabei um die Freiheit des Individuums.

Sie steht an unterster bzw. oberster Stelle.

Sie ist als prinzipielle Freiheit zu verstehen, was sowohl die Freiheit zu, als auch jene von Religion impliziert, die weder durch Religionsverbote, noch durch religiöse Zwänge behindert werden dürfen.

Jeder Mensch soll das Recht darauf haben, über sein eigenes Leben und seinen Glauben frei zu verfügen – über sein eigenes, wohlgemerkt, aber nicht über jenes anderer Menschen, und zwar auch dann nicht, wenn es sich dabei um seine eigenen Kinder handelt.

„Die Freiheit eines jenen beginnt dort, wo die Freiheit eines anderen aufhört.“ hat schon Immanuel Kant bemerkt.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

That zucks…

Das Blog Gizmodo fordert die Web 2.0-Community auf,  Schnappschüsse von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zu erstellen und an das Blog zu schicken. Honorar gibt es dafür auch: 20 US-Dollar pro Foto.

Begründung für diese „Summer of Zuck“ genannte Foto-Treibjagd auf Zuckerberg: Er selbst würde nicht allzu viel von der Privatsphäre seiner User halten und deren Daten, auch „intimere“, hemmungslos sammeln.

Sinngemäß lautet die Rechtfertigung für die Aktion: Zuckerberg weiß alles über uns, aber wir wissen viel zu wenig über Zuckerberg, und das muss sich ändern!

Anhand solcher Aktionen zeigt sich die ethische Fragwürdigkeit – nein, nicht von Web 2.0 generell, sondern von den Möglichkeiten zum Missbrauch, welche die multimediale Internet-Welt bietet.

Zu Recht wenden Kritiker der Aktion ein: Wer sich von Facebook „ausspioniert“ fühlt, sollte besser darauf Acht geben, was er oder sie postet und sich überlegen, ob es überhaupt sinnvoll ist, auf der Plattform vertreten zu sein.

Ganz so leicht kann man es sich natürlich nicht machen:

Dass das Sammeln von Daten und deren kommerzielle Nutzung problematisch ist, wenn schon nicht aus rechtlicher, so wenigstens aus moralischer Perspektive, liegt m.E. auf der Hand.

Die Debatte über „opt-in versus opt-out“ zeigt das Dilemma auf.

Dennoch: Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte sich aus dem elektronischen Netzwerk und von seinen hunderten, wenn nicht tausenden „Freunden“ verabschieden und die gewonnene Zeit dazu nutzen, die wenigen echten Freunde zu treffen, im wirklichen Leben, anstatt hinter dem Computer.

Mores lehren..?

Michael Spindelegger, der aktuelle ÖVP-Chef, hat damit angefangen.

Vielleicht lassen sich die anderen Parteichefs bzw. -chefinnen von seiner Idee anstecken:

Einen Moral-Kodex für die eigene Partei zu fordern.

Der Ansatz ist prinzipiell in Ordnung und sollte gefördert werden, denn Moral darf und muss verlangt werden – gerade von Jenen, die an den sprichwörtlichen Schalthebeln der Macht sitzen.

Doch, Halt..!

Können Menschen vom Typ eines Ernst Strasser wirklich durch Moral-Kodizes davon abgehalten werden, ihre unmoralischen Spielchen zu spielen, so lange diese weiterhin legal sind?

Zweifel sind erlaubt, denn sie sind das Salz in der Suppe des naiven Glaubens an das Gute.

Ein Parteichef, der Moral per Kodex, nicht aber de iure, einklagt, der bei den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, hier: der Förderung strengerer Gesetze also weiter auf der Bremse steht, kann kaum als „role model“ oder „best practice“-Beispiel für kommende PolitikerInnen herhalten.

Die Wahrheit ist so simpel wie traurig:

Moral ist „work in progress“, eine Ausbildung, die schon in der Kindheit ansetzen und sich in jeder Situation neu beweisen muss – auch und vor allem dort, wo niemand – z.B. die EU-Öffentlichkeit im „Lobbying-Fall Strasser“ – zusieht.

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, heißt es so schön.

Zu glauben, dass erwachsene Menschen, die bisher in erster Linie ihrem Eigennutz oder jenem ihrer Partei gedient haben, plötzlich ein Damaskuserlebnis erfahren und sich um 180 Grad wenden, ist dumm oder unehrlich.

Wenn die ÖVP von einem Tag auf den anderen ihre „moralische Bestimmung“ entdeckt (angeblich wegen Fällen wie jenem von Ernst Strasser), muss die kritische Frage erlaubt sein:

Wie war das damals bei der Delegationsleitung der ÖVP in Brüssel, als Ernst Strasser zum Zug kam, obwohl Othmar Karas mehr Vorzugsstimmen bekommen hatte?

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Magazin „profil“ bereits über die so genannte „E-Mail-Affäre“ im Innenministerium Ernst Strassers berichtet.

Allein diese Affäre hätte aus moralischen Gründen ausgereicht, Strasser in die Wüste, anstatt nach Brüssel zu schicken.

Wen will Michael Spindelegger mit seinem Kodex „Mores lehren“?

Jene, die Ernst Strasser in die ÖVP geholt, trotz E-Mail-Affäre protegiert und trotz Karas-Sieg als Delegationsleiter nach Brüssel geschickt haben?

Wenn Spindelegger es ernst meint, müsste er sie aus der Partei entfernen, bevor sein Moral-Kodex in Kraft tritt.

Tut er das nicht, kann er sich seinen Kodex zu Hause an die Wand nageln oder ihn an einem stillen Örtchen zu letzter Verwendung deponieren…