Alles im grünen Bereich?

Die Österreicherinnen und Österreicher haben gewählt.

Endlich liegt einer der anstrengendsten Wahlkämpfe der letzten Jahre hinter uns.

Die beiden „Großparteien“ ÖVP und SPÖ haben sich nichts geschenkt beim Kampf darum, wer den anderen schlechter machen könnte.

Ob das der Demokratie einen nachhaltigen Schaden zugefügt hat, wird die Zukunft weisen.

Nun aber geht es darum, aus dem Wahlergebnis das Beste zu machen: für Österreich, aber vor allem auch für Europa.

Unser Land ist keine Insel der Seligen mehr, wir sind schon lange eingebettet in ein größeres Ganzes, die Europäische Union.

Zwar hat die ÖVP immer beschworen, für eine europafreundliche Politik zu stehen, durch eine Koalition mit der FPÖ könnte sie jedoch dabei gebremst werden.

Die Volkspartei, die vor allem auch eine wirtschaftsliberale Partei ist, hat sich für CETA ausgesprochen, die FPÖ und die SPÖ waren dem Handelsabkommen mit Kanada gegenüber skeptisch bis ablehnend eingestellt.

Doch auch die Beantwortung der Frage, ob Österreich in Fragen der Migration eine europäische oder eine nationalstaatliche Gangart einschlägt, könnten davon abhängen, wie sich die kommende Koalition gestalten wird.

Dabei ist nicht einmal gesagt, dass eine schwarz-rote Regierung, falls es diese, sehr unwahrscheinliche, Variante geben sollte, hier weniger problematisch agieren würde als eine schwarz-blaue.

Wie sich die SPÖ, die wohl ebenfalls versucht, an der Macht zu bleiben und dafür bereit sein dürfte, eine rot-blaue Koalition anzustreben, in den beiden über Österreichs Grenzen hinausreichenden Fragen positioniert, ist schwer einzuschätzen.

Doch wenn sie tatsächlich mit den „Blauen“ koaliert, können wir davon ausgehen, dass auch die Sozialdemokratie nicht gänzlich frei von nationaleren Elementen agieren wird.

Dass die Grünen es nicht geschafft haben, in den Nationalrat zu kommen, ist tragisch, wenn auch größtenteils selbstverschuldet. Da hilft kein Hinpecken auf Peter Pilz. Die Probleme der Partei sind hausgemacht.

Dass die Umweltpolitik darunter leiden könnte, wenn die Grünen nicht mehr im Parlament sitzen, ist fraglich. Das steigende ökologische Bewusstsein der Menschen stellt eine Entwicklung dar, die wohl nicht einmal durch die Abwesenheit der Grünen umgekehrt werden kann.

Als soziales Gewissen, auch und gerade rund um das Thema „Migration“, könnte man die Grünen im Hohen Haus wahrscheinlich vermissen.

Zwar sind ihre Ideen und die daraus abgeleiteten Forderungen oftmals überzogen und realitätsfremd.

Als Korrektiv zur normativen Kraft des Faktischen, wie sie von rechter und rechtsliberaler Seite nun öfters zu hören sein wird, wären sie dennoch beziehungsweise gerade deshalb nötig.

Quälende Wahl

Noch knapp ein Monat ist es hin bis zur Nationalratswahl und obwohl der Wahlkampf erst seit ein paar Wochen läuft, fühlt es sich so an, als würde er bereits Jahre dauern.

Das könnte nicht zuletzt auch daran liegen, dass die Kandidatinnen und Kandidaten von einem TV-Auftritt zum nächsten weitergereicht werden.

Doch wer möchte wirklich irgendeine der zur Wahl stehenden Personen öfters als ein, zwei Mal im Fernsehen dabei beobachten, wie sie die immer gleichen Phrasen dreschen, das eigene Parteiprogramm in mehr oder weniger elegante Sätze verpacken und diese bis zum Erbrechen wiederholen?

Die verkrampften Versuche des ORF sowie der privaten TV-Sender, dem Blick auf die heimische Politik durch neue Formate alternative Seiten abzugewinnen, sind zum Scheitern verurteilt.

Die neuen Perspektiven können nämlich nichts daran ändern, dass die „dramatis personae“ von ihren Medien-Coaches perfekt darauf vorbereitet worden sind, auf jede nur erdenkliche Frage möglichst eloquent nicht zu antworten.

Wer weiß also wirklich, was ihn oder sie nach der Wahl erwarten wird? Wer wagt es, sich auf eine Wette einzulassen, die für ihn oder sie so gut ausgeht, dass sich der Einsatz lohnt, einer ganz bestimmten Partei die Stimme zu geben? Immerhin könnte diese Partei aus reinem Opportunismus, um jeden Preis an der Macht zu bleiben, mit einem Partner, den man selbst nicht gewählt hat und niemals gewählt hätte, in eine Koalition gehen.

Fühlt man sich eher „links“ zuhause und wählt z.B. die SPÖ, kann man nach dem 15. Oktober nicht ausschließen, die am weitesten von der ursprünglichen Ideologie der Sozialdemokraten entfernte Partei in Regierungsämtern wiederzufinden: die FPÖ.

Die Wahl einer kleinen „linken“ Partei (derer es einige gibt, rechnet man die Grünen ein, was aus vielen Gründen legitim erscheint) wird in Anbetracht der großen Auswahl nicht viel bewirken. Die Sympathisantinnen von „linker“ Politik jenseits der SPÖ, werden durch ihre Wahl die Welt nicht verändern. Sie können höchstens ein Zeichen setzen – für mehr „Gerechtigkeit“, was auch immer das bedeuten mag.

Wer sich selbst eher als liberal ansieht kann, je nachdem, ob dieser Liberalismus sich nur auf die Wirtschafts-, aber nicht auch auf die Gesellschaftspolitik erstreckt, eher die ÖVP oder die NEOS wählen, wobei letzteres einen ähnlichen Effekt haben dürfte wie die Wahl der Grünen.

Österreich teilt sich seit Jahrzehnten primär in zwei Lager auf: in dasjenige der ÖVP- und in jenes der SPÖ-Fans. Die Anhängerinnen und Anhänger der FPÖ sind jenes knappe Drittel an Menschen, die sich von den beiden „Etablierten“ ausgeschlossen und von der Welt verraten fühlen.

Eine der beiden großen Parteien wird nach der Wahl mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der FPÖ zusammenarbeiten.

Die Politik, die dabei herauskommt, wird wohl oder übel ziemlich klar die Handschrift der SPÖ oder der ÖVP tragen. Die FPÖ selbst wird wohl nur als Steigbügelhalter dienen und dafür mit ein paar Ministerposten und Ämtern abgespeist werden, ohne allzu großen politischen Schaden anrichten zu können.

Eine SPÖ/FPÖ- oder eine ÖVP/FPÖ-Koalition könnte fünf Jahre lang eine deutlicher „rote“ oder „schwarze“ Politik verwirklichen, als dies in der „Großen Koalition“ aus Gründen der gegenseitige Blockade jemals möglich war.

So gesehen könnte man selbst bei der auf den ersten Blick beängstigenden Variante einer SPÖ/FPÖ- oder ÖVP/FPÖ-Regierung nach der Oktober-Wahl optimistisch in die Zukunft blicken. Denn als Souverän bekommt man in fünf Jahren einen guten Einblick in das, was uns im Falle einer „Absoluten“ einer der beiden Großparteien erwarten könnte und was wir vielleicht nicht mehr so bald erleben wollen.

Im Idealfall könnte dies die bisher kleineren Parteien stärken und sie zu neuen, tatsächlichen Alternativen auf der linken (z.B. Peter Pilz) und gemäßigt rechten bzw. liberalen Seite (z.B. NEOS) heranwachsen lassen.

Vielleicht sollten wir einfach gelassener auf die Dinge blicken.

Mag es auch nicht für alle von uns perfekt sein, irgendetwas wird schon rauskommen, bei dieser Wahl.

Wenn sie nur endlich vorüber wäre!

Der Wahnsinn des islamistischen Terrors

Worin besteht der Sinn, in ein Auto zu steigen und wahllos Menschen tot zu fahren?

Welche Religion oder Ideologie kann so eine Tat rechtfertigen?

Was soll damit erreicht, welcher – vermeintliche oder tatsächliche – Misstand auf dieser Welt könnte damit behoben werden?

Die Attentäter der jüngsten Anschlagsserie in Spanien haben Menschen getötet, die sie nicht persönlich kennen, nicht kennen konnten.

Sie wissen nicht, ob nicht der eine oder andere aus der Gruppe ihrer Opfer ihren eigenen politischen Idealen nahestand oder nicht. Somit könnten sie also auch Brüder im Glauben bzw. im Geiste getötet haben.

Es könnte sich um Muslime handeln oder um Nicht-Muslime, die vielleicht ebenfalls mit der Welt unzufrieden sind, sie aus welchen Gründen auch immer für ungerecht halten und die Ursachen dafür diversen Ländern in die Schuhe schieben.

Spätestens anhand solcher möglicher Kollateralschäden zeigt sich die Absurdität, die Selbstwidersprüchlichkeit einer solchen Aktion blinden Hasses.

Durch solche Handlungen wird nichts besser, kein Missstand kann durch sie korrigiert, die Welt nicht zu einem gerechteren Ort gemacht werden.

Mit solchen Taten wird nur die Gesamtsumme an Schmerz und Leid vergrößert.

Es gibt keinen Glauben, keine Ideologie, keine persönliche Verletzung, die solche Taten jemals in irgendeiner vernünftig nachvollziehbaren Form rechtfertigen könnte.

Sie sind der Ausdruck reiner Irrationalität, nichts weniger als geistige Umnachtung, kompletter Wahnsinn.

Der Zweck heiligt die Mittel. Heiligt der Zweck die Mittel?

Beim G20-Gipfel in Hamburg haben Linksautonome schwere Sachbeschädigung verursacht, indem sie Autos angezündet und Schaufenster eingeschlagen haben.

Dass keine Menschen zu Schaden gekommen sind, dürfte eher dem Zufall zu verdanken sein als der Intention, denn schwarz vermummte Gestalten („Schwarzer Block“) warfen auch von Hausdächern im Schanzenviertel Steine nach unten.

Vielen Linksintellektuellen fällt es schwer, sich von linker Gewalt zu distanzieren.

Während sie – zu Recht – Gewalt von rechts verurteilen, scheinen sie bei derjenigen aus ihrer eigenen politischen Richtung ein Auge zuzudrücken.

Woran liegt das?

Aus der Sicht vieler Linker ist die Welt ungerecht, beherrscht von den Mächten des Kapitalismus, die Menschen sind dem Neoliberalismus ausgeliefert.

Gegen diese – vermeintlichen – Missstände darf und soll revoltiert werden, so die Ansicht der Linken, notfalls auch mit Gewalt.

Doch ist Gewalt prinzipiell abzulehnen, ganz egal, mit welcher politischen Legitimation sie daherkommt.

Und zwar zunächst einmal deshalb, weil sie meistens nicht präzise jene trifft, die für das – angebliche – Leid der Welt unmittelbar verantwortlich gemacht werden.

Was können die Anrainer des Hamburger Schanzenviertels dafür, dass der mächtigste Mann der Welt, der neue US-Präsident, Donald Trump heißt und sich nicht um den Klimawandel oder die – vermeintliche – Ausbeutung der so genannten Dritten durch die sogenannte Erste Welt schert?

Ist jedes Auto, das in Brand gesteckt wurde, im Besitz eines „Kapitalisten“ oder könnte es nicht sein, dass das eine oder andere einem hart arbeitenden „Proletarier“ gehört hat?

Ist es gut, wenn Schaufenster von Geschäften eingeschlagen werden, in welchen Menschen arbeiten, weil sie arbeiten müssen, um sich ihr Leben leisten zu können?

Doch selbst wenn man die – vermeintlichen – Übeltäter, die Verursacher allen Leides auf dieser Welt, präzise identifizieren könnte:

Ist Gewalt das richtige Mittel, um sie von ihrem Tun abzubringen?

In der aktuellen Ausgabe des deutschen Wochenmagazins „Der Spiegel“ findet sich sinngemäß folgende Aussage:

Das Anzünden eines Autos stoppt nicht den Kapitalismus, ganz im Gegenteil: Es fördert ihn, weil es zum Kauf eines neuen Autos führt.

Eine Frage, welche sich die Linksautonomen vom G20-Gipfel in Hamburg und ihre intellektuellen Sympathisanten unbedingt stellen sollten, bevor sie das nächste Mal – in Gedanken, Worten und Werken – zur Tat schreiten:

Ist die Welt tatsächlich so schlecht, wie wir glauben?

Oder könnte es nicht sein, dass der Kapitalismus, trotz aller Vorwürfe, die man ihm zurecht machen kann (Stichwort „Umweltverschmutzung“), der Menschheit unterm Strich mehr Vorteile als Nachteile gebracht hat (und immer noch bringt)?

Ein kleiner Lektüre-Tipp an dieser Stelle:

Guido Mingels, „Früher war alles schlechter“

2017 meets 1983

Die SPÖ hat schon einmal mit der FPÖ koaliert – von 1983 bis 1986, unter Fred Sinowatz (SPÖ).

Sein damaliger Partner bei der FPÖ: Norbert Steger.

1986 kam die „Waldheim-Affäre“, durch die auch Jörg Haider nach oben gespült wurde und die Macht in der FPÖ übernahm.

Dem neuen SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky, der auf Fred Sinowatz folgte, waren die „Blauen“ suspekt genug, um sie auf Dauer aus dem Kreis möglicher Koalitionspartner auszuschließen – die sogenannte „Vranitzky-Doktrin“ war geboren.

Im Jahr 2017 dient der sozialdemokratische Bundeskanzler Christian Kern sich ohne große Not den Freiheitlichen an: Sollten diese den von der SPÖ aufgestellten „Kriterienkatalog“ erfüllen, so wäre auch mit ihnen, entgegen der „Vranitzky“-Doktrin“, eine Zusammenarbeit möglich.

Ob diese Neupositionierung der SPÖ mehr Wähler wegnehmen oder bringen wird, lässt sich schwer abschätzen. Grob betrachtet gibt es innerhalb der Partei nämlich zwei Gruppierungen:

Eine, die partout nicht mit den „Blauen“ koalieren will, weil dies nach Ansicht dieser Gruppe einem Verrat sozialdemokratischer Werte gleichkäme.

Und eine andere, die – man muss es wohl so nüchtern betrachten – den Verlust der Regierungsbeteiligung durch eine schwarz-blaue Koalition befürchtet und daher lieber den Tabu-Bruch zu begehen bereit ist und mit der FPÖ zusammenarbeiten will.

Dieses „Um keinen Preis die Macht verlieren“ redet sich diese, in politischen Dingen nüchtern-pragmatische Gruppe damit schön, dass eine ÖVP-FPÖ-Koalition das größere Übel wäre als eine zwischen SPÖ und FPÖ, und dass es mehr inhaltliche Übereinstimmungen zwischen „Rot“ und „Blau“ gäbe als etwa zwischen „Rot“ und „Schwarz“ (oder „Schwarz“ und „Blau“).

Ob letzteres stimmt, hängt vor allem davon ab, wie man die einzelnen thematischen Punkte innerhalb der verschiedenen politischen bzw. weltanschaulichen Lager gewichtet.

So viel stimmt jedoch: Die meisten Stimmen, welche die SPÖ in den letzten Jahren verloren hat, sind an die FPÖ gegangen. Die Analyse der „Übereinstimmungen“ dürfte also nicht ganz falsch sein.

Dennoch muss das kein Grund sein, sich den Freiheitlichen mit Haut und Haaren in den Rachen zu werfen.

Ein deutlich sozialdemokratischer akzentuiertes Profil könnte die SPÖ stärken – vorausgesetzt, die Partei sagt klar, dass sie lieber in die Opposition gehen, als Abstriche bei ihren Forderungen machen würde, und zieht das dann auch durch.

Ob einmal mehr die Angst vor dem Verlust der Pole Position an den Futtertrögen der Macht über die intellektuelle und moralische Redlichkeit siegen wird?

Im Herbst werden wir es erfahren.

Der Untergang des Abendlandes oder seine Wiedergeburt..?

Nun also Erdoğan.

Der türkische Möchtegern-Alleinherrscher spricht Klartext mit Deutschland, Österreich und den Niederlanden und durch sie, pars pro toto, mit der gesamten Europäischen Union:

„Wenn ihr nicht das tut, was wir wollen, also Wahlkampf in euren Ländern machen, dann seid ihr Faschisten und verratet die Werte der Demokratie, die ihr uns gegenüber permanent einmahnt. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!“

Hat er Recht mit dieser Aussage und der unverhohlenen Drohung, sein Arsenal an möglichen Grauslichkeiten auszupacken?

Natürlich nicht.

Wer Intoleranz gegenüber nicht tolerant ist, muss sich deswegen keineswegs selbst der Intoleranz zeihen lassen.

Dieses Verhalten geht klar als Notwehr durch.

Nein, weder Deutschland, noch Österreich, noch die Niederlande und schon gar nicht die EU insgesamt muss sich von Erdoğan auf der Nase herumtanzen lassen. Nicht einmal deshalb, weil er die Schlüssel zu jenem Tor in der Hand hält, das eine weitere Flüchtlingswelle daran hindert, Europa zu überfluten.

Natürlich wäre letzteres nicht angenehm.

Dennoch sollte die EU die Standhaftigkeit gegenüber einem potenziellen Diktator nicht leichtfertig auf dem Alter des Komforts opfern.

Wenn Europa beschließt, Erdoğan zu zeigen, wo der Hammer hängt, dann müssen alle Mitgliedsländer mitmachen bei der Aufnahme der Flüchtlinge, nicht nur jene drei, die bei den Hilfesuchenden am beliebtesten sind: Schweden, Österreich und Deutschland.

Dennoch ist es fraglich, ob es klug wäre, den „Boss vom Bosporus“ (Copyright: extra 3) vor den Kopf zu stoßen. Aber nicht seinetwegen, sondern wegen der Türkinnen und Türken in ihrer Heimat und jener, die in Europa leben.

Sie könnten sich – noch mehr – mit ihrem Präsidenten solidarisieren und (siehe Bundespräsidenten-Wahl 1986) „jetzt erst recht!“ für ihn und seine Pläne zur endgültigen Abschaffung der Demokratie stimmen.

Die Gefahr, dass genau das passiert, scheint durch die Kritik  an Erdoğan innerhalb Europas langsam zu wachsen.

Was also tun?

Entweder die EU beschließt, ab sofort keinen anderen außer EU-Politikerinnen und Politikern zu erlauben, auf ihrem Hoheitsgebiet Wahlwerbung zu machen. Das wäre die konsequenteste Entscheidung. Sie müsste allerdings auf Dauer etabliert werden, damit sie nicht zu eindeutig nach einer „Lex Erdoğan“ riecht.

Das würden vielleicht sogar die stolzen Türken und Türkinnen verstehen und anerkennen:

„Diese Union aus mehr als zwei Dutzend Staaten steht wie ein Mann hinter einem klaren Prinzip und lässt sich nicht erpressen. Da sollten wir am besten auch dabei sein.“

Eine solche Handlungsweise müsste aber von mindestens einer wichtigen Maßnahme begleitet sein – dem offiziellen Angebot an die Türkinnen und Türken:

„Wenn ihr euch für die Demokratie entscheidet, garantieren wir euch einen seriösen Mehrstufenplan zur Aufnahme in die EU mit einem Zeithorizont von maximal zehn Jahren.“

Die EU selbst sollte allerdings bis zum Abschluss dieses Mehrstufenplans an ihrer politisch-rechtlichen Struktur arbeiten und sie solchermaßen umbauen, dass die Einführung einer Diktatur für ein Land verunmöglicht wird, sobald es Mitglied der Union ist. Ob und wie das juristisch umzusetzen ist, weiß ich nicht.

Oder aber wir erlauben die paar Wahlkampfauftritte und zeigen der türkischen Bevölkerung in der Türkei und in Europa, wie Demokratie geht.

Es ist schwer vorauszusagen, ob Erdoğan eine solche Aktion nicht vielleicht ebenfalls in seiner Heimat als Sieg verkaufen und sein Volk dadurch noch stärker hinter sich, den „starken Mann“, der es „denen von der EU gezeigt“ hat, scharen kann.

Einen Versuch wäre es womöglich wert.

Ich persönlich präferiere die Variante, der Bevölkerung der Türkei ein seriöses EU-Beitrittsangebot zu machen, das daran geknüpft ist, demokratische Spielregeln einzuhalten – und das heißt zunächst einmal, Erdoğans Pläne zum Umbau der Verfassung abzulehnen.

Denn ein islamisches Land als Teil der Europäischen Union könnte, neben dem einen oder anderen Risiko, auch viele Chancen in geopolitischer, ökonomischer und – ja, auch – kultureller Hinsicht bedeuten.

In Anbetracht der Tatsache, dass in einigen, nicht unwichtigen Ländern der EU ohnedies bereits große türkische Gemeinschaften leben, wäre dieser Ansatz noch besser zu argumentieren.

Wie dieser Plan allerdings den islamkritischen Menschen in Europa und jenen rechten Politikerinnen und Politikern schmackhaft gemacht werden kann, ist wahrscheinlich die schwierigste Frage.

Früher war alles schlechter: Prosit 2017..!

Viele Menschen, die im soeben zu Ende gegangenen Jahr rechte Parteien gewählt oder rechten Populisten zugejubelt haben, werden von den (großteils Links-)Intellektuellen als dumm abgestempelt:

Sie hätten keine Ahnung, worum es „wirklich“ ginge, was „tatsächlich“ der Fall sei, wie man sich „moralisch korrekt“ zu verhalten habe.

Ich bin nicht der Meinung, dass diese Einschätzung den Kern der Sache trifft.

Denn viele Menschen, gerade jene aus den niedrigeren sozialen und Bildungsschichten, fühlen sich nicht nur subjektiv durch eine massenhafte Einwanderung von schlecht oder gar nicht ausgebildeten Menschen aus Nordafrika und dem arabischen Raum bedrängt. Da sie selbst schlechter ausgebildet sind, bieten die Neuzugänge eine gewisse Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.

Darüber hinaus siedeln sich die Neuankömmlinge auch vermehrt in jenen Gegenden an, in denen die Wohnungspreise und Lebenshaltungskosten niedrig sind. Und das sind genau jene ländlichen Regionen oder städtischen Bezirke, in welchen auch die ärmeren Inländer wohnen.

Dass (vor allem rechte) Populisten diese objektiven Probleme aufgreifen und geschickt instrumentalisieren, ist nicht ganz unverständlich (und m.E. auch nicht ganz unberechtigt).

Die linken Eliten und Linksintellektuellen übersehen jedoch, dass sie selbst zu einem nicht unerheblichen Teil selbst schuld daran sind, dass die Stimmung unter der Mehrheitsbevölkerung durchwachsen bis schlecht ist.

Denn ihr Narrativ lautet: „Alles wird immer schlimmer.“

Doch das stimmt ganz einfach nicht.

Sieht man sich die Daten und Fakten an, so korrespondiert die objektive Lage der Welt nicht der subjektiven Einschätzung ihrer pessimistischen Interpreten – auf rechter und auf linker Seite.

Nehmen Armut und Hunger, nehmen Kriege und Terroranschläge zu, wie dies vor allem Linke beklagen und damit ihre Vorschläge zu einer friedlicheren, gerechteren Welt zu rechtfertigen versuchen?

Das Gegenteil trifft zu:

Die Welt wird (nicht nur für Menschen) ein immer besserer Ort – relativ und in absoluten Zahlen.

Der SPIEGEL-Journalist Guido Mingels beschreibt dies in seiner Kolumne „Früher war alles schlechter“, die demnächst als Buch auf den Markt kommt:

„Früher war alles schlechter: Warum es uns trotz Kriegen, Krankheiten und Katastrophen immer besser geht“

Gerade jetzt, zu Jahresbeginn, nach einem Jahr, das in der subjektiven Wahrnehmung vieler Menschen nicht grausamer und gewalttätiger hätte sein können, ist es notwendig, einen nüchternen Blick auf die Welt zu werfen:

Ja, vieles liegt im Argen und wir haben alle Hände voll zu tun, an einer (noch) besseren Welt zu arbeiten.

Doch dass früher alles besser war, wie jene linken (und rechten) Nostalgiker gerne lamentieren, ist ein Irrtum – oder eine glatte Lüge.

Alles Gute im Neuen Jahr!

Ein TRUMPeltier im Porzellanladen..?

Nun hat er also tatsächlich die Wahlen zur US-Präsidentschaft gewonnen:

Donald Trump – Unternehmer, Rassist, Macho.

Was er an guten Ideen für sein Land und für die Welt auf Lager hat, wissen wir bis heute nicht, über seine aberwitzige Weltsicht („Mauer zu Mexiko bauen“, „Muslimen die Einreise in die USA verwehren“ et cetera) hingegen sind wir bestens informiert – und haben vor diesem Wahlergebnis gezittert.

Die spannende Frage ist jedoch:

Wie viel von dem, was Trump vor den Wahlen angekündigt hat, wird er als Präsident der USA auch tatsächlich umsetzen?

Natürlich könnte er einige unangenehme Entscheidungen treffen, die sowohl starken Einfluss auf die Welt, als auch auf sein eigenes Land nach sich ziehen würden.

Es seien nur zwei Beispiele genannt: Das Klimaabkommen von Paris wieder aufkündigen, „Obamacare“ wieder abschaffen.

In Bezug auf letzteres hat er sich kurz nach der Wahl gegenüber seinen Ankündigen von der Zeit vor der Wahl erstaunlich gemäßigt gezeigt. Zu viele Menschen hängen an „Obamacare“, um es leichtfertig komplett einzustampfen.

Der Populist Trump weiß das und kann und will es sich daher auch nicht mit seinen Landsleuten verscherzen.

Was das Klimaabkommen von Paris betrifft, sieht die Sache etwas anders aus. Hier würde er womöglich bei vielen seiner Landsleute auf Zustimmung stoßen.

Dennoch dürfen wir auch diesbezüglich vorsichtig zuversichtlich sein. Gerade ein demokratisches westliches Land, wie die USA es sind, ist auch durch Innovationskraft auf der einen und eine hoch entwickelte Zivilgesellschaft auf der anderen Seite in der Lage, die Bedeutung dieses Abkommens einzuschätzen und verantwortungsvoll damit umzugehen; dies umso mehr, als selbst andere große Staaten, die bedeutende Klimasünder waren bzw. noch sind, das Abkommen unterzeichnet haben und wohl weiter daran festhalten werden. Sich hier aus der globalen Verantwortung zu stehlen ist ohne Imageverlust schwer möglich.

Ob Donald Trump seine Ankündigung, das Engagement der USA innerhalb des Verteidigungsbündnisses NATO zurückzufahren, wahrmachen wird oder nicht, ist langfristig betrachtet irrelevant.

Denn die EU sollte in jedem Fall und besser heute als morgen daran arbeiten, eine gemeinsame Militärstruktur zu etablieren, um potenziellen Angriffen gegenüber, auch solchen durch die USA (und seien es nur „Cyberwar“-Attacken), gewappnet zu sein.

CETA und Mordio..!

Alle haben sie gegen CETA Wind gemacht:

Die SPÖ, die Grünen, die FPÖ, Greenpeace, Global 2000 und Attac.

Geholfen hat es nichts, zuletzt hat Christian Kern doch zugestimmt.

Das war zwar von Anfang an zu erwarten, denn alles andere wäre Unsinn gewesen. Doch der österreichische Bundeskanzler, seines Zeichens der Chef jener Partei, die sich das Wohl der „kleinen Leute“ auf die Fahnen geschrieben hat, wollte es sich nicht nehmen lassen, eine Ehrenrunde zu drehen, um seiner Klientel zu zeigen: „Ich kümmere mich um euch und eure Anliegen!“

Dennoch: War dieses Manöver wirklich notwendig?

Der Vertrag zwischen Kanada und der EU ist für beide Seiten von Nutzen.

Die Ängste der Gegner sind unbegründet und in vielen Fällen nicht nur falsch, sondern absurd.

Da werden anonyme „Großkonzerne“ ins Treffen geführt, die – angeblich – die Demokratie aushöhlen und unsere Umwelt- und Sozialstandards untergraben wollen. Dabei wird übersehen, dass hinter jedem Unternehmen reale Menschen und ihre Familien stehen, die davon profitieren, einen Arbeitsplatz zu haben.

An kleinen Firmen hängen wenige, an großen Firmen viele Einzelschicksale:

Die ArbeitnehmerInnen, LieferantInnen, all jene, die in solchen Bereichen tätig sind, die indirekt mit Firmen und deren Produkten und Dienstleistungen in Verbindung stehen (z.B. das Transportwesen in Bezug auf die Belieferung von Supermärkten), aber natürlich auch Investoren. Doch bei diesen handelt es sich meist nicht um einige wenige Einzelpersonen, welche sich auf Kosten der „kleinen Leute“ bereichern. Es sind oft sogenannte „institutionelle Anleger“, also z.B. Pensionsfonds, in welchen wiederum eine große Zahl „kleiner Leute“ veranlagt ist.

Die Welt im 21. Jahrhundert ist zu komplex, um sie mit marxistischer Rhetorik aus dem 19. Jahrhundert oder neomerkantilistischen Versatzstücken zu analysieren.

Jene, die sich als Verteidiger der „kleinen Leute“ gerieren und CETA in Bausch und Bogen ablehnen, sind meist selbst keine „kleinen Leute“, deren Jobs direkt an freiem internationalen Handel hängen. Es sind KünstlerInnen, Intellektuelle und PolitikerInnen, die aus einer relativ gesicherten Position heraus allen anderen den Einkauf bei (teuren) heimischen Biobauern und diversen lokalen Handwerkern (Stichwort „Heini Staudinger“) aufzwingen wollen, anstatt ihnen die Wahl zu überlassen, was sie von wem erwerben und konsumieren möchten.

Obwohl die Anti-CETA-Populisten es noch so oft wiederholen: Mit Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung hat das nichts zu tun.

Es ist Ausdruck jenes nationalen Kleingeistes, den Linke normalerweise ihren rechten politischen Kontrahenten vorwerfen.

Umso beängstigender, dass so viele gebildete Menschen diesen Rattenfänger nachlaufen und zujubeln.

Auch wenn es Greenpeace, Global 2000, Attac, SPÖ und Grünen nicht gefallen mag:

Der internationale Handel hat den Menschen Freiheit und Wohlstand gebracht und einen Austausch von Kunst, Wissenschaft und Technik – nicht zuletzt zum Zwecke der Völkerverständigung. Wer sich ideologie- und angstfrei mit den Fakten befasst und intellektuell redlich ist, sollte das erkennen und zugeben, auch wenn es ihn kurzfristig Sympathiepunkte bei der eigenen Klientel kosten mag.

Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.

Böse Türkei..! Böse Türkei..?

Seit ein paar Tagen geistert ein Artikel durch die sozialen Netze.

Sein brisanter Inhalt:

Die Türkei würde Sex mit Kindern per Gesetz erlauben.

Das ist – so böse es auch klingen mag – reiner Blödsinn.

Tatsache ist vielmehr:

Das Schutzalter, also jenes Alter, ab dem ein Mensch mit einem anderen Menschen jeden Alters (ab dem Schutzalter aufwärts) legal Sex haben darf, beträgt in der Türkei laut Gesetz 15 Jahre.

Der einvernehmliche Sex von Menschen im Alter von 15 bis 12 Jahren soll nun per Gesetz legalisiert werden.

Ist das ein unmoralisches Vorhaben, über das sich etwa die Kronen Zeitung (sie schreibt am lautesten gegen dieses Verbrechen per Gesetz an) zu Recht empört?

Nein.

Denn in Österreich liegt das Schutzalter sogar niedriger, nämlich bei 14 Jahren.

Einvernehmlicher Sex ist hierzulande für Menschen ab dem Alter von 13 Jahren erlaubt, sofern der ältere der beiden Partner nicht mehr als drei Jahre älter, also maximal 16 Jahre alt, ist.

Man kann vieles an der Türkei kritisieren, z.B. die durch die Regierung Erdogan schrittweise unter Bedrängnis geratene Demokratie, die Art, wie der Präsident mit politischen Gegnern umgeht, welche Vorstellung von Pressefreiheit er hat und wie er auf Kritik an seiner Person reagiert.

Das „Strafrecht“ in Bezug auf das Thema „Sexualität“ hingegen eignet sich nicht für Kritik.