Griechischer Schein…

Nun ist es also doch passiert.

Die Griechen bzw. ihre Parlamentarier haben sich – Zeus sei Dank! – dafür entschieden, das Sparpakt anzunehmen, das ihnen die EU als conditio sine qua non für die Gewährung weiterer finanzieller Unterstützung vorgeschrieben hat.

Gut so.

Aber damit wird es wohl nicht getan sein. 

Um das zu erkennen, braucht man nicht erst das Orakel von Delphi befragen.

Viele (die meisten?) Griechen haben ein echtes Moral-Problem. Die Schuld an der jetzigen Misere ausschließlich einer „ausbeuterischen Oberschicht“ in die Schuhe zu schieben, die sich – auf Kosten der Allgemeinheit und somit der „kleinen Leute“ – bereichert hätte, ist verlogen.

Auch der „kleine griechische Mann“ und die „kleine griechische Frau“ wissen, wie sie ihren Staat und damit indirekt auch die europäische Gemeinschaft missbrauchen.

Zur Veranschaulichung:

Vergangenes Jahr verbrachte ich zusammen mit einem Freund zwei Wochen an der Südküste Kretas. Rund um den Ort, in dem wir uns niedergelassen hatten, sah es aus wie auf einer Müllhalde. Die Pfade durch Olivenhaine und Orangenplantagen waren gesäumt mit leeren Plastikflaschen, alten Autoreifen, Blechdosen und diversem anderen Mist.

Als ich einmal von der Terrasse unsers Apartments blickte, sah ich einen alten, nicht gerade wohlhabend scheinenden Griechen aus dem gegenüber liegenden Haus kommen. Er bemerkte den Flugzettel einer Partei (es waren gerade Wahlen), der in seinem Postkasten steckte, zog ihn heraus, zerknüllte ihn und warf ihn über den Zaun in das von Abfällen bereits übersäte Gestrüpp außerhalb seines Grundstücks.

Hinter mir die Sintflut.

Beim ersten Einkauf im „Minimarkt“ des Ortes besorgte ich drei Flaschen Rotwein, Brot, Oliven, Spagetti, aber kein Obst.

Auf der Rechnung ausgewiesen waren drei Positionen mit den Preisen der Weine, die mit „Frutos“ bezeichnet waren.

Ich gehe davon aus, dass beim Verkauf von Alkohol andere, nämlich höhere Steuern zu entrichten wären, als bei dem von Obst.

Die Besitzerin des Ladens – ganz offensichtlich keine reiche Supermarktketten-Inhaberin – beging also Abgaben-Betrug.

Als wir unser Apartment kurz vor der Abreise bezahlen wollten und einen Beleg dafür verlangten, stellte sich unsere Vermieterin zunächst dumm. Erst, als wir ihr klarmachten, dass wir nur dann bezahlen würden, wenn wir auch eine Rechnung bekämen, rückte sie diese heraus.

Auch diese Frau war keine reiche Villenbesitzerin.

Ich liebe Griechenland, das habe ich schon immer getan. In der Schule hatte ich neben Latein auch noch Altgriechisch, studierte nach der Matura Philosophie und schätze vor allem die Denker und Künstler der griechischen Antike.

Das Land, das am Anfang der europäischen Kulturgeschichte stand, mag auf eine lange Geschichte verweisen. Von seiner Kultur ist jedoch nicht allzu viel übrig geblieben. Da mögen die hoch polierten „antiken Stätten“, etwa die Akropolis von Athen, die wir in den Sujets der Griechenland-Werbung stolz vor Augen geführt bekommen, noch so sehr glänzen vom Ruhm vergangener Zeiten.

Das „wahre Sein“ hat in der Philosophie der klassisch-griechischen Metaphysik eine große Bedeutung.

Das heutige Griechenland dürfte sich stärker dem Schein zugewandt haben.

Seid umschlungen, Millionen!

Gerechtigkeit, was soll das sein? Moral, wie schreibt man das?

Der liebe Gott ist tot, nicht erst, seit Friedrich Nietzsche dies am Ende des 19. Jahrhunderts diagnostiziert hat.

Daher brauchen wir auch keine absolute Moral, die es ohnehin nicht gibt. Zumindest dann nicht, wenn darunter ein Mysterium verstanden wird, das aus dem Nichts (oder aus dem Himmel) auf uns nieder tröpfelt und auch noch den größten Egoisten auf geheimnisvolle Weise zum Märtyrer für die Allgemeinheit verwandelt.

Nein, so etwas wird es auch in Zukunft nicht spielen, weil jeder zuerst einmal an sich selbst denkt. Wie könnte es auch anders sein?

Wer heute für Gerechtigkeit bzw. für „das Gute“ eintritt, macht sich entweder großer Naivität schuldig, oder er setzt sich dem Verdacht aus, den eigenen Egoismus auf besonders subtile Weise verwirklichen zu wollen.

Hören wir auf, von einander etwas zu verlangen, das jeder von uns nur unter Androhung von Folter zu geben bereit ist.

Wie aber lässt sich die Welt dann überhaupt noch besser machen, wenn die Forderung nach Moral und Gerechtigkeit nicht greift, ja, gar nicht greifen kann?

Wir müssen einander umarmen – und das meine ich nicht im kitschig-kindlichen Sinn einer „Wir haben uns alle ganz toll lieb!“-Romantik.

Die Bösen dieser Welt, jene also, die das labile Gleichgewicht von Geben und Nehmen regelmäßig zu ihren eignen Gunsten verändern und permanent einen Überfluss auf ihrer Haben- und einen Mangel auf ihrer Sollen-Seite aufweisen, müssen und können nur mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden.

Die Möglichkeiten globaler Kommunikation, manifestiert im Web 2.0, machen aus allen Menschen Beteiligte des einen Projektes „Menschheit“ und somit zu potenziell Betroffenen jedweder Art von Verbrechen Einzelner an der Allgemeinheit.

Die Lügner, Diebe und Mörder dieser Welt, produzieren Gewinn für einige wenige (manchmal nur für sich selbst und ihre Familien), den Schaden, zumindest aber den Nachteil, nicht am Gewinn ihrer Gaunereien beteiligt zu sein, haben alle Anderen.

Diese Anderen, wir alle, die wir gerade nicht selbst lügen, stehlen und morden, neiden den Bösewichten ihren Erfolg – aus purem Egoismus. Und genau dieser Egoismus reicht aus, dass wir uns gegen die wenigen Verbrecher zusammenschließen.

Nicht aus Moralgründen werden wir moralisch und nicht um der Gerechtigkeit willen gerecht.

Es sind dieselben Motive, aus denen die Verbrecher handeln, durch die der Rest der Welt sich gegen sie empört und erfolgreich zur Wehr setzt.

Public going public

Es wurde aber auch langsam Zeit. 

Wer die Web 2.0-Entwicklung der letzten Jahre verfolgte und sich, aus beruflichen Gründen, nolens volens an der Nutzung diverser Applikationen beteiligte, musste immer wieder schmerzvoll feststellen: 

Hier gehen Redundanz und Trivialität eine perfekte Symbiose ein.

Die mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks jeden Tag um dieselbe Stunde auf Facebook publizierte „Information“, Person X oder Y wäre gerade „im Büro angekommen“, würde sich mal eben schnell „eine Tasse Kaffee“ holen oder hätte ein „tolles Wochenende“ hinter sich gebracht, konnte in ihrer gähnend langweiligen Unbedeutsamkeit nur noch durch die entsprechende Bebilderung übertroffen werden.

„Nein“, schrie da selbst der von High und Low Society-Shows und Illustrierten schon lange von der Hochkultur weg entführte Mensch innerlich auf, „dieser Schwachsinn interessiert mich nun aber wirklich überhaupt nicht..!“ um gleich darauf seufzend zur Kenntnis nehmen zu müssen: Das hält die Autoren solch niederschmetternd uninteressanter Botschaften keineswegs davon ab, sie weiter in die Welt zu setzen, als wären es Prophezeiungen, von deren allgemeiner Kenntnisnahme das Schicksal der gesamten Menschheit abhinge.

Nun, endlich! ist die Generation Web 2.0 aufgewacht.

Mit WikiLeaks und den kämpferischen Reaktionen ihrer Sympathisanten auf die Versuche der USA, die Enthüllungsplattform mundtot zu machen, zeigt sich die wahre Stärke dieser zugleich beängstigend und betörend anarchistischen Technologie sowie ihrer Anwender und Verteidiger:

Unterdrückung der Wahrheit durch „die da oben“ ist so nicht mehr möglich, wenn „die da unten“ sich das nicht gefallen lassen wollen. Und dass sie es sich nicht gefallen lassen wollen, tritt immer klarer zu Tage.

In einer Zeit, in der die so genannten Eliten aus Politik und Wirtschaft nicht nur klammheimlich hinter, sondern immer öfter und ungeniert auch vor den Kulissen intrigieren und gegen jene, in deren Auftrag und Interesse sie eigentlich tätig sein sollten, sämtliche Register der Macht ziehen, scheint es nicht nur aus demokratiepolitischen Gründen nötig, sondern auch aus moralischen Überlegungen heraus zulässig, diesem Treiben notfalls auch auf illegale Weise Einhalt zu gebieten.

Auf illegale Weise?

Soll das als Aufruf zu Gesetzesbruch und Gewalt zu lesen sein?

Wenn die USA legal (!) gegen ihr ungenehme Personen vorgehen, wie dies die neueste Attacke auf Twitter-User zeigt, stößt die Forderung nach gesetzestreuem Gehorsam gegenüber der Staatsmacht an ihre Grenzen.

Dass die USA gegen das Recht auf Meinungsfreiheit verstoßen, wenn sie WikiLeaks & Co. bedrohen, wird erst noch zu beweisen sein. Im Hintergrund läuft jedenfalls bereits die juristische Maschinerie auf Hochtouren, um der Enthüllungsplattform und ihren Anhängern Taten nachzuweisen, mit denen sie trotz oder gerade durch die Anwendung der Meinungsfreiheit gegen Gesetze verstoßen haben könnten.

Dass es hier aber nicht nur um die Frage der Legalität (oder Illegalität) der Ausübung von Meinungsfreiheit geht, zeigt ein wichtiger Gedanke, zu dem sich Thomas Jefferson, dritter Präsident der USA und wichtigster Autor der „Declaration of Independence“ von 1776 von seinem Ideengeber, dem englischen Philosophen John Locke (1632 bis 1704), hatte inspirieren lassen.

Im zweiten seiner „Two Treatises of Government“ schrieb Locke nämlich, dass schon alleine ein Vertrauensbruch durch die Regierung und nicht erst ein legaler Bruch des „original contract“, also des Vertrages zwischen Volk und Regierung, das Recht auf gewaltsamen Widerstand gebiert.

Weder Locke in seinem „Second Treatise“, noch Jefferson in der „Declaration“ führen näher aus, worin dieser Widerstand im Detail bestehen soll bzw. bestehen darf. 

Die Guerilla-Aktionen, mit denen die WikiLeaks-Fans weltweit für ihr Verständnis von Meinungsfreiheit kämpfen, sind vielleicht illegal. In der Art jedoch, wie sie die technischen Möglichkeiten der Generation Web 2.0 für ihr Ziel einsetzen, könnten sie kaum stimmiger sein:

Die Staatsmacht missbraucht ihren ursprünglichen Auftrag durch das gezielte (und vielleicht sogar als legal darstellbare) Beschneiden der Informations- und Meinungsfreiheit durch die versuchte Beeinträchtigung von deren Trägermedium und seiner Nutzer.

Das Volk begehrt dagegen auf und leistet Widerstand: durch Gegenangriffe mittels eben dieses Mediums, dem wichtigsten Mittel, auf das die Vertreter von Informations- und Meinungsfreiheit heute global zurückgreifen können.

Die Weltöffentlichkeit hat soeben begonnen zu begreifen, dass sie öffentlich werden muss.

Hokuspokus

Es ist hoch an der Zeit, mit einem zweifachen Missverständnis aufzuräumen, auf dessen Basis Heerscharen von selbst ernannten Heilsbringern ihre dubiosen Dienste anbieten.

Der erste Teil des Missverständnisses lautet:

Die moderne, auf (natur)wissenschaftlicher Methodik aufbauende Medizin würde den Menschen als Individuum missachten und ihn bloß unter dem Blickwinkel der Statistik behandeln, während die verschiedenen „alternativen“ Heilverfahren (Homöopathie, TCM usw.) diesem Fehler nicht erliegen würden.

Letztere nämlich, so das Credo ihrer Anhänger, würden jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit wahrnehmen und respektieren, auf seine Individualität gezielt eingehen und daher den direkteren Weg zum Patienten und seiner Heilung beschreiten.

Der zweite Teil des Missverständnisses lautet:

Die auf Naturwissenschaft beruhende Schulmedizin würde bloß „Symptome“ behandeln, die Alternativmedizin hingegen die „Ursachen“ bekämpfen und das Übel der Krankheit somit an der Wurzel packen.

Worin liegen nun aber die Missverständnisse?

Was die Kritik an der „Verallgemeinerung“ in Gestalt von Statistik betrifft, so lässt sich das leicht zeigen:

Jede Technologie, egal, ob es sich dabei um ein medizinisches oder anderweitiges Verfahren oder aber bloß um Zubehör zu einem solchen handelt, wurde kraft systematischer (wissenschaftlicher) Forschung entwickelt und auf ihre Tauglichkeit hin getestet.

Genau genommen ist auch gar keine andere Vorgangsweise möglich.

Das trifft natürlich auch auf das Finden des bestmöglichen Behältnisses zur Aufbewahrung von (z.B. homöopathischen) Arzneimitteln zu (etwa Glasfläschchen). Über Jahrzehnte, genauer: Jahrhunderte hat sich durch eine schier unendlich große Zahl an Versuchen mit verschiedenen Materialien eine – bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt – als am besten geeignete Art von Arzneimittelfläschchen entwickelt.

Natürlich könnte diese Art von Behältnis schon morgen durch eine neue ersetzt werden. Aber zum Nachweis, dass eine neue Zusammensetzung der Glasfläschchen sich für eine Konservierung der in ihr aufbewahrten „Medizin“ besser eignet als die bisherige, greift die „Glasfläschchen-Forschung“ (und kein Homöopath der Welt würde hier – schon aus Eigeninteresse! – einen Einspruch gegen ihre (natur)wissenschaftliche Methode erheben!) auf – richtig geraten! – Statistik zurück.

Es wäre absurd, sich dabei nur auf wenige oder etwa gar nur auf eine einzige, „individuelle“ und somit zufälligen Schwankungen unterliegende Fläschchen-Alternative zurück zu ziehen, die keiner systematischen Prüfung unter standardisierten Bedingungen und unzählige Male wiederholten Materialtests unterzogen wurde.

Behauptet die Homöopathie allen Ernstes, die Testverfahren ihrer Arzneimittel würden nicht nach statistischer Methodik durchgeführt?

Das kann und will ich nicht glauben (und meines Wissens nach ist das auch nicht der Fall).

Wenn das allopathische (so die Bezeichnung jener Stoffe, die chemisch nachweisbare Bestandteile einer Wirksubstanz beinhalten) Mittel nur bei einem bestimmten Menschen spezielle Symptome hervorruft, warum sollte sein homöopathisches Pendant dann zur Behandlung anderer Menschen heran gezogen werden, die diese Symptome aufweisen?

Was wäre, wenn nur wenige Menschen oder vielleicht nur ein einziger die bei diesen so genannten Arzneimittelprüfungen eintretenden Symptome aufweist, die Mehrzahl der anderen oder sogar alle anderen jedoch vollkommen andere Symptome, im Extremfall jeder der Probanden seine ganz eigenen?

Was passiert dann mit diesem „geprüften“ Mittel? Wird es verwendet und wenn ja, bei welchen Symptomen kranker Menschen?

Denn nun gäbe es – wenn die Statistik irrelevant ist und nicht auf sie und ihre Erkenntnisse zurück gegriffen werden darf – unendlich viele verschiedene Substanzen, die alle an jedem Patienten im Krankheitsfall erneut ausprobiert werden müssten.

Individualität des Patienten kann aber nicht bedeuten, dass bei ihm die Medizingeschichte wieder zu ihren Anfängen zurückkehrt und alle Verfahren und Arzneien der Menschheitsgeschichte in chronologischer Reihe ihres Auftauchens an ihm ausprobiert.

Denn das wäre eine unendliche Behandlungsgeschichte.

Die Realität sieht anders aus:

Jede Form von seriöser medizinischer Behandlung greift auf die Erfahrung unzähliger Fälle – also auf Statistik – zurück. In dem Maße, wie sie das tut, „verallgemeinert“ sie jeden noch so individuellen Fall, also den einzelnen Menschen, weil sie ihn nur durch Vergleichen mit einer Vielzahl ähnlicher Fälle behandeln kann. Denn bei diesen haben bei ähnlicher Symptomatik dieselben Medikamente ähnlich gute Wirkungen erzielt.

Wer das leugnet, muss, um sich selbst nicht zu widersprechen, ab sofort auf jede Technologie verzichten, die auf Basis naturwissenschaftlicher (und somit auch statistischer) Verfahren gewonnen und als funktionierend erkannt wurde – das Leben schützende Impfungen inklusive.

(Tatsächlich, und das sollte uns Angst machen, sind viele Anhänger alternativer Verfahren bereit, ihre Kinder gesundheitlichen Risiken auszusetzen, indem sie sich gegen Impfungen stellen – absurder Weise übrigens nicht selten auf Basis angeblicher Statistiken, die ihnen Recht geben würden…)

Kommen wir zum zweiten Missverständnis, nämlich jenem, das behauptet, „Schulmedizin“ würde nur „Symptome“ von Krankheiten, Alternativmedizin aber die „Ursachen“ dieser Krankheiten selbst behandeln.

Im Fall der Homöopathen trifft genau das, was sie gegen die Schulmedizin vorbringen, auf ihre eigene Lehre zu:

Tatsächlich orientieren sie sich nämlich ausschließlich an den Symptomen, fragen gar nicht nach den „darunter“ liegenden Ursachen, geben ihre Substanzen schlicht bei Vorliegen von „äußeren Erscheinungen“, gemäß der Annahme, die gleiche (similia similibus curentur) Substanz, die in normaler (nicht-homöopathischer) Dosierung diese Symptome auslöst, würde bei bereits Vorhandensein dieser Symptome bei Gabe in homöopathischer Dosierung die Auflösung der Ursachen bewirken.

Welche absurden Kausalannahmen (jenseits der unsinnigen Unterstellung, eine Substanz würde in unterschiedlicher Dosierung gegenteilige Effekte zeitigen – das wäre so, als würde man behaupten, ein Schlag auf den Kopf mit einem großen Hammer würde Schmerzen verursachen, ein Schlag mit einem kleinen Hammer hingegen bereits vorhandene Schmerzen lindern) liegen hier zu Grunde?

Kein Mediziner kann die letzte Ursache einer Erkrankung und somit bestimmter Symptome angeben, das trifft übrigens auf die Naturwissenschaft insgesamt zu. Aber er kann – und hier greift wieder die Statistik ein – in der (angenommenen) Kausalkette so weit wie möglich nach hinten schreiten und Vergleiche anstellen.

Jede Differenzialdiagnose in der Schulmedizin baut auf diesem (einzig sinnvollen) Verfahren auf: Hat der Patient, der wegen chronischer Schmerzen zum Arzt kommt, auch noch einen hohen Blutdruck? Nimmt er Medikamente? Hat er eine Entzündung? Und so weiter…

All diese Phänomene könnten – auf Statistik beruhend – die wahrscheinlichsten aller möglichen „Ursachen“ für seine Schmerzen sein.

Warum jemand aber beispielsweise hohen Blutdruck hat, kann verschiedene Ursachen haben. Aber was bedeutet „Ursache“ in diesem und in jedem anderen Zusammenhang in der Medizin?

Das gleichzeitige Auftreten von zwei Zuständen, wo bei gehäufter Kombination (und dem Verschwinden der „Wirkung“ bei Beseitigung der vermuteten „Ursache“) angenommen werden darf, dass es sich hier um eine Kausalbeziehung handelt.

Wann gilt eine „Ursache“ als beseitigt? Wenn ihre Wirkungen, also die Symptome verschwunden sind.

Mag sein, dass irgendwann neue Symptome auftreten, die als „krankhaft“ (weil mit Schmerzen oder Beeinträchtigung des Betroffenen einhergehend) angesehen werden.

Dann fängt das Spiel von vorne an.

Aber es basiert wieder auf systematischer, sich der Statistik bedienender, methodischer Forschung.

Zu behaupten, die alternativen Heilverfahren würden sich einer der Naturwissenschaft (in ihrer systematischen Verblendung) verborgenen Form der Erkenntnis bedienen, ist Schwachsinn.

Es ist die systematisch forschende (Natur-)Wissenschaft, die den Menschen nicht nur die Augen öffnet, sondern ihre Sehschärfe mit Mikroskopen, Teleskopen und angewandter Logik verbessert.

Die Alternativmedizin verheimlicht ihren naiven Anhängern (aus Geschäftssinn oder Ignoranz?) nicht nur, dass sie ihnen die Mikroskope, Teleskope und die Logik wieder wegnehmen möchte.

Sie verbindet ihnen zusätzlich auch noch die Augen.

It was the oil, stupid..!

Es klingt zynisch, aber mit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko tut sich ein so genanntes „window of opportunity“ auf.

Die verheerenden Folgen können jetzt noch gar nicht genau beziffert werden. Aber dass sich aus dem Schaden auch die Möglichkeit ergibt, der internationalen Erdöllobby das Wasser, besser gesagt: das Öl abzugraben, sollte nicht übersehen werden.

Gegen den Umstieg auf alternative Energiegewinnung wettern die Öligarchen (sic), dieser wäre zu teuer. Und das mag sogar, unter einer bestimmten Perspektive betrachtet, richtig sein.

Aber diese „bestimmte Perspektive“ implizierte bisher, dass die Rohölgewinnung – relativ – umweltfreundlich und weit entfernt von der kritischen Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit vonstatten ging.

Mit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat sich dies aber nun geändert. Die böse Seite der Ausbeutung der Natur hält den Menschen plötzlich ihre grinsende Fratze entgegen und ruft ihnen ihr „memento mori!“ zu: Wenn ihr so weiter macht, wird es bald vorbei sein – mit der Natur, mit euch, mit allem!

Grünparteien, Ökobewegungen und Alternativenergiedenker aller Herren Länder vereinigt euch!

So günstig wie jetzt war es noch nie, mit der Unterstützung der Weltbevölkerung einen globalen Umdenkprozess und Wandel in der Energiepolitik in Gang zu bringen. Damit wir schon morgen sagen können:

It was the oil, stupid..!

Mani pulite in bella Austria?

Als sich in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts die italienische Justiz zu umfassenden Untersuchungen – unter anderem – der illegalen Parteienfinanzierung aufschwang, führte das zum Ende der so genannten 1. Republik und zum Zusammenbruch der beiden wichtigsten Parteien: der „Democrazia Cristiana“ und des „Partito Socialista Italiano“.

In Österreich ist keine vergleichbare Aktion „saubere Hände“ geplant, denn der Verdacht der „illegalen Parteienfinanzierung“ steht nicht im Raum.

Aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb:

Was spricht dagegen, private Groß-Spender, die kaum aus reiner Sympathie für die ideologischen Positionen bestimmter Parteien tief in die eigene Tasche greifen, öffentlich zu machen?

Wer eine Partei wählt oder zu wählen beabsichtigt, sollte unbedingt das Recht bekommen zu erfahren, welche bzw. wessen Interessen diese Partei tatsächlich verfolgt.

Um als (potenzieller) Wähler einer Partei nicht in Gefahr zu geraten, die sprichwörtliche Katze im Sack zu kaufen, reicht die Veröffentlichung des Programms auf der Website der jeweiligen Partei nicht aus.

Wenn Parteien nichts Unmoralisches (dass es nichts Illegales ist, setzen wir als selbstverständlich voraus) beabsichtigen, dürfte es für sie auch kein Problem sein, ihre privaten Unterstützer allen ihren (potenziellen) Wählern zu nennen.

Nur allen (potenziellen) Wählern?

Nein!

Allen Bürgern dieses Staates.

In einer Demokratie sollte das legitim sein.

Denn nicht nur jene, die es sich leisten können oder wollen, bestimmte Parteien freiwillig mit Geld zu versorgen, weil sie sich entsprechende Gegenleistungen (etwa in Form genehmer Gesetze oder Regelungen) erwarten und / oder  jene Menschen, die diese Parteien wählen, zahlen über den Umweg von Steuern in deren Töpfe ein.

Nein, das tun alle Bürger dieses Staates.

Weil das in einer Demokratie legitim ist.

Gute Menschen & das Glück

Soeben sind meine beiden Bücher

„Gut Mensch“ (Goldegg Verlag) und

„Glück“ (facultas.wuv)

erschienen.

ZUM INHALT von „Gut Mensch“

„Gut Mensch“ ist eine allgemein verständlich geschriebene Abhandlung über Ethik, sprich: Moralphilosophie.

Zunächst werden die für das Thema wichtigsten Grundbegriffe wie z.B. „Freiheit“, das „Gute“, „Sollen“ erläutert. Anschließend gehe ich auf die bekanntesten Versuche ein, Moral zu begründen, unter Rückgriff auf „Gott“, die „Natur“, das „Gewissen“ usw. Diesen eher allgemeinen Ansätzen folgt eine Darstellung der wichtigsten „klassischen Positionen“, von Aristoteles über Kant und den Utilitarismus (Bentham, Mill) bis hin zur Diskursethik (hier: nach Habermas) und dem interessenbasierten Ansatz von Norbert Hoerster.

Die letzten sechs Kapitel von „Gut Mensch“ diskutieren die aus meiner Sicht spannendsten Themenkomplexe der so genannten „angewandten Ethik“. Dies sind unter anderem „Bioethik“, „Tierethik“ und „Wirtschaftsethik „.

ZUM INHALT von „Glück“:

„Glück“ ist kein Ratgeber im üblichen Sinne, sondern eine kulturhistorische Abhandlung: Was haben antike Mythologie, Märchen und Volkssagen, was Theologie, Philosophie und politische Theorie, was Psychologie und Glücksforschung zum Thema „Glück“ herausgefunden?

„Glück“ ist Teil einer aus zehn Bänden bestehenden und von Konrad Paul Liessmann heraus gegebenen Reihe mit dem Titel: „Grundbegriffe der europäischen Geistesgeschichte“. Weitere Bände aus dieser Reihe sind etwa „Freiheit“, „Gerechtigkeit“, „Macht“, „Wahrheit“, „Tod“.

Sprachloser Sturzflug

Was die Leistungen bzw. Nicht-Leistungen des AUA- sowie ÖIAG-Managements rund um den geplanten Verkauf der österreichischen Airline betrifft, so mögen diese von Wirtschaftsexperten beurteilt werden.

Zur Kommunikationsstrategie möchte ich aber doch gerne etwas anmerken:

Sie ist schlichtweg unprofessionell.

Die Wiener Börse teilte heute früh mit, dass die AUA-Aktien vorübergehend vom Handel ausgesetzt seien. Die offizielle Begründung: Eine „wichtige Mitteilung“ stünde bevor. Der wahre Grund dürfte aber viel eher darin liegen, dass die Aktien der Fluglinie gerade eben mehr als 30 Punkte verloren haben.

Ausgelöst wurde der rasante Kurs-Sturzflug wahrscheinlich durch den Doppel-Absprung mit dem Notfallschirm von Air France-KLM und der russischen S7. Ein weiterer Interessent an dem mit 900 Mio. Euro schwer verschuldeten Unternehmen, die Lufthansa, hat, auch wenn es wie ein böser Scherz klingt, verlauten lassen, den Kauf bestenfalls um einen einzigen symbolischen Euro zu tätigen. Die nun, wie es scheint ernsthaft (!), angedachte Alternative, den Staat einspringen zu lassen, klingt wie ein Hohn: Eine Fluglinie kauft sich selbst.

Wer die heutige Mitteilung zur AUA avisiert hat, ob das Management der Airline selbst oder gar die Holding ÖIAG, war nicht zu erfahren. Keiner der beiden wusste etwas von einer „wichtigen Mitteilung“. Schlimm genug, denn eigentlich müssten ja beide darüber zu berichten haben. Die aktuelle Situation kommentieren wollte man dann – erwartungsgemäß – auch nicht.

Schweigen, Mauern, geheimnisvolle Andeutungen –

Willkommen in der Provinzposse mit Namen „Österreich“..!

Die Frist für verbindliche Offerte mit Preisangabe läuft übrigens noch bis morgen, Freitag.

Vielleicht findet sich ja doch noch irgendein reicher Scheich, der „unserer“ AUA ein bisserl wohler gesonnen ist als der letzte und es schafft, sie wieder in luftige Höhen zu bringen.

Flieg Vogel, flieg…

Kreisverkehr

„Ich bin draufgekommen, dass es in meinem Leben Sachen gibt, die wichtiger sind, als mit dem Auto im Kreis zu fahren.“ Mit diesem in die Sportgeschichte Österreichs eingegangenen Sager beendete Niki Lauda am 28 September 1979 in Montreal seine Karriere als Formel 1-Pilot.

(Dass er zwei Jahre später wieder im Cockpit saß, tut hier nichts zur Sache.)

Seit heute Vormittag, 9:33 Uhr, blickt die ganze Welt Richtung Genf. Im CERN, einem physikalischen Grundlagenforschungszentrum, wurde ein Protonenstrahl auf die Reise geschickt: Auf eine „Fahrt“ durch einen 27 km langen, kreisförmigen Tunnel.

Der Teilchenbeschleuniger, wie das technische Monstrum auf Deutsch heißt, soll – nebst ein paar anderen wichtigen – diejenige Frage klären, ob das so genannte Higgs-Boson, ein bisher in seiner Existenz bloß postuliertes Elementarteilchen, tatsächlich existiert. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik benötigt das „Higgs“, um den übrigen Teilchen Masse zu verleihen.

Und wozu brauchen wir das? fragen Zweifler an der Sinnhaftigkeit des enormen, nicht zuletzt finanziellen Aufwandes für die Suche nach einem, falls denn überhaupt vorhandenen, klitzekleinen Teilchen. Wäre das Geld nicht besser eingesetzt, wenn damit der Hunger in der Welt verringert, die medizinische Versorgung der Bewohner armer Länder ausgeweitet oder zumindest ihre Ausbildungsmöglichkeiten verbessert würden?

Abgesehen von der nicht gerade unbedeutenden Tatsache, dass ein nicht gefundenes Higgs-Boson das aktuelle physikalische Weltbild zum Einsturz und Physiker aller Herren Länder dazu bringen würde, Haare raufend nach einem neuen Modell zu suchen, wäre der unmittelbare Nutzen für Otto Normalverbraucher auf den ersten Blick wirklich nicht ersichtlich.

Aber so ist das nun einmal mit der Wissenschaft: Die meisten von uns, die wir vielleicht (noch) nicht verstehen, worum es bei solch anspruchsvollen Experimenten überhaupt geht, werden früher oder später von ihren Ergebnissen und den daraus abgeleiteten Anwendungen profitieren. Das zumindest zeigt die bisherige Wissenschafts- und Technikgeschichte der Menschheit – trotz aller Negativa, die der Fortschritt mit sich gebracht hat und wohl auch in Zukunft mit sich bringen wird.

„Kein Nutzen ohne Schaden“ lautet das entsprechende Credo all jener, die das Glas des menschlichen Wissens und Könnens lieber halb voll sehen möchten als halb leer.

Dass die geplante Kollision der Elementarteilchen auch Licht in den „Ursprung des Universums“ bringen könnte, ist ungleich spannender und sollte auch von Nicht-Physikern in ihrer Bedeutung für das Selbstverständnis der Menschheit nicht unterschätzt werden.

Es gibt also tatsächlich „Fahrten im Kreis“, die ziemlich wichtig sind.

Netz-Café

Der Duft frisch gebrühten Kaffees und verführerisch leckerer Mehlspeisen liegt in der Luft. Papier knistert in den Händen schweigend in ihre Lektüre vertiefter Gäste. Hier und da ein Lachen, ein paar Wortfetzen, die sich mit dem „Klink-Klink“ abwechseln, das vom Schlagen eines Mokkalöffelchens oder einer Gabel gegen Tassen und Teller gleichsam aus dem Nichts in den Raum hinein erfunden wird.

Die Atmosphäre eines echten Wiener Kaffeehauses lässt sich nicht künstlich erzeugen oder virtuell nachbilden. Das Gefühl, eine Zeitung aus „Fleisch & Blut“, also aus Papier & Druckerschwärze, in Händen zu halten, ihren Geruch tief in sich einzusagen, vor und zurück zu blättern, ist einzigartig. Hier stößt unsere atemlose, beinahe unentrinnbar schnelle Gegenwart an die Grenzen eines geheimen Reiches freiwilliger Langsamkeit – und prallt an ihr ab.

Wenn ich gefragt werde, was ich an Wien liebe, so muss ich nicht lange nachdenken. Und dennoch gestehe ich: Auch ich kann der modernen Zeit nicht ganz entrinnen, will es auch nicht, da es einiges zu entdecken gibt im weltweiten elektronischen Netz, das es lohnt, „fremd zu gehen“.

Mein „Liebling“ ist

www.zeit.de

die Online-Version der wohl umfangreichsten Zeitung im deutschsprachigen Raum. Nicht, dass die „echte“ Zeit auch nur ansatzweise durch ihre kleine, elektronische Schwester ersetzt werden könnte. Aber immer wieder findet der ziellos umher flanierende Leser Geschichten, Hintergründe, Analysen und Schwerpunkte, die es rechtfertigen, sich hier auf zu halten. Übrigens: Ich glaube, mein „Apple“, mit dem ich mir die „Zeit“ von Zeit zu Zeit ins Haus hole, wiegt nur unmerklich weniger als die Originalausgabe aus Papier…

derstandard.at

ist bestimmt eine der attraktivsten „Seiten“ des Internet – aus Österreich. Informationen, Hintergrundstorys, Kommentare – wenn der Papier-„Standard“ nicht so gut in der Hand läge und sich durch seine lachsfarbene Andersartigkeit vom Rest der heimischen Medienwelt abheben würde, wäre ich versucht, zu sagen: Mir genügt die Internet-Version. Die kann ich weltweit lesen und fühle mich sofort zuhause – mit allen Vor- und Nachteilen dieser multimedialen „Heimatverbundenheit“…

teletext.orf.at und www.orf.at

Na klar, das musste ja kommen. In einem Land, wo der ORF – trotz diverser in- und ausländischer „Privater“ – nach wie vor ein fragwürdiges Monopolistendasein führt, komme auch ich nicht ganz umhin, mich seiner Angebote zu bedienen. Die Farbcodierung der ORF-Site ist einfach praktisch, das lässt sich nicht leugnen. Wer mehr, sprich: tiefer gehende Informationen sucht, darf hier natürlich nicht Halt machen. Die Online-Version des Teletext hat den Vorteil, dass sie knapp, also prägnant daher kommt und eine höhere Aktualität in kürzerer Zeit erreicht, sprich: Hier erfahre ich ziemlich am schnellsten, was sich in den letzten Minuten verändert hat. Wahrscheinlich liegt das daran, dass die „copy/paste“-erfahrenen Redakteure zwei Browserfenster neben einander offen haben: Ihr eigenes und dasjenige der APA…

Zurück ins „Ausland“:

Mit der elektronischen Version der „Neuen Zürcher“

www.nzz.ch

sympathisiere ich vor allem wegen der „Dossiers“ und Hintergrundberichte. In Zeiten, wo die Geschwindigkeit von Sein und dem darüber Nachdenken erschreckende Ausmaße annimmt, finde ich es anziehend anarchistisch, wenn ein Online-Medium wagt, Texte ins Netz zu stellen, für deren Lektüre man länger braucht, als für den Verzehr einer Mozartkugel – oder meinetwegen eines einzelnen Gipfels einer Toblerone…