Europa wählen

Nein, es geht hier nicht um die EU-Wahlen respektive Wahlen zum Europäischen Parlament. Die liegen nämlich noch nicht so lange zurück (2024).

Es geht darum, was jedes europäische Land, nicht nur jeder EU-Mitgliedsstaat, wählen sollte: Europa.

Das heißt in Zeiten von geopolitischen Verwerfungen eines Ausmaßes, wie es sie seit fast 100 Jahren nicht mehr gegeben hat, sich dafür zu entscheiden, Europa in den Mittelpunkt zu stellen.

In erster Linie bedeutet das – leider -, dass die europäischen Staate nicht nur in ökonomischen Fragen, sondern auch in solchen der Verteidigungspolitik näher zusammenrücken müssen, viel näher.

Denn wenn sie das nicht tun, werden sie irgendwann unter die Räder kommen – und das werden auch die Räder von Militärfahrzeugen sein.

Wir haben uns zu lange darauf ausgeruht, vom Cousin aus Übersee beschützt zu werden. Der Gründungsmythos dieser bedingungslosen Liebe der USA zu Europa war deren Kampf gegen den Nationalsozialismus und die Hilfe beim Wiederaufbau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Doch ganz egal, wie hoch man den Anteil des Altruismus an diesem Einsatz auch bewerten mag, die Vereinigten Staaten unter dem Präsidenten Donald Trump haben kein Interesse mehr an Europa, zumindest nicht in dem Sinne, wie wir, die Europäer, das gerne hätten.

„America first!“ war nicht bloß ein markiger Werbespruch im Wahlkampf, Donald Trump ist, wie die ersten Wochen seiner Amtszeit beweisen, tatsächlich gewillt, sein Land radikal umzubauen – selbst wenn das, was er noch nicht verstanden hat, in vielen Fällen zum Schaden eben dieses Landes gereichen dürfte.

Zurück zu Europa.

Wir müssen uns endlich von der Illusion emanzipieren, mit den USA rechnen zu können, sobald uns geopolitisch kalter Wind entgegen bläst.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist das dramatischste Beispiel.

Europa muss sich besser ausrüsten – und das heißt: militärisch aufrüsten.

Notfalls auch mit Nuklearwaffen, so tragisch das im Jahr 2025 auch sein mag.

Wir müssen uns darauf einstellen, unsere Freiheit und alles, was daran hängt, selbst zu verteidigen.

Farewell to USA

Nun haben wir also Donald Trump als neuen Präsidenten der USA.

Was das im Detail bedeutet, wird sich erst nach den fünf Jahren seiner Amtszeit endgültig beurteilen lassen. Doch bereits die ersten Schritte, die der neue Chef an der Spitze des mächtigsten Landes der Welt durch seine mit einem dicken schwarzen Filzstift unterfertigten Dokumente gesetzt hat, lassen manche Politiker in Europa die Zähne zusammenbeißen.

Wie geht es geopolitisch weiter, wie mit der Weltwirtschaft?

Dass Trump nicht lange herumfackelt, hat er bereits durch die umgehende Androhung von Zöllen bewiesen, die er auch gleich in Kraft setzte oder setzen möchte, wenn Jene, für die sie bestimmt sind, seinen Wünschen oder besser gesagt: Anordnungen nicht Folge leisten.

Ob das unterm Strich nur den Adressaten dieser Maßnahmen schadet oder nicht doch auch den USA selbst und ihren Bürgern, sei dahingestellt.

Freier Handel war und ist eine Quelle von Wohlstand weltweit, ihn zu beschränken ist keine gute Idee.

Wie steht es mit den Plänen Trumps, Europa mit seiner Sicherheitspolitik ins Erwachsenenalter, sprich: in die Eigenverantwortung zu entlassen?

Das könnte, sollte und muss man etwas differenzierter betrachten.

Auf den ersten Blick ist es ein Schock für den seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mehr oder weniger durchgehend mit Frieden verwöhnten Kontinent.

(Die Kriege auf dem Balkan waren die einzige ernsthafte Unterbrechung einer langen Periode mehr oder weniger friedlichen Zusammenlebens in Europa seit 1945.)

Nun will Trump sich weniger einmischen, soll heißen: den Europäern dabei helfen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen.

Das klingt schlimmer als es ist, denn nur naive Gemüter konnten bisher davon ausgehen, dass die USA Menschen und materielle Ressourcen zur Verfügung stellen, wann immer Europa in Not gerät.

Wir müssen lernen, uns selbst um unsere Angelegenheiten zu kümmern, das bedeutet auch, mehr Ressourcen in die europäische Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur zu investieren.

Dass wir das auf so direkte, ungeschönte Weise erfahren müssen, wie durch die klaren Worte von Donald Trump und seinem Team, mag nicht sehr angenehm sein, dass wir uns endlich von den USA emanzipieren müssen, ist jedoch unvermeidlich und war es wohl schon lange.

Der ehemals große Bruder hat anderes zu tun, es ist an der Zeit, endlich selbst groß zu werden.

Aus gebildet

Nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen von ÖVP, SPÖ und NEOS sowie jenen von ÖVP und SPÖ verhandeln nun die ÖVP und die FPÖ.

Ein wichtiges Thema dabei:

Das Budget muss saniert werden.

Um das zu erreichen, wird laut über Einsparungsmöglichkeiten nachgedacht.

Ein Posten, auf den es die beiden Parteien dabei abgesehen haben ist die sog. „Bildungskarenz“. Sie soll fallen, weil sie sich angeblich nicht bewährt, sprich: mehr Kosten als Nutzen gestiftet hat.

Es ist wenig überraschend, dass vor allem linke Organisationen mit der Ankündigung der beiden Parteien ein Problem haben.

Ein Aus für Weiterbildungsmaßen, mit denen Menschen ihre berufliche Situation verbessern könnten, geht gar nicht, noch dazu in einem Land wie Österreich, das Bildung eigentlich einen hohen Stellenwert zuschreibt.

Doch wer sich an den Bericht des Rechnungshofs erinnert, kann dieser Argumentation nicht uneingeschränkt zustimmen.

Die wichtigsten Punkte:

+) Die Bildungskarenz wurde vor allem von Frauen genutzt – und zwar zu einer Art Verlängerung der Karenz.

+) Kurse wurden eher von Menschen besucht, die ohnedies bereits über ein hohes Bildungsniveau verfügen.

+) Viele der angebotenen (und auch gebuchten) Kurse standen in keiner nachvollziehbaren Relation zur bisherigen beruflichen Tätigkeit und ließen auch beim besten Willen keine Möglichkeit erkennen, für eine Qualifizierung zur beruflichen Weiterentwicklung beizutragen.

Wozu braucht ein AHS-Professor für Mathematik und Physik einen Englischkurs?

+) Die Kontrolle der Sinnhaftigkeit sowie des Erfolgs der angebotenen Weiterbildungsmaßnahmen ließ bisher stark zu wünschen übrig.

Die Details findet man hier:

https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/2023_11_Bildungskarenz.pdf

Wer es prinzipiell bedauert, dass die Möglichkeit zur Weiterbildung während einer Art Auszeit vom Beruf fällt, sollte sich der Kritik des Rechnungshofs stellen – und Vorschläge dafür in die öffentliche Debatte einbringen, wie eine sinnvolle und faire Alternative zu der bisherigen Version einer Bildungskarenz aussehen könnte.

Waidmannsheil!

Ein Blattschuss.

Und der (wahrscheinliche) Jäger ist zugleich das Wild.

Dem – mittlerweile – ehemaligen Chef der Tiroler SPÖ, Georg Dornauer, ist etwas gelungen, das nicht Viele zustande bringen:

Er hat sich selbst erlegt.

Wir erinnern uns:

Vor ein paar Jahren vergaß Dornauer sein Jagdgewehr mit Magazin im Porsche – bei geöffnetem Fenster.

Das brachte ihm ein Waffenverbot ein.

Lassen wir einmal die Frage beiseite, ob es sich geziemt, dass ein SPÖ-Politiker mit dem Porsche fährt, und auch jene, ob ein solcher mit einer eher nicht linken italienischen Parlamentsabgeordneten (Alessia Ambrosi) liiert sein sollte.

Sehen wir ebenso großzügig darüber hinweg, dass er mit dem immer noch wohlhabend lebenden Pleitier René Benko im Wald zusammen unterwegs ist.

Aber dass Dornauer bei diesem „Ausflug“ jagen war und (wahrscheinlich) ein Wild erlegt hat, geht sich einfach nicht aus.

Dass er so rein gar nicht versteht, dass er etwas Unrechtes getan hat, überrascht bei der oben skizzierten Persönlichkeit nicht weiter.

Hoffentlich nimmt die SPÖ die Sache nicht ganz so locker und startet keine Wiederbelebungsversuche für ihren der eigenen Arroganz zum Opfer gefallenen Politiker.

Wie wäre es mit einem Dreier?

Die Nationalratswahl ist geschlagen, erstmals hat die FPÖ den ersten Platz erreicht, mit knapp unter 30 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Das darf, nein, muss uns zu denken geben.

Je nachdem, wo man sich selbst weltanschaulich einordnet, kann man das Ergebnis als Auftrag der Wähler interpretieren, der FPÖ den Kanzler zu geben (mit Ausnahme der NEOS haben alle anderen relevanten Parteien im Parlament Stimmen verloren), oder genau das nicht zu tun („Die Mehrheit der Menschen hat die FPÖ eben NICHT gewählt.“).

Sowohl ÖVP als auch SPÖ haben sich vor der Wahl darauf festgelegt, die ÖVP hat dies sogar erst unlängst, also nach der Wahl, erneut ausgesprochen: Eine Koalition mit der FPÖ unter Herbert Kickl wird es mit ihr, der Volkspartei, nicht geben.

Dass Herbert Kickl in die zweite Reihe zurücktritt, jetzt, wo er die FPÖ zum besten bundesweiten Wahlergebnis seit ihrem Bestehen geführt hat, ist auszuschließen.

Würde die ÖVP ihren Chef, Noch-Kanzler Karl Nehammer, in die Wüste schicken, um eine Koalition mit den „Blauen“ realisieren zu können?

Ich persönlich bezweifle das und zwar deshalb, weil Nehammer solide arbeitet und den Eindruck erweckt, weiterarbeiten zu wollen, wenn man ihn läßt.

(Nach den Turbulenzen rund um Nehammers Vorgänger als Parteichef und Bundeskanzler, Sebastian Kurz, liegt dies wahrscheinlich im Interesse der ÖVP.)

Wäre die SPÖ bereit, ihren Chef, Andreas Babler, abzusetzen, um ihrerseits mit der FPÖ in eine Regierung einzutreten?

Das halte ich zwar für wahrscheinlicher, weil Babler nach meiner Einschätzung (zu Recht) nicht halb so fest im SPÖ-Sattel sitzt wie Nehammer in jenem der ÖVP.

Doch ob die SPÖ wirklich willens ist, mit ihrem ideologischen Lieblingsfeind zusammenzuarbeiten?

Schwer vorstellbar.

Bleibt die Option einer Dreierkoalition.

Meine eigene Präferenz bestünde in einer solchen, bei der die NEOS der Dritte im Bunde wären.

Das hätte den Vorteil, dass diese nicht nur unter Beweis stellen könnten, was sie – erstmals in einer Bundesregierung – zusammenbringen, z.B. im Bildungsressort.

Es könnte außerdem den Klassiker „Große Koalition“ mit frischem Wind versorgen und, da die NEOS wirtschaftspolitisch näher bei der ÖVP, gesellschaftspolitisch jedoch näher bei der SPÖ angesiedelt sind, eine Art interner Kontrollinstanz für die beiden Großparteien installieren.

Land unter

Bisher kannten wir Katastrophen wie jene, die derzeit Teile von Österreich aufgrund starker, mehrere Tage andauernder Regenfälle heimsucht, nur aus dem Fernsehen.

Doch jetzt trifft es uns.

Das macht Angst, weil es zeigt, wie verletzlich wir doch sind, trotz unseres Wohlstands und unseres hohen zivilisatorischen und technologischen Niveaus.

Die ernüchternde Lehre:

Vor der Urgewalten der Natur ist niemand sicher, zumindest sollte man sich nie zu sicher sein.

Ob die aktuellen Überflutungen das Ergebnis des Klimawandels sind oder nicht, diese Frage ist bestimmt wichtig, derzeit aber von eher akademischer Bedeutung.

Im Moment sollte es nämlich oberste Priorität sein, jenen Menschen zu helfen, die durch das Wasser ihre Existenzgrundlage verloren haben.

In einem nächsten Schritt wäre es wichtig, bauliche Maßnahmen zu setzen, die unser Land für künftige ähnliche Katastrophen besser schützen. Das könnten zum Beispiel diverse Dämme sein.

Doch natürlich darf und soll man, sobald diese ersten beiden Punkte in der oben skizzierten Reihenfolge abgearbeitet worden sind, auch darüber nachdenken, wie wir den von Menschen gemachten Anteil am Klimawandel so niedrig wie möglich halten.

Das sollte und kann man auch Klimawandel-Skeptikern verklickern:

Selbst wenn wir nur zu einem kleinen Teil schuld am Klimawandel sein sollten, diesen Anteil noch weiter abzusenken, kann kein Nachteil sein.

Ein Y für ein X vormachen?

Imane Khelif hat die Goldmedaille im Weltergewicht im Boxen bei den Olympischen Spielen 2024 in Frankreich errungen – bei den Frauen.

Bereits vor dem Sieg hat sich eine Debatte darüber entzündet, ob Khelif zu Recht im Frauenbewerb hätte antreten dürfen.

Im März 2023 wurde Khelif bei der Box-WM drei Tage nach ihrem Sieg gegen die bis dahin ungeschlagene Russin Azalia Amineva vom Wettkampf ausgeschlossen und rückwirkend disqualifiziert.

Über die damals durchgeführten Tests bzw. deren Ergebnisse weiß niemand so wirklich bescheid.

Spekuliert wurde darüber, dass bei Khelif zu hohe Testosteronwerte und / oder XY-Chromosomen festgestellt worden wären.

Die Unterstützer des Antritts von Khelif bei den Olympischen Spielen 2024 begründen ihre Position damit, dass Khelif – ihrer Vermutung nach – mit weiblichen Geschlechtsorganen geboren und von ihren Eltern als Mädchen aufgezogen worden sei. Somit sei Khelif eine Frau und als solche dürfe SIE selbstverständlich in Frauenbewerben antreten.

Mir scheint diese Argumentation problematisch.

Natürlich weiß ich nicht, worum es sich bei Imane Khelif phänotypisch und genotypisch handelt.

Die These, Khelif wäre zwar mit XY-Chromosomen geboren, aufgrund einer genetischen Störung jedoch mit weiblichen Genitalien zur Welt gekommen und könnte daher als „intersexuell“ bezeichnet werden, scheint mir plausibel.

Doch macht dies Khelif zur Frau und berechtigt es „sie“, als Frau an Wettbewerben mit anderen Frauen teilzunehmen?

Jenseits von ideologisch aufgeladenen Diskussionen zwischen dem konservativen Lager, das auf der binären Weltsicht, es gibt nur zwei biologische Geschlechter, besteht, und dem linksliberalen Lager, das darauf pocht, dass nicht nur das soziale, sondern auch das biologische Geschlecht eine komplexe Angelegenheit zu sein scheint, benötigen wird klare Kriterien, um Fairness im Wettkampfsport zu ermöglichen.

Wenn es nach mir ginge, dürfte Imane Khelif nicht bei den Frauen antreten, wenn „sie“ mit XY-Chromosomen geboren wurde, wobei es für mich unerheblich ist, wie Khelif selbst sich sieht bzw. als was die beiden oben genannten weltanschaulichen Lager Khelif sehen mögen.

Die Träger von XY-Chromosomen sind statistisch betrachtet Trägern von XX-Chromosomen bezüglich der für den Wettkampfsport relevanten Anatomie (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer) überlegen.

Es mag Imane Khelif ungerecht erscheinen, nicht bei Frauenbewerben antreten zu dürfen, doch diese vermeintliche oder tatsächliche Diskriminierung wird aus meiner Sicht dadurch überwogen, dass es für die überwiegende Mehrzahl der in den Frauenbewerben antretenden Individuen unfair wäre, wenn sie gegen XY-Träger kämpfen müssten.

Denn für sie alle reicht eine einzige Person mit diesen Charakteristika aus, um ihre Chancen gleichsam auf Null zu reduzieren.

Aren’t you a little trigger happy?

Das Attentat auf den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ist völlig inakzeptabel – und das kann und sollte man auch dann sagen, wenn man Trump für einen gefährlichen Mann hält.

In einem demokratischen Rechtsstaat, und das sind die USA nach wie vor, auch wenn man es manchmal bezweifeln könnte, müssen Fragen, auch jene, wer an die politische Macht kommt, auf demokratische Weise beantwortet werden.

Es ist schwer vorherzusehen, was Trump außenpolitisch tun bzw. nicht tun würde, falls er zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt werden sollte. Dass weder die Welt noch die USA untergehen würden, darf man zwar getrost annehmen.

Aber vielleicht wären es keine guten Jahre für die Welt.

Ob die USA sich tatsächlich am Rande eines Bürgerkriegs bewegen, ist nicht ganz klar.

Einerseits gibt es extreme Vorfälle (z.B. den Sturm auf das Kapitol 2021 und eben das Attentat auf Trump 2024) an den politischen Rändern, wo der Extremismus zuhause ist. Andererseits ist die gesellschaftliche Mitte wahrscheinlich immer noch nicht wirklich daran interessiert, ihre Lebensweise (und dazu gehört auch die Freiheit in einem liberalen demokratischen Rechtsstaat) für eine Auseinandersetzung aufzugeben, die eher von Emotionen als von realen Problemen getrieben wird.

Es ist ironisch, dass ausgerechnet Donald Trump beinahe ein Opfer von Gewalt geworden wäre, nachdem er diese Gewalt – wenn auch auf Seiten seiner Anhänger – selbst heraufbeschworen hat.

Gut für Trump, gut für die USA und nicht zuletzt auch gut für die Welt wäre es, wenn der nächste US-Präsident, ganz egal, wie er heißen und aus welchem politischen Lager er stamme möge, Gewalt nur mehr dort zulässt, wo sie der Selbstverteidigung dient.

Der Verlust einer demokratischen Wahl gehört nicht dazu.

Was folgt wem?

Damals ging ein Aufschrei durch die Reihen aller tendenziell eher linken bzw. linksliberalen Parteien und vieler Medien.

Der Grund:

Das Recht habe der Politik zu folgen und nicht umgekehrt, meinte Herbert Kickl, seinerzeit FPÖ-Innenminister in der ORF-Sendung „Report“ vor ziemlich genau fünf Jahren rund um das Thema „Asyl“.

Nun wiederholt sich die Geschichte, wenn auch mit anderen Farbvorzeichen:

Umweltministerin Leonore Gewessler von den Grünen hat dem EU-Renaturierungspakt zugestimmt.

Nun kann man dem Anliegen, dass wir etwas für die Umwelt tun sollten und dies nur auf übernationaler Ebene sinnvoll, weil wirkmächtig sein dürfte, durchaus zustimmen.

Dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack, wenn man sich ansieht, wie die Zustimmung der Ministerin zustande kam.

Hätte sie der Regel „Die Politik hat dem Recht zu folgen.“ entsprochen, wäre dieser Alleingang eigentlich nicht möglich gewesen.

Zwar wiegen sich die Grünen in Sicherheit, weil jene juristischen Experten, die sie beauftragt haben, Rechtsgutachten zu erstellen, der Ministerin grünes Licht für ihre Aktion gegeben haben.

Dennoch sähe – so interpretieren es diverse andere Rechtsexperten – die Verfassung vor, dass Gewessler ihr Vorgehen mit anderen davon betroffenen Ministern und den Bundesländern vorab hätte abstimmen müssen.

Noch einmal:

Es geht hier nicht um die Frage, ob der EU-Renaturierungspakt richtig und wichtig ist oder nicht.

Es geht darum, ob die Handlungsweise der Umweltministerin den demokratischen Spielregeln entspricht.

Es grünt so grün…

Die Grünen haben ein Problem.

Ganz egal, ob an den Vorwürfen rund um ihre EU-Spitzenkandidatin etwas dran ist oder nicht, so, wie die Parteispitze bei ihrer Pressekonferenz am 8. Mai das getan hat, kann man mit Vorwürfen nicht umgehen.

Lassen wir einmal die Formulierung „anonymes Gemurkse und Gefurze“ von Parteichef Werner Kogler außen vor.

Professionelles Krisenmanagement sieht anders aus.

Was auch immer Lena Schilling tatsächlich gesagt oder getan hat, entweder es ist wahr oder nicht.

Wenn das, was der „Standard“ unter Berufung auf anonyme Quellen behauptet, unwahr ist, müsste Lena Schilling dagegen klagen und erst dann dürften sich ihre Kollegen von den Grünen, die sich bei der Pressekonferenz geschlossen hinter sie gestellt haben, guten Gewissens zu ihrer Verteidigung aufmachen.

Dass Schilling nicht klagt, noch wenigstens konkret zu den Vorwürfen Stellung nimmt, lässt vermuten, dass sie wohl doch wahr sein könnten.

Wir wissen nicht, welche Geschichten noch das Licht der Öffentlichkeit erblicken werden, bevor die EU-Wahl und später die Wahl zum österreichischen Nationalrat stattfindet. Vielleicht wissen das ja nicht einmal die Grünen.

Sollte das der Fall sein, haben sie sich ohne Not in Schwierigkeiten gebracht.

Warum hat man auf eine 23 Jahre junge Klimaaktivistin gesetzt, ohne die Persönlichkeit dieser Person vorher genau unter die Lupe zu nehmen?

Kann es wirklich sein, dass die Eigenschaften „jung“, „weiblich“ und „klimaaktivistisch“ die Frage nach der charakterlichen sowie fachlichen Eignung aus dem Rennen schlagen?

Apropos „fachliche Eignung“: Dass eine Studentin der Politikwissenschaften, die als Spitzenkandidatin für einen Job in der EU antritt, nicht weiß, dass Norwegen kein EU-Mitgliedsstaat ist, hätte bei den Grünen sämtliche Alarmglocken zum Schrillen bringen sollen.

Das Tragischste am Fall „Lena Schilling“ ist, dass eine Partei wie die Grünen, die in Zeiten von Klimawandel und diversen anderen ökologischen Herausforderungen als starke Stimme in Europa wichtig wäre, ihre Chancen, die Zukunft positiv mitzugestalten, so leichtfertig aufs Spiel setzt.