Es gibt sie, die „Gemäßigten“ unter den Dogmatikern, seien es religiöse oder säkulare „Gläubige“, die Göttern oder Ideologien anhängen, für deren Existenz bzw. Wahrheit sich kein intersubjektiv überprüfbarer Beweis erbringen lässt.
Natürlich ist es besser, „gemäßigt“ zu sein als radikal, fundamentalistisch, intolerant bis hin zur Gewaltbereitschaft „Andersgläubigen“ oder „ideologischen Gegnern“ gegenüber.
Die gemäßigten, sich selbst als „liberal“ verstehenden Moslems wollen den Koran, immerhin das Wort Gottes nach Ansicht der Vertreter dieser Religion, „korrekt“ verstanden haben und meinen, ihm keine Droh-, sondern bloß eine Frohbotschaft entnehmen zu können.
„Dschihad“, so sagen sie, handelt nicht vom kriegerischen Einsatz gegen andere Menschen, sondern davon, den inneren Schweinehund zu bekämpfen, sich anzustrengen auf dem Weg hin zu Gott.
Man muss kein Koran-Experte sein, genau so wenig, wie man jüdische oder christliche Theologie studiert haben muss, um mindestens zwei Probleme dieser Argumentation aufzuzeigen, die sie vollkommen disqualifizieren:
1) Wenn die jeweilige „Heilige Schrift“ (sei es die Thora, die Bibel, der Koran) so vieldeutig ist, dass Radikale und Gemäßigte gleichermaßen „DIE Wahrheit“ daraus beziehen und damit völlig verschiedene, einander ausschließende Handlungsanleitungen begründen können (Krieg und Frieden), ist dieses Buch – Wort Gottes hin oder her – nichts wert und sollte ein für alle Mal auf dem Müllhaufen der Ideengeschichte landen.
2) Von irgendeinem Text zu behaupten, er wäre die „Offenbarung“ eines Gottes, ist inakzeptabel. Einmal deswegen, weil sich nicht einwandfrei beweisen lässt, dass es sich nicht möglicher Weise doch bloß um das Werk eines oder mehrerer Menschen mit – vielleicht manch guten, vielen zweifelhaften und einigen bösen – Ideen handelt. Und dann nicht zuletzt deshalb, weil sich mit dem Begriff der „Heiligen Schrift“ per definitionem jeder Irrsinn verabsolutieren lässt, ohne das Recht, ihn zu hinterfragen, ohne mögliche Fehlerkorrektur.
Wenn die ISIS-Leute bereit sind, für die Befreiung ihrer Brüder (kommen die Schwestern eigentlich auch vor?) gegen Diktatoren in den Krieg zu ziehen, mag man das vielleicht noch verstehen, ganz egal, ob sie sich dabei auf Allah und Koran oder ihre Pflichten als Menschen und ihr Recht auf Nothilfe beziehen.
Sobald sie aber den Weg zum Kalifat beschreiten und dabei wehrlose, unschuldige Menschen töten und dies als die Ausführung der Befehle Allahs deklarieren, sollten auch die Gemäßigten unter ihren Glaubensbrüdern (und -schwestern) anfangen, die Sinnhaftigkeit und moralische Integrität ihres Glaubens und seiner „Heiligen Schrift“ fundamental zu hinterfragen und sich vielleicht überlegen, ob ihr Gott und seine – aus ihrer Sicht richtig verstandene friedliche Gesinnung – es nicht zur moralischen Pflicht machen, vom Glauben abzufallen und lieber atheistischer Humanist zu werden.
Dies gilt – ceteris paribus – für Juden und Christen und ihre jeweiligen „Heiligen Schriften“ genauso.
Denn:
Gemäßigt oder nicht, Vernunft ist nicht teilbar.
Dummheit auch nicht.