It was the oil, stupid..!

Es klingt zynisch, aber mit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko tut sich ein so genanntes „window of opportunity“ auf.

Die verheerenden Folgen können jetzt noch gar nicht genau beziffert werden. Aber dass sich aus dem Schaden auch die Möglichkeit ergibt, der internationalen Erdöllobby das Wasser, besser gesagt: das Öl abzugraben, sollte nicht übersehen werden.

Gegen den Umstieg auf alternative Energiegewinnung wettern die Öligarchen (sic), dieser wäre zu teuer. Und das mag sogar, unter einer bestimmten Perspektive betrachtet, richtig sein.

Aber diese „bestimmte Perspektive“ implizierte bisher, dass die Rohölgewinnung – relativ – umweltfreundlich und weit entfernt von der kritischen Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit vonstatten ging.

Mit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat sich dies aber nun geändert. Die böse Seite der Ausbeutung der Natur hält den Menschen plötzlich ihre grinsende Fratze entgegen und ruft ihnen ihr „memento mori!“ zu: Wenn ihr so weiter macht, wird es bald vorbei sein – mit der Natur, mit euch, mit allem!

Grünparteien, Ökobewegungen und Alternativenergiedenker aller Herren Länder vereinigt euch!

So günstig wie jetzt war es noch nie, mit der Unterstützung der Weltbevölkerung einen globalen Umdenkprozess und Wandel in der Energiepolitik in Gang zu bringen. Damit wir schon morgen sagen können:

It was the oil, stupid..!

Freie Sicht aufs Gesicht?

Nun gibt es also mit Belgien das erste Land in der EU, in dem ein „Burkaverbot“ erlassen wurde.

Stellt sich zunächst einmal Frage, warum es nur die Burka und der Niqab, eine Verschleierung, bei der (im Unterschied zur Burka, in die eine Art Sichtgitter integriert ist) die Augen unbedeckt bleiben, sind, nicht aber auch das Kopftuch, die dem freien Blick der freien Welt weichen sollen.

Ist das Kopftuch nicht ebenso frauenfeindlich, wird es doch aus denselben Gründen von muslimischen Frauen getragen wie Burka und Niqab?

Könnte es sein, dass mit einer Ausweitung des Verhüllungsverbotes nicht nur christliche Ordensschwestern, sondern auch Bäuerinnen und diverse Freizeit-Kopftuchträgerinnen betroffen sein würden, von denen wir annehmen, dass niemand sie zwingt, ihr Haupt zu verhüllen?

Aber ist das tatsächlich so?

Zwingt nicht zumindest im Fall der Ordensschwester die Regel ihrer religiösen Gemeinschaft ihr die Kleidung auf, in welche sie sich hüllt – Kopftuch inklusive?

Bei den Bäuerinnen ist das schon etwas unwahrscheinlicher, aber auch hier mag es solche geben, die sich einer Tradition verpflichtet fühlen und deshalb Kopftuch tragen.

Die Crux an der Debatte ums „Burkaverbot“ besteht doch darin:

Wer mag entscheiden, in welchem Fall eine Verschleierung von Männern im Umfeld der betroffenen Frau erzwungen und wo sie freiwillig aus religiöser Tradition vorgenommen wird?

Dürfen die freiwilligen unter den Burka- und Niqabträgerinnen gegen ihren Willen gezwungen werden, ihre Freiheit zu opfern, weil andere vielleicht zur Verschleierung gezwungen werden?

Der säkulare Staat, dessen Werte die Befürworter des „Burkaverbotes“ durch ihre Maßnahme zu schützen versuchen, muss, seinem Selbstverständnis entsprechend, ertragen, dass Frauen sich freiwillig „erniedrigen“, wenn sie dies aus religiösen Gründen wollen.

Denn wenn er ihnen dies per Gesetz untersagt, widerspricht er seinem eigenen Anspruch und Selbstverständnis. Dann verzichtet er nämlich auf die Äquidistanz zu allen Weltanschauungen und erhebt die eigene, säkulare Überzeugung zur Religion.

Roma non locuta. Causa finita?

Darf eine Firma, gegen deren Mitarbeiter täglich neue schwere Missbrauchsvorwürfe erhoben werden, diese Vorwürfe einfach schweigend aussitzen?

Die zynische, auf die Logik von „Public Relations“ blickende Analyse lautet:

Nein.

Keine Organisation, nicht einmal die katholische Kirche, kann es sich in Zeiten von Facebook, Sensationsjournalismus und Talkshows, in denen der kleine Mann schonungslos sein Innerstes nach außen kehrt, leisten zu schweigen.

Die Tage, wo noch „Zucht und Ordnung“ herrschten, wo die heilige Dreifaltigkeit aus Vater, Lehrer und Pfarrer noch uneingeschränkt und ohne Gewaltentrennung absolut regierte und dort, wo ihre Autorität zaghaft hinterfragt wurde, Rohrstaberl und „gsunde Watschn“ abgeirrte Schafe auf den Weg der Tugend zurück führten, sind längst vorbei.

Wer heute Gewalt an Kindern und Jugendlichen verübt, braucht gute – psychologische – Gründe oder einen guten Anwalt.

Es gibt aber auch noch eine andere Betrachtungsweise, eine Betrachtungsweise, welche die katholische Kirche bei ihrem eigenen Wort nimmt:

Gerade eine Institution wie sie, deren Kerngeschäft auf der Idee von Schuld, Beichte, Sühne und Vergebung beruht, darf es sich nicht erlauben, diese Essenz ihres Selbstverständnis zu vergessen, wenn es ums eigene Personal und dessen Taten geht.

Das wäre unmoralisch, zumindest aber ein krasser Widerspruch.

Nicht alle gläubigen Menschen sind bereits aufgeklärt und kritisch genug, „ihrer“ Kirche wegen der aktuellen Skandale den Rücken zu kehren. Die Aufforderung Immanuel Kants, Aufklärung als den Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu verstehen und sich dementsprechend aus der Gewalt fremder Autoritäten zu befreien, ist leider noch nicht bis in die Köpfe aller gläubigen Menschen vorgedrungen.

Noch nicht.

Viele hängen trotz all ihrer Scheinheiligkeit noch an „ihrer“ Kirche.

Noch.

Mani pulite in bella Austria?

Als sich in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts die italienische Justiz zu umfassenden Untersuchungen – unter anderem – der illegalen Parteienfinanzierung aufschwang, führte das zum Ende der so genannten 1. Republik und zum Zusammenbruch der beiden wichtigsten Parteien: der „Democrazia Cristiana“ und des „Partito Socialista Italiano“.

In Österreich ist keine vergleichbare Aktion „saubere Hände“ geplant, denn der Verdacht der „illegalen Parteienfinanzierung“ steht nicht im Raum.

Aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb:

Was spricht dagegen, private Groß-Spender, die kaum aus reiner Sympathie für die ideologischen Positionen bestimmter Parteien tief in die eigene Tasche greifen, öffentlich zu machen?

Wer eine Partei wählt oder zu wählen beabsichtigt, sollte unbedingt das Recht bekommen zu erfahren, welche bzw. wessen Interessen diese Partei tatsächlich verfolgt.

Um als (potenzieller) Wähler einer Partei nicht in Gefahr zu geraten, die sprichwörtliche Katze im Sack zu kaufen, reicht die Veröffentlichung des Programms auf der Website der jeweiligen Partei nicht aus.

Wenn Parteien nichts Unmoralisches (dass es nichts Illegales ist, setzen wir als selbstverständlich voraus) beabsichtigen, dürfte es für sie auch kein Problem sein, ihre privaten Unterstützer allen ihren (potenziellen) Wählern zu nennen.

Nur allen (potenziellen) Wählern?

Nein!

Allen Bürgern dieses Staates.

In einer Demokratie sollte das legitim sein.

Denn nicht nur jene, die es sich leisten können oder wollen, bestimmte Parteien freiwillig mit Geld zu versorgen, weil sie sich entsprechende Gegenleistungen (etwa in Form genehmer Gesetze oder Regelungen) erwarten und / oder  jene Menschen, die diese Parteien wählen, zahlen über den Umweg von Steuern in deren Töpfe ein.

Nein, das tun alle Bürger dieses Staates.

Weil das in einer Demokratie legitim ist.

Eh schon wurscht…

Politikverdrossenheit?

DAS wäre ja wenigstens etwas!

Aber es ist noch viel schlimmer als vermutet:

Vielen (den meisten?) Österreicherinnen und Österreichern ist die Politik einfach egal, „wurscht“, wie man auf gut österreichisch sagen könnte.

Ob orange und blaue Politiker sich gegenseitig hintergehen und den „schwarzen Peter“ für Korruption und Betrug dem jeweils Anderen zuschieben, ob fragwürdige Staatsbürgerschaftsdeals unter Freunden gemacht werden oder ob mal eben schnell humanitäre Grundüberzeugungen auf dem Altar (vermeintlich erfolgsversprechender) wahltaktischer Überlegungen geopfert werden – unsere Landsleute sind darob nicht die Bohne erregt.

Es geht ihnen ganz einfach am sprichwörtlichen Arsch vorbei..!

DAS ist – neben der Grauslichkeit all jener Vorgänge per se – das WIRKLICH Schlimme.

Was mag der Grund dafür sein? Geht es uns tatsächlich so gut (zu gut, könnte man vermuten), dass es uns vollkommen kalt lässt, wenn die Fundamente der modernen, aufgeklärten Demokratie permanent erschüttert und in Frage gestellt werden?

Muss erst wieder ein Diktator daher kommen, der uns spürbar weh tut, damit wir überreißen, welche Menschen in diesem Land in Schlüsselpositionen der Macht sitzen, und dass diese Menschen nicht das tun, was sie behaupten und wofür sie sich – offiziell – haben wählen lassen:

die Interessen des Volks vertreten?

Wo ist der Bundespräsident, wo sind die ach, so moralischen Kirchen, wo jene Parteien wie die „Grünen“, die – im Prinzip noch unversaut vom Geschmack realer Macht – gegen diese Eintrübung unseres Blicks aus Bequemlichkeit aufbegehren, uns wachrütteln, bevor wir in dumpfer Gemütlichkeit entschlafen, während die Profiteure unserer Dummheit sich mit der Wahrheit, der Freiheit (unserer!) und unserem Geld davon gemacht haben?

Alles paletti, es geht uns gut!

Und außerdem:

Ist eh schon wurscht…

Um Gottes Willen..!

Es ist wieder einmal so weit:

Wir haben einen Karikaturen-Eklat.

Diesmal ist es nicht der Islam, der (über)reagiert, sondern der hierzulande vorherrschende Katholizismus.

Das corpus delicti sind zwei Cartoons, die Manfred Deix gemalt hat.

Mehrere Diakone der Erzdiözese Wien haben sich daraufhin bemüßigt gefühlt, der Staatsanwaltschaft Wien eine Stellungnahme zu übermitteln.

Was zeigen die inkriminierten Bilder?

Auf einem ist (nebst diversen anderen Darstellungen), unter dem Titel: „Das von Brüssel verordnete KRUZIFIXVERBOT IN DEN KLASSENZIMMERN wird man hierzulande geschickt zu umgehen wissen“, eine Christusfigur (nicht nackt!) zu sehen, auf deren rotem Gewand Hammer und Sichel, sowie ein Hakenkreuz  abgebildet sind. Am oberen Ende des vertikalen Holzbalkens ist ein Halbmond, auf einem Ende des horizontalen Balkens eine Buddha-Statue montiert. Überschrieben ist das Bild mit den Worten „Entwurf für ein multikulturelles Kompromiss-Kruzifix“.

Die Kritik der Diakone (laut Online Kurier vom 11. 12. 2009):

„Dadurch, dass das Symbol des Nationalsozialismus kritiklos auf eine Stufe mit den Symbolen von Weltreligionen gestellt wird, erscheint auch die verbrecherische NS-Ideologie gesellschaftlich quasi rehabilitiert, neu anerkannt bzw. verharmlost.“

Entweder, die beiden weltlichen Ideologien sind nicht harmlos, dann muss zugestanden werden, dass auch im Namen der Weltreligionen Verbrechen verübt wurden und werden, oder aber die beiden Ideologien haben dieselbe Exkulpierung ihrer Taten verdient (was meiner Meinung nach natürlich absurd wäre), wie dies die Diakone für die Weltreligionen in Anspruch zu nehmen scheinen.

Was Deix im ersten der beiden kritisierten Cartoons wahrscheinlich zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass es noch immer Menschen gibt, die sich einer dieser Religionen oder einer der beiden Ideologien in ungebrochenem Glauben zugehörig fühlen und das, obwohl sie alle zu Verbrechen geführt haben.

Warum sollten also die Kommunisten, Nazis, Buddhisten, Juden (das INRI des Kreuzes könnte von Deix als Symbol für die älteste der drei abrahamitischen Religionen gedacht sein) und Moslems nicht auch „ihr“ Symbol im Klassenzimmer vorfinden dürfen, wo die Christen doch so vehement darauf bestehen, dass das Kreuz dort hängen soll?

Eine prinzipielle moralische Überlegenheit des (katholischen) Christentums und die daraus abzuleitende Bevorzugung von dessen Symbol kann jedenfalls nicht ins Treffen geführt werden. Nationalsozialismus und Kommunismus mögen jeweils mehr Tote auf dem Gewissen haben als die genannten Religionen.

Dass letztere aber gänzlich ohne durch ihre „Wahrheit“ verursachte Morde durch die Geschichte gegangen sein sollen, kann nur ein Unwissender oder Unbelehrbarer behaupten.

Dass Deix sich der „Wiederbetätigung“ schuldig macht, wie die Diakone des weiteren bekunden, ist ein unsinniger Vorwurf; denn unter dieser Annahme dürften auch in einem Film (Kunst!) wie „Der Bockerer“ keine Hakenkreuzfahnen auftauchen, so wie in unzähligen vergleichbaren Kunstprodukten auch.

Auf dem zweiten der beiden Cartoons ist unter anderem ein mit weißem Gewand mit einem großen roten „G“ auf der Rückseite bekleideter Gott zu sehen, der über einem Globus, also der Erde, hockt und auf diese scheißt.

Ein Affront für die Diakone und – aus ihrer Sicht – selbstverständlich wert, auf Behandlung nach § 188 des Strafgesetzes zu pochen, geht es hier doch ganz offensichtlich um die „Herabwürdigung religiöser Lehren“.

Nun kann man die Deix-Karikaturen ob ihres unverblümten Stils mögen oder auch nicht, das, was in diesem Bild zum Ausdruck gebracht wird, ist ein reales Argument, das in der Debatte über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes unter dem Begriff der Theodizee tatsächlich diskutiert wird:

Wie lässt sich das Leid auf der Welt mit der Existenz eines allwissenden, allgütigen und allmächtigen Gottes vereinbaren?

Wäre er allwissend, so wüsste er um eben dieses Leid. Wäre er allgütig, so würde er es zum Verschwinden bringen wollen. Und falls er allmächtig wäre, so würde er das auch tatsächlich tun.

Es gibt Philosophen, die der Meinung sind, dass Gottes Nicht-Eingreifen trotz all des Übels in der Welt dafür spricht, dass er entweder nicht existiert oder, falls doch, zumindest einer (oder aller drei) der ihm zugeschriebenen Eigenschaften entbehrt.

Falls er existiert und allmächtig wäre, sich aber nicht gegen das Leid auf der Welt engagiert, so könnte man dies in die griffige, wenn auch nicht nach jedermanns Geschmack ausfallende Formel fassen:

„Gott scheißt auf die Welt.“

Die philosophische Position, die sich hinter dieser Formel verbirgt, ist – wie schon erwähnt – keine Erfindung von Manfred Deix. Es gibt sie bereits seit Anbeginn der abendländischen Philosophiegeschichte.

Geschmackvoll hin oder her, plakativer, als Deix die Vermutung, Gott würde – im übertragenen Sinn – auf die Welt „scheißen“, in seinem Cartoon in Bildsprache übersetzt, lässt sie sich in seinem künstlerischen Medium wohl nicht zum Ausdruck bringen.

Gute Menschen & das Glück

Soeben sind meine beiden Bücher

„Gut Mensch“ (Goldegg Verlag) und

„Glück“ (facultas.wuv)

erschienen.

ZUM INHALT von „Gut Mensch“

„Gut Mensch“ ist eine allgemein verständlich geschriebene Abhandlung über Ethik, sprich: Moralphilosophie.

Zunächst werden die für das Thema wichtigsten Grundbegriffe wie z.B. „Freiheit“, das „Gute“, „Sollen“ erläutert. Anschließend gehe ich auf die bekanntesten Versuche ein, Moral zu begründen, unter Rückgriff auf „Gott“, die „Natur“, das „Gewissen“ usw. Diesen eher allgemeinen Ansätzen folgt eine Darstellung der wichtigsten „klassischen Positionen“, von Aristoteles über Kant und den Utilitarismus (Bentham, Mill) bis hin zur Diskursethik (hier: nach Habermas) und dem interessenbasierten Ansatz von Norbert Hoerster.

Die letzten sechs Kapitel von „Gut Mensch“ diskutieren die aus meiner Sicht spannendsten Themenkomplexe der so genannten „angewandten Ethik“. Dies sind unter anderem „Bioethik“, „Tierethik“ und „Wirtschaftsethik „.

ZUM INHALT von „Glück“:

„Glück“ ist kein Ratgeber im üblichen Sinne, sondern eine kulturhistorische Abhandlung: Was haben antike Mythologie, Märchen und Volkssagen, was Theologie, Philosophie und politische Theorie, was Psychologie und Glücksforschung zum Thema „Glück“ herausgefunden?

„Glück“ ist Teil einer aus zehn Bänden bestehenden und von Konrad Paul Liessmann heraus gegebenen Reihe mit dem Titel: „Grundbegriffe der europäischen Geistesgeschichte“. Weitere Bände aus dieser Reihe sind etwa „Freiheit“, „Gerechtigkeit“, „Macht“, „Wahrheit“, „Tod“.

Land unter

Ja, ja, es gibt sie, jene Länder, in welchen die Korruption um Lichtjahre vor jener in Österreich liegt.

Keine Frage, die gerne spöttisch als „Bananenrepubliken“ bezeichneten Staaten, wo Korruption zum Tagesgeschäft gehört, existieren und im Vergleich dazu nehmen sich die heimischen Missbrauchsfälle in Politik und Justiz, die in den letzten Wochen gehäuft ans Tageslicht gefördert werden, wie Kinderkram aus.

Aber halt – ist es wirklich legitim, die kleinen Vergehen noch kleiner zu reden, bloß, weil es anderswo viel größere gibt? Lässt sich der Einfachkiller exkulpieren, indem man auf den Massenmörder verweist?

Es ist schlimm genug, dass es all jene Vorkommnisse gibt, über die etwa der Falter-Journalist Florian Klenk seit ein paar Wochen regelmäßig berichtet. Bei weitem schlimm genug. Denn sie lassen erahnen, dass es sich dabei wohl nur um die Spitze des Eisberges handeln kann, im Verborgenen also noch viel mehr geschieht.

Natürlich steht Österreich nicht vor dem demokratischen Bankrott. Dazu gibt es – Gottlob – doch noch ein paar Menschen und Medien, als Kontrollorgane (Stichwort „die vierte Macht“), zu viel, die wacker gegen den Untergang ankämpfen.

Doch viele Menschen, die nicht zu den Spitzen der Politik und Justiz gehören, richten es sich – in ihren bescheidenen Möglichkeiten – ebenfalls. Es wäre also unsinnig, so zu tun, als gäbe es Korruption nur ganz oben.

Die Annahme, dass der Fisch beim Kopf zu stinken beginnt, trifft hier nicht zu. Wer die Möglichkeit hat, es sich zu richten, der tut das und das betrifft den Herrn Minister genauso wie den kleinen Fritzl.

Dass es selbst unter den Medien solche gibt, welche die handelnden Personen der aktuellen Skandale nach oben an die Macht und somit an die Möglichkeit zu ihrem Missbrauch geschrieben haben, sollte nicht übersehen bzw. überlesen werden.

Wer sich – zu Recht – aufregt über „die da oben“, die durch Seilschaften das System zu ihren Gunsten beugen, sollte auch vor der eigenen Tür kehren.

Hau den Rogan?

Der österreichische Schwimmer Markus Rogan wurde, eigenen Angaben zufolge, in einer italienischen Diskothek von vier Türstehern verprügelt.

Die Aussage der Türsteher fällt, erwartungsgemäß, anders aus: Rogan hätte, stark alkoholisiert und mit einer zerbrochen Flasche in der Hand, im Lokal getanzt, wäre als Gefahr für die übrigen Besucher eingestuft und daher von den Security-Männern nach draußen gebracht worden.

Daraufhin wollte er sich angeblich wieder in die Disko zurück schleichen, wäre dabei über einen Zaun gekraxelt, hinunter gefallen und hätte sich im Zuge dieses Sturzes selbst verletzt.

Hier steht Aussage gegen Aussage und es ist sehr unwahrscheinlich, dass jemals geklärt werden kann, wer die Wahrheit sagt und wer lügt. Beide Seiten werden wohl „ihre“ Zeugen finden.

Dominic Heinzl, Anchorman von „Hi Society“, der Boulevardsendung auf ATV, scheint, im Unterschied zum Rest der österreichischen Journalisten, Informationen zu besitzen, die Rogan als Lügenbaron überführen könnten.

Zumindest klingt es danach, denn in seiner Sendung führt er den – so oder so – geprügelten Sportler süffisant vor, informiert sogar – „neutral“ – über eine Internetseite, auf der man Rogan in einem Computerspiel schlagen, nein, nicht im spielerisch-sportlichen, sondern im wörtlichen Sinn, also verprügeln könne und lässt gegen Ende der Sendung den Skifahrer Rainer Schönfelder zu Wort kommen, der zu Ehrlichkeit aufruft und damit ebenfalls implizit unterstellt, Rogan könnte vielleicht doch…

Man kann Markus Rogan mögen oder auch ob seiner – angeblichen – Arroganz für unsympathisch halten. Ob er jedoch lügt oder nicht, ist bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht entschieden.

Nach österreichischem Recht gilt bis zum Beweis des Gegenteils – Gottlob – noch immer die Unschuldsvermutung.

In Dominic Heinzls Sendung „Hi Society“ aber offenbar nicht.

Freiwillig in die Unfreiheit?

46 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind mit der Demokratie unzufrieden. Also knapp weniger als die Hälfte.

Zu diesem Ergebnis kommt die soeben vorgestellte Studie „Die Österreicher innen – Wertewandel 1990 bis 2008“.

Eine weitere beängstigende Erkenntnis dieser Studie:

21 Prozent könnten sich einen „starken Mann“ vorstellen, der weder durch Wahlen, noch durch das Parlament in seinem Schalten und Walten beeinflusst wird.

Kein Wunder, wo unsere Landsleute doch demokratischen Institutionen wenig Sympathie entgegen bringen:

Die Österreicherinnen und Österreicher vertrauen der EU (26 %) und dem heimischen Parlament (28 %) weniger als der Kirche (36 %).

Sollte uns das beunruhigen?

Auf jeden Fall.

Der Zweite Weltkrieg und das Ende des totalitären Regimes der Nationalsozialisten liegen über 60 Jahre zurück.

Winston Churchill, ehemaliger Premierminister Großbritanniens, noch geprägt von den Ereignissen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, war zwar nicht so naiv, zu glauben, die Demokratie wäre die perfekte Staatsform. Aber in seiner berühmten Rede vor dem britischen Unterhaus vom 11. November 1947 stellte er dennoch ziemlich klar fest:

„Es heißt ja, Demokratie ist die schlechteste Regierungsform – mit Ausnahme all der anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“

Müssen wir wirklich wieder erleben, wie es ist, unter einem „Führer“ zu leben, um zu erkennen, dass Churchill Recht hatte?