Besonders nett ist es nicht, dass der ÖVP-Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll seiner Kollegin im Unterrichtsressort, Claudia Schmied (SPÖ), bei ihrer Auseinandersetzung mit der Lehrergewerkschaft in den Rücken fällt. Er hätte „Verständnis“ für die Pädagogen, denn wer würde sich schon freiwillig mehr Arbeit um das gleiche Geld aufbrummen lassen.
Doch was hat das Wort „nett“ in der Politik verloren? Hier geht es um Macht, deren Erhalt und – wenn möglich – auch gleich um ihre Vermehrung.
Die Frage ist nur, was Josef Pröll mit seinem Vorgehen machtstrategisch bezweckt. Die einzige Ministerin abzuschießen, die mit beinahe rührender Courage versucht, das von ihr als richtig Erkannte durchzusetzen, ist nicht besonders klug. Da muss man nicht erst die Frage stellen, ob Schmied sich mit ihrer Vorgangsweise nicht zumindest PR-technisch selbst beschädigt hat und ob ihre Ideen der Weisheit letzter Schluss sind.
Ein seriöser Finanzminister hat die Art und Weise, wie seine Ministerkollegin ihre Hausaufgaben erledigt, nicht zu kommentieren. Noch viel weniger, wenn er selbst für die Geldknappheit zuständig ist, die (vielleicht) solch harte Maßnahmen wie unbezahlte Überstunden erfordert.
Prölls strategischer Missgriff zeigt außerdem, was die ÖVP-Minister sich von ihrem Parteikollegen im Finanzressort erwarten können; und falls dies etwas anderes sein sollte, als das, was er der Unterrichtsministerin gönnt, würde die SPÖ das bestimmt (zu Recht) thematisieren.
Wenn Claudia Schmied wirklich Courage hat, macht sie ernst mit ihrer Ankündigung und tritt zurück. Damit würde sie nicht nur ein starkes politisches Zeichen setzen. Sie würde außerdem der Regierungsspitze zeigen, was Strategie ist:
Eine Ministerin, die ihre Verantwortung vor die eigenen Interessen reiht, brächte kuschelnde Kanzler und Vizekanzler in Bedrängnis. Gleichzeitig könnte sie damit die Lehrergewerkschaft schwächen und ihren Nachfolger im Unterrichtsressort mit mehr Macht ausstatten. Dass der (oder die) dann mit dem gleichen Widerstand zu rechnen haben würde, ist unwahrscheinlich.
PS: Beruhigend zu erfahren, dass wenigstens die Schüler dem Streikaufruf der Schülerunion (ÖVP) nicht im großen Stil nachzukommen scheinen. Sich nicht für die Interessen der Lehrer (ob berechtigt oder nicht) instrumentalisieren zu lassen, zeugt von großer Bildung. Ein Schulsystem, das solche Jugendliche heran zieht, kann nicht ganz schlecht sein.