Quälende Wahl

Noch knapp ein Monat ist es hin bis zur Nationalratswahl und obwohl der Wahlkampf erst seit ein paar Wochen läuft, fühlt es sich so an, als würde er bereits Jahre dauern.

Das könnte nicht zuletzt auch daran liegen, dass die Kandidatinnen und Kandidaten von einem TV-Auftritt zum nächsten weitergereicht werden.

Doch wer möchte wirklich irgendeine der zur Wahl stehenden Personen öfters als ein, zwei Mal im Fernsehen dabei beobachten, wie sie die immer gleichen Phrasen dreschen, das eigene Parteiprogramm in mehr oder weniger elegante Sätze verpacken und diese bis zum Erbrechen wiederholen?

Die verkrampften Versuche des ORF sowie der privaten TV-Sender, dem Blick auf die heimische Politik durch neue Formate alternative Seiten abzugewinnen, sind zum Scheitern verurteilt.

Die neuen Perspektiven können nämlich nichts daran ändern, dass die „dramatis personae“ von ihren Medien-Coaches perfekt darauf vorbereitet worden sind, auf jede nur erdenkliche Frage möglichst eloquent nicht zu antworten.

Wer weiß also wirklich, was ihn oder sie nach der Wahl erwarten wird? Wer wagt es, sich auf eine Wette einzulassen, die für ihn oder sie so gut ausgeht, dass sich der Einsatz lohnt, einer ganz bestimmten Partei die Stimme zu geben? Immerhin könnte diese Partei aus reinem Opportunismus, um jeden Preis an der Macht zu bleiben, mit einem Partner, den man selbst nicht gewählt hat und niemals gewählt hätte, in eine Koalition gehen.

Fühlt man sich eher „links“ zuhause und wählt z.B. die SPÖ, kann man nach dem 15. Oktober nicht ausschließen, die am weitesten von der ursprünglichen Ideologie der Sozialdemokraten entfernte Partei in Regierungsämtern wiederzufinden: die FPÖ.

Die Wahl einer kleinen „linken“ Partei (derer es einige gibt, rechnet man die Grünen ein, was aus vielen Gründen legitim erscheint) wird in Anbetracht der großen Auswahl nicht viel bewirken. Die Sympathisantinnen von „linker“ Politik jenseits der SPÖ, werden durch ihre Wahl die Welt nicht verändern. Sie können höchstens ein Zeichen setzen – für mehr „Gerechtigkeit“, was auch immer das bedeuten mag.

Wer sich selbst eher als liberal ansieht kann, je nachdem, ob dieser Liberalismus sich nur auf die Wirtschafts-, aber nicht auch auf die Gesellschaftspolitik erstreckt, eher die ÖVP oder die NEOS wählen, wobei letzteres einen ähnlichen Effekt haben dürfte wie die Wahl der Grünen.

Österreich teilt sich seit Jahrzehnten primär in zwei Lager auf: in dasjenige der ÖVP- und in jenes der SPÖ-Fans. Die Anhängerinnen und Anhänger der FPÖ sind jenes knappe Drittel an Menschen, die sich von den beiden „Etablierten“ ausgeschlossen und von der Welt verraten fühlen.

Eine der beiden großen Parteien wird nach der Wahl mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der FPÖ zusammenarbeiten.

Die Politik, die dabei herauskommt, wird wohl oder übel ziemlich klar die Handschrift der SPÖ oder der ÖVP tragen. Die FPÖ selbst wird wohl nur als Steigbügelhalter dienen und dafür mit ein paar Ministerposten und Ämtern abgespeist werden, ohne allzu großen politischen Schaden anrichten zu können.

Eine SPÖ/FPÖ- oder eine ÖVP/FPÖ-Koalition könnte fünf Jahre lang eine deutlicher „rote“ oder „schwarze“ Politik verwirklichen, als dies in der „Großen Koalition“ aus Gründen der gegenseitige Blockade jemals möglich war.

So gesehen könnte man selbst bei der auf den ersten Blick beängstigenden Variante einer SPÖ/FPÖ- oder ÖVP/FPÖ-Regierung nach der Oktober-Wahl optimistisch in die Zukunft blicken. Denn als Souverän bekommt man in fünf Jahren einen guten Einblick in das, was uns im Falle einer „Absoluten“ einer der beiden Großparteien erwarten könnte und was wir vielleicht nicht mehr so bald erleben wollen.

Im Idealfall könnte dies die bisher kleineren Parteien stärken und sie zu neuen, tatsächlichen Alternativen auf der linken (z.B. Peter Pilz) und gemäßigt rechten bzw. liberalen Seite (z.B. NEOS) heranwachsen lassen.

Vielleicht sollten wir einfach gelassener auf die Dinge blicken.

Mag es auch nicht für alle von uns perfekt sein, irgendetwas wird schon rauskommen, bei dieser Wahl.

Wenn sie nur endlich vorüber wäre!

Der Wahnsinn des islamistischen Terrors

Worin besteht der Sinn, in ein Auto zu steigen und wahllos Menschen tot zu fahren?

Welche Religion oder Ideologie kann so eine Tat rechtfertigen?

Was soll damit erreicht, welcher – vermeintliche oder tatsächliche – Misstand auf dieser Welt könnte damit behoben werden?

Die Attentäter der jüngsten Anschlagsserie in Spanien haben Menschen getötet, die sie nicht persönlich kennen, nicht kennen konnten.

Sie wissen nicht, ob nicht der eine oder andere aus der Gruppe ihrer Opfer ihren eigenen politischen Idealen nahestand oder nicht. Somit könnten sie also auch Brüder im Glauben bzw. im Geiste getötet haben.

Es könnte sich um Muslime handeln oder um Nicht-Muslime, die vielleicht ebenfalls mit der Welt unzufrieden sind, sie aus welchen Gründen auch immer für ungerecht halten und die Ursachen dafür diversen Ländern in die Schuhe schieben.

Spätestens anhand solcher möglicher Kollateralschäden zeigt sich die Absurdität, die Selbstwidersprüchlichkeit einer solchen Aktion blinden Hasses.

Durch solche Handlungen wird nichts besser, kein Missstand kann durch sie korrigiert, die Welt nicht zu einem gerechteren Ort gemacht werden.

Mit solchen Taten wird nur die Gesamtsumme an Schmerz und Leid vergrößert.

Es gibt keinen Glauben, keine Ideologie, keine persönliche Verletzung, die solche Taten jemals in irgendeiner vernünftig nachvollziehbaren Form rechtfertigen könnte.

Sie sind der Ausdruck reiner Irrationalität, nichts weniger als geistige Umnachtung, kompletter Wahnsinn.

Der Zweck heiligt die Mittel. Heiligt der Zweck die Mittel?

Beim G20-Gipfel in Hamburg haben Linksautonome schwere Sachbeschädigung verursacht, indem sie Autos angezündet und Schaufenster eingeschlagen haben.

Dass keine Menschen zu Schaden gekommen sind, dürfte eher dem Zufall zu verdanken sein als der Intention, denn schwarz vermummte Gestalten („Schwarzer Block“) warfen auch von Hausdächern im Schanzenviertel Steine nach unten.

Vielen Linksintellektuellen fällt es schwer, sich von linker Gewalt zu distanzieren.

Während sie – zu Recht – Gewalt von rechts verurteilen, scheinen sie bei derjenigen aus ihrer eigenen politischen Richtung ein Auge zuzudrücken.

Woran liegt das?

Aus der Sicht vieler Linker ist die Welt ungerecht, beherrscht von den Mächten des Kapitalismus, die Menschen sind dem Neoliberalismus ausgeliefert.

Gegen diese – vermeintlichen – Missstände darf und soll revoltiert werden, so die Ansicht der Linken, notfalls auch mit Gewalt.

Doch ist Gewalt prinzipiell abzulehnen, ganz egal, mit welcher politischen Legitimation sie daherkommt.

Und zwar zunächst einmal deshalb, weil sie meistens nicht präzise jene trifft, die für das – angebliche – Leid der Welt unmittelbar verantwortlich gemacht werden.

Was können die Anrainer des Hamburger Schanzenviertels dafür, dass der mächtigste Mann der Welt, der neue US-Präsident, Donald Trump heißt und sich nicht um den Klimawandel oder die – vermeintliche – Ausbeutung der so genannten Dritten durch die sogenannte Erste Welt schert?

Ist jedes Auto, das in Brand gesteckt wurde, im Besitz eines „Kapitalisten“ oder könnte es nicht sein, dass das eine oder andere einem hart arbeitenden „Proletarier“ gehört hat?

Ist es gut, wenn Schaufenster von Geschäften eingeschlagen werden, in welchen Menschen arbeiten, weil sie arbeiten müssen, um sich ihr Leben leisten zu können?

Doch selbst wenn man die – vermeintlichen – Übeltäter, die Verursacher allen Leides auf dieser Welt, präzise identifizieren könnte:

Ist Gewalt das richtige Mittel, um sie von ihrem Tun abzubringen?

In der aktuellen Ausgabe des deutschen Wochenmagazins „Der Spiegel“ findet sich sinngemäß folgende Aussage:

Das Anzünden eines Autos stoppt nicht den Kapitalismus, ganz im Gegenteil: Es fördert ihn, weil es zum Kauf eines neuen Autos führt.

Eine Frage, welche sich die Linksautonomen vom G20-Gipfel in Hamburg und ihre intellektuellen Sympathisanten unbedingt stellen sollten, bevor sie das nächste Mal – in Gedanken, Worten und Werken – zur Tat schreiten:

Ist die Welt tatsächlich so schlecht, wie wir glauben?

Oder könnte es nicht sein, dass der Kapitalismus, trotz aller Vorwürfe, die man ihm zurecht machen kann (Stichwort „Umweltverschmutzung“), der Menschheit unterm Strich mehr Vorteile als Nachteile gebracht hat (und immer noch bringt)?

Ein kleiner Lektüre-Tipp an dieser Stelle:

Guido Mingels, „Früher war alles schlechter“

2017 meets 1983

Die SPÖ hat schon einmal mit der FPÖ koaliert – von 1983 bis 1986, unter Fred Sinowatz (SPÖ).

Sein damaliger Partner bei der FPÖ: Norbert Steger.

1986 kam die „Waldheim-Affäre“, durch die auch Jörg Haider nach oben gespült wurde und die Macht in der FPÖ übernahm.

Dem neuen SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky, der auf Fred Sinowatz folgte, waren die „Blauen“ suspekt genug, um sie auf Dauer aus dem Kreis möglicher Koalitionspartner auszuschließen – die sogenannte „Vranitzky-Doktrin“ war geboren.

Im Jahr 2017 dient der sozialdemokratische Bundeskanzler Christian Kern sich ohne große Not den Freiheitlichen an: Sollten diese den von der SPÖ aufgestellten „Kriterienkatalog“ erfüllen, so wäre auch mit ihnen, entgegen der „Vranitzky“-Doktrin“, eine Zusammenarbeit möglich.

Ob diese Neupositionierung der SPÖ mehr Wähler wegnehmen oder bringen wird, lässt sich schwer abschätzen. Grob betrachtet gibt es innerhalb der Partei nämlich zwei Gruppierungen:

Eine, die partout nicht mit den „Blauen“ koalieren will, weil dies nach Ansicht dieser Gruppe einem Verrat sozialdemokratischer Werte gleichkäme.

Und eine andere, die – man muss es wohl so nüchtern betrachten – den Verlust der Regierungsbeteiligung durch eine schwarz-blaue Koalition befürchtet und daher lieber den Tabu-Bruch zu begehen bereit ist und mit der FPÖ zusammenarbeiten will.

Dieses „Um keinen Preis die Macht verlieren“ redet sich diese, in politischen Dingen nüchtern-pragmatische Gruppe damit schön, dass eine ÖVP-FPÖ-Koalition das größere Übel wäre als eine zwischen SPÖ und FPÖ, und dass es mehr inhaltliche Übereinstimmungen zwischen „Rot“ und „Blau“ gäbe als etwa zwischen „Rot“ und „Schwarz“ (oder „Schwarz“ und „Blau“).

Ob letzteres stimmt, hängt vor allem davon ab, wie man die einzelnen thematischen Punkte innerhalb der verschiedenen politischen bzw. weltanschaulichen Lager gewichtet.

So viel stimmt jedoch: Die meisten Stimmen, welche die SPÖ in den letzten Jahren verloren hat, sind an die FPÖ gegangen. Die Analyse der „Übereinstimmungen“ dürfte also nicht ganz falsch sein.

Dennoch muss das kein Grund sein, sich den Freiheitlichen mit Haut und Haaren in den Rachen zu werfen.

Ein deutlich sozialdemokratischer akzentuiertes Profil könnte die SPÖ stärken – vorausgesetzt, die Partei sagt klar, dass sie lieber in die Opposition gehen, als Abstriche bei ihren Forderungen machen würde, und zieht das dann auch durch.

Ob einmal mehr die Angst vor dem Verlust der Pole Position an den Futtertrögen der Macht über die intellektuelle und moralische Redlichkeit siegen wird?

Im Herbst werden wir es erfahren.

Kurz & Kern

Am Sonntag Abend hat Sebastian Kurz der ÖVP eine Chance gegeben, die so schnell nicht wieder kommen wird:

Der gerade einmal 30 Jahre junge Politiker, der innerhalb seiner Partei nicht ganz zu Unrecht als Ausnahmetalent angesehen wird, hat sich dazu bereit erklärt, die Führung zu übernehmen.

Doch diese Verantwortungsübernahme ließ er sich teuer abkaufen:

Der derzeitige Außenminister forderte gleichsam eine Vollmacht in Personalangelegenheiten – und bekam sie zugesagt.

Kritiker von Kurz, die vor allem aus den Reihen der SPÖ auftauchen, werfen ihm vor, er würde die ÖVP zu einer Führerpartei ummodeln wollen.

Ganz egal, ob dieser Vorwurf zutrifft oder nicht:

Kurz ist jung und tough genug, sich nicht mit Haut und Haaren der Politik ausliefern zu müssen – und wahrscheinlich sieht er die Sache eher sportlich.

Er hat hoch gepokert, weil seine Partei alles, er hingegen wenig bis nichts zu verlieren hat.

Die SPÖ, die sich gleich nach Bekanntwerden der Personalrochade an der Spitze des Koalitionspartners über den „Neuen“ hergemacht hat, könnte ihren künftigen Ansprechpartner in der ÖVP aber auch als Chance sehen.

Wenn Kurz es schafft, ein paar jener Projekte, die von der ÖVP- und SPÖ-Spitze schon längst umgesetzt worden wären, wenn sie nicht an Partikularinteressen von Untergruppen innerhalb einer der beiden Parteien gescheitert wären, durch die neu gewonnene Machtfülle in Kooperation mit der SPÖ durchzusetzen, könnten die Sozialdemokraten oder besser gesagt: Christian Kern ebenfalls die Gunst der Stunde nutzen und eine ähnliche „Allmacht“ für den SPÖ-Chef etablieren.

Wer weiß, welche Projekte dann plötzlich möglich werden könnten?

PS: Der Vorwurf, dass Sebastian Kurz durch seine „unverschämte“ Forderung die Demokratie aushöhlen würde, geht m.E. ins Leere. Noch immer entscheiden die wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher, wer ins Parlament und somit an die Macht und in die Regierung kommt.

Mustafa Kemal Atatürk rotiert im Grab

Das Referendum in der Türkei ist gelaufen.

Vorerst.

Denn wer weiß, ob die Opposition es nicht doch noch schafft, das Ruder herumzureißen und die von Präsident Erdogan angestrebte Verfassungsänderung, die ihm quasi-absolutistische Macht verleiht, zu verhindern. Immerhin ist die Entscheidung für „Ja“ relativ knapp ausgefallen, die Hälfte der Bevölkerung ist nicht damit einverstanden, sich „ihrem“ Präsidenten bedingungslos auszuliefern.

Sehr wahrscheinlich ist es jedoch nicht, dass sich am Ausgang des aktuellen Referendums noch etwas ändern lässt, da Erdogan in den letzten Monaten viele Kritiker ungeniert öffentlich mundtot gemacht hat und dabei auch nicht davor zurückgeschreckt ist, politische Gegner ins Gefängnis stecken zu lassen.

Und das, wohlgemerkt, schon vor dem Referendum, das ihm – knapper Ausgang hin oder her – Rückenwind verschaffen dürfte.

Die Türkei befindet sich seit geraumer Zeit auf dem Weg in einen autoritären Staat. Wie Erdogan wirklich tickt, welche Ziele er verfolgt und ob er sein Land streng islamisch ausrichten möchte, ist schwer zu sagen.

Tatsache ist aber:

Mit der säkularen Republik, wie sie ihrem Gründer Mustafa Kemal Atatürk 1923 vorgeschwebt war, hat die Türkei des Jahres 2017 ab sofort nicht mehr viel gemein.

Die Zukunft des Landes ist ungewiss, ein EU-Beitritt in weite Ferne gerückt. Er wird wohl auf immer verunmöglicht werden, falls Erdogan mit seiner Ankündigung Ernst macht und ein zweites Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe abhalten lässt.

Der Untergang des Abendlandes oder seine Wiedergeburt..?

Nun also Erdoğan.

Der türkische Möchtegern-Alleinherrscher spricht Klartext mit Deutschland, Österreich und den Niederlanden und durch sie, pars pro toto, mit der gesamten Europäischen Union:

„Wenn ihr nicht das tut, was wir wollen, also Wahlkampf in euren Ländern machen, dann seid ihr Faschisten und verratet die Werte der Demokratie, die ihr uns gegenüber permanent einmahnt. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!“

Hat er Recht mit dieser Aussage und der unverhohlenen Drohung, sein Arsenal an möglichen Grauslichkeiten auszupacken?

Natürlich nicht.

Wer Intoleranz gegenüber nicht tolerant ist, muss sich deswegen keineswegs selbst der Intoleranz zeihen lassen.

Dieses Verhalten geht klar als Notwehr durch.

Nein, weder Deutschland, noch Österreich, noch die Niederlande und schon gar nicht die EU insgesamt muss sich von Erdoğan auf der Nase herumtanzen lassen. Nicht einmal deshalb, weil er die Schlüssel zu jenem Tor in der Hand hält, das eine weitere Flüchtlingswelle daran hindert, Europa zu überfluten.

Natürlich wäre letzteres nicht angenehm.

Dennoch sollte die EU die Standhaftigkeit gegenüber einem potenziellen Diktator nicht leichtfertig auf dem Alter des Komforts opfern.

Wenn Europa beschließt, Erdoğan zu zeigen, wo der Hammer hängt, dann müssen alle Mitgliedsländer mitmachen bei der Aufnahme der Flüchtlinge, nicht nur jene drei, die bei den Hilfesuchenden am beliebtesten sind: Schweden, Österreich und Deutschland.

Dennoch ist es fraglich, ob es klug wäre, den „Boss vom Bosporus“ (Copyright: extra 3) vor den Kopf zu stoßen. Aber nicht seinetwegen, sondern wegen der Türkinnen und Türken in ihrer Heimat und jener, die in Europa leben.

Sie könnten sich – noch mehr – mit ihrem Präsidenten solidarisieren und (siehe Bundespräsidenten-Wahl 1986) „jetzt erst recht!“ für ihn und seine Pläne zur endgültigen Abschaffung der Demokratie stimmen.

Die Gefahr, dass genau das passiert, scheint durch die Kritik  an Erdoğan innerhalb Europas langsam zu wachsen.

Was also tun?

Entweder die EU beschließt, ab sofort keinen anderen außer EU-Politikerinnen und Politikern zu erlauben, auf ihrem Hoheitsgebiet Wahlwerbung zu machen. Das wäre die konsequenteste Entscheidung. Sie müsste allerdings auf Dauer etabliert werden, damit sie nicht zu eindeutig nach einer „Lex Erdoğan“ riecht.

Das würden vielleicht sogar die stolzen Türken und Türkinnen verstehen und anerkennen:

„Diese Union aus mehr als zwei Dutzend Staaten steht wie ein Mann hinter einem klaren Prinzip und lässt sich nicht erpressen. Da sollten wir am besten auch dabei sein.“

Eine solche Handlungsweise müsste aber von mindestens einer wichtigen Maßnahme begleitet sein – dem offiziellen Angebot an die Türkinnen und Türken:

„Wenn ihr euch für die Demokratie entscheidet, garantieren wir euch einen seriösen Mehrstufenplan zur Aufnahme in die EU mit einem Zeithorizont von maximal zehn Jahren.“

Die EU selbst sollte allerdings bis zum Abschluss dieses Mehrstufenplans an ihrer politisch-rechtlichen Struktur arbeiten und sie solchermaßen umbauen, dass die Einführung einer Diktatur für ein Land verunmöglicht wird, sobald es Mitglied der Union ist. Ob und wie das juristisch umzusetzen ist, weiß ich nicht.

Oder aber wir erlauben die paar Wahlkampfauftritte und zeigen der türkischen Bevölkerung in der Türkei und in Europa, wie Demokratie geht.

Es ist schwer vorauszusagen, ob Erdoğan eine solche Aktion nicht vielleicht ebenfalls in seiner Heimat als Sieg verkaufen und sein Volk dadurch noch stärker hinter sich, den „starken Mann“, der es „denen von der EU gezeigt“ hat, scharen kann.

Einen Versuch wäre es womöglich wert.

Ich persönlich präferiere die Variante, der Bevölkerung der Türkei ein seriöses EU-Beitrittsangebot zu machen, das daran geknüpft ist, demokratische Spielregeln einzuhalten – und das heißt zunächst einmal, Erdoğans Pläne zum Umbau der Verfassung abzulehnen.

Denn ein islamisches Land als Teil der Europäischen Union könnte, neben dem einen oder anderen Risiko, auch viele Chancen in geopolitischer, ökonomischer und – ja, auch – kultureller Hinsicht bedeuten.

In Anbetracht der Tatsache, dass in einigen, nicht unwichtigen Ländern der EU ohnedies bereits große türkische Gemeinschaften leben, wäre dieser Ansatz noch besser zu argumentieren.

Wie dieser Plan allerdings den islamkritischen Menschen in Europa und jenen rechten Politikerinnen und Politikern schmackhaft gemacht werden kann, ist wahrscheinlich die schwierigste Frage.

Brave „New World“ revisited

Der Chef der „Neuen Welt“, Donald Trump, ist anders. Ganz anders.

Dass Politiker im Wahlkampf alles Mögliche ankündigen bzw. ihren Wählern versprechen, sind wir gewohnt – und auch, dass diese Versprechen am Tag nach der Wahl schon wieder Makulatur sind.

Doch das gilt nicht für den neuen Präsidenten der USA.

Donald Trump hat versprochen und er meint es ernst, wie man nicht nur an der Wahl seiner Kabinettsmitglieder, sondern auch an den ersten „Executive Orders“ sehen kann, mit denen er die Politik seines Vorgängers Barack Obama ordentlich auf den Kopf zu stellen beabsichtigt.

Die aus Sicht internationaler und nationaler, US-amerikanischer, Beobachter verrückteste – das Wort ist hier wohl nicht fehl am Platz – dieser präsidialen Verordnungen ist wohl das Einreiseverbot für Menschen aus mehreren islamischen Staaten.

Doch was auf den ersten Blick wie ein gefährlicher autokratischer Akt erscheint (und es wohl auch ist – und zwar mit Sicherheit bewusst und gewollt auch aus der Perspektive von Donald Trump selbst), kann – dem US-amerikanischen Rechtssystem sei Dank! – nicht halten und hält auch nicht, wie man dem Spruch eines mutigen Richters entnehmen konnte.

Das System der „Checks and Balances“ funktioniert.

Die Welt darf aufatmen, zumindest vorerst.

Dass Donald Trump den Richter, der ihn mit juristischen Mitteln in die Schranken gewiesen hat, als „sogenannten Richter“ verunglimpft hat, zeigt, wie es der neue US-Präsident mit Recht und Gesetz so hält.

Dass die USA zur Diktatur mutieren, bleibt weiter unwahrscheinlich bis unmöglich.

Dass sie jedoch ein ungemütlicherer Platz und ein unberechenbarer „Partner“ für andere Staaten werden könnten, steht zu befürchten.

Früher war alles schlechter: Prosit 2017..!

Viele Menschen, die im soeben zu Ende gegangenen Jahr rechte Parteien gewählt oder rechten Populisten zugejubelt haben, werden von den (großteils Links-)Intellektuellen als dumm abgestempelt:

Sie hätten keine Ahnung, worum es „wirklich“ ginge, was „tatsächlich“ der Fall sei, wie man sich „moralisch korrekt“ zu verhalten habe.

Ich bin nicht der Meinung, dass diese Einschätzung den Kern der Sache trifft.

Denn viele Menschen, gerade jene aus den niedrigeren sozialen und Bildungsschichten, fühlen sich nicht nur subjektiv durch eine massenhafte Einwanderung von schlecht oder gar nicht ausgebildeten Menschen aus Nordafrika und dem arabischen Raum bedrängt. Da sie selbst schlechter ausgebildet sind, bieten die Neuzugänge eine gewisse Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.

Darüber hinaus siedeln sich die Neuankömmlinge auch vermehrt in jenen Gegenden an, in denen die Wohnungspreise und Lebenshaltungskosten niedrig sind. Und das sind genau jene ländlichen Regionen oder städtischen Bezirke, in welchen auch die ärmeren Inländer wohnen.

Dass (vor allem rechte) Populisten diese objektiven Probleme aufgreifen und geschickt instrumentalisieren, ist nicht ganz unverständlich (und m.E. auch nicht ganz unberechtigt).

Die linken Eliten und Linksintellektuellen übersehen jedoch, dass sie selbst zu einem nicht unerheblichen Teil selbst schuld daran sind, dass die Stimmung unter der Mehrheitsbevölkerung durchwachsen bis schlecht ist.

Denn ihr Narrativ lautet: „Alles wird immer schlimmer.“

Doch das stimmt ganz einfach nicht.

Sieht man sich die Daten und Fakten an, so korrespondiert die objektive Lage der Welt nicht der subjektiven Einschätzung ihrer pessimistischen Interpreten – auf rechter und auf linker Seite.

Nehmen Armut und Hunger, nehmen Kriege und Terroranschläge zu, wie dies vor allem Linke beklagen und damit ihre Vorschläge zu einer friedlicheren, gerechteren Welt zu rechtfertigen versuchen?

Das Gegenteil trifft zu:

Die Welt wird (nicht nur für Menschen) ein immer besserer Ort – relativ und in absoluten Zahlen.

Der SPIEGEL-Journalist Guido Mingels beschreibt dies in seiner Kolumne „Früher war alles schlechter“, die demnächst als Buch auf den Markt kommt:

„Früher war alles schlechter: Warum es uns trotz Kriegen, Krankheiten und Katastrophen immer besser geht“

Gerade jetzt, zu Jahresbeginn, nach einem Jahr, das in der subjektiven Wahrnehmung vieler Menschen nicht grausamer und gewalttätiger hätte sein können, ist es notwendig, einen nüchternen Blick auf die Welt zu werfen:

Ja, vieles liegt im Argen und wir haben alle Hände voll zu tun, an einer (noch) besseren Welt zu arbeiten.

Doch dass früher alles besser war, wie jene linken (und rechten) Nostalgiker gerne lamentieren, ist ein Irrtum – oder eine glatte Lüge.

Alles Gute im Neuen Jahr!

Verschnaufpause – aber nicht lange

Er hat es tatsächlich geschafft:

Alexander Van der Bellen hat die Wiederholung der Stichwahl gewonnen und wird der nächste Bundespräsident.

Natürlich ist das für das Land selbst nach innen hin, aber auch in der Außenwirkung gut so.

Eine beinahe hörbare Erleichterung geht durch Österreich, zumindest aber durch jene Hälfte der Bevölkerung, die Van der Bellen ihre Stimme gegeben hat.

Ist dies tatsächlich eine „Richtungsentscheidung“, wie viele im linken Lager das behaupten?

Jein.

Es stimmt zwar, dass Van der Bellens Wahl zeigt, dass Österreich noch nicht ganz an den Rechtspopulismus verloren zu sein scheint.

Doch wenn die beiden etablierten Parteien, SPÖ und ÖVP, nicht erkennen, dass die Bundespräsidentenwahl (inklusive Ausscheiden ihrer beiden Kandidaten und zwei doch relativ knapper Stichwahlen) ein Schuss vor den Bug, eine Warnung darstellt, haben sie nichts verstanden.

Die nächste Nationalratswahl kommt bestimmt – spätestens in zwei Jahren.

Und bis dahin sollten diejenigen, die keinen FPÖ-Kanzler an der Regierungsspitze sehen wollen, endlich ernsthaft arbeiten – und vor allem zusammenarbeiten: über die Parteigrenzen und die wechselseitigen Ressentiments hinweg.

Wenn der Stillstand, der in vielen Bereichen des Landes herrscht, nicht durch mutige Taten beseitigt wird, ist die Gefahr groß, dass der nächste Kanzler H.C. Strache (oder Norbert Hofer) heißen könnte.

Es ist ganz egal, ob die Probleme, die Österreich hat, objektiv groß genug sind, um diesen Regimewechsel zu rechtfertigen.

Die subjektive Wahrnehmung vieler (der meisten?) Menschen in diesem Land ist keine positive.

Und das reicht leider für viele, um eine politische Veränderung herbeizuwünschen und herbeizuwählen, koste es, was es wolle.

Mit der Wahl Alexander Van der Bellens zum Bundespräsidenten haben Österreich und die etablierte Politik bloß eine kurze Verschnaufpause gewonnen.

Allzu lange sollten die gemäßigten Kräfte aber nicht rasten, denn das Rennen geht weiter.