Public going public

Es wurde aber auch langsam Zeit. 

Wer die Web 2.0-Entwicklung der letzten Jahre verfolgte und sich, aus beruflichen Gründen, nolens volens an der Nutzung diverser Applikationen beteiligte, musste immer wieder schmerzvoll feststellen: 

Hier gehen Redundanz und Trivialität eine perfekte Symbiose ein.

Die mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks jeden Tag um dieselbe Stunde auf Facebook publizierte „Information“, Person X oder Y wäre gerade „im Büro angekommen“, würde sich mal eben schnell „eine Tasse Kaffee“ holen oder hätte ein „tolles Wochenende“ hinter sich gebracht, konnte in ihrer gähnend langweiligen Unbedeutsamkeit nur noch durch die entsprechende Bebilderung übertroffen werden.

„Nein“, schrie da selbst der von High und Low Society-Shows und Illustrierten schon lange von der Hochkultur weg entführte Mensch innerlich auf, „dieser Schwachsinn interessiert mich nun aber wirklich überhaupt nicht..!“ um gleich darauf seufzend zur Kenntnis nehmen zu müssen: Das hält die Autoren solch niederschmetternd uninteressanter Botschaften keineswegs davon ab, sie weiter in die Welt zu setzen, als wären es Prophezeiungen, von deren allgemeiner Kenntnisnahme das Schicksal der gesamten Menschheit abhinge.

Nun, endlich! ist die Generation Web 2.0 aufgewacht.

Mit WikiLeaks und den kämpferischen Reaktionen ihrer Sympathisanten auf die Versuche der USA, die Enthüllungsplattform mundtot zu machen, zeigt sich die wahre Stärke dieser zugleich beängstigend und betörend anarchistischen Technologie sowie ihrer Anwender und Verteidiger:

Unterdrückung der Wahrheit durch „die da oben“ ist so nicht mehr möglich, wenn „die da unten“ sich das nicht gefallen lassen wollen. Und dass sie es sich nicht gefallen lassen wollen, tritt immer klarer zu Tage.

In einer Zeit, in der die so genannten Eliten aus Politik und Wirtschaft nicht nur klammheimlich hinter, sondern immer öfter und ungeniert auch vor den Kulissen intrigieren und gegen jene, in deren Auftrag und Interesse sie eigentlich tätig sein sollten, sämtliche Register der Macht ziehen, scheint es nicht nur aus demokratiepolitischen Gründen nötig, sondern auch aus moralischen Überlegungen heraus zulässig, diesem Treiben notfalls auch auf illegale Weise Einhalt zu gebieten.

Auf illegale Weise?

Soll das als Aufruf zu Gesetzesbruch und Gewalt zu lesen sein?

Wenn die USA legal (!) gegen ihr ungenehme Personen vorgehen, wie dies die neueste Attacke auf Twitter-User zeigt, stößt die Forderung nach gesetzestreuem Gehorsam gegenüber der Staatsmacht an ihre Grenzen.

Dass die USA gegen das Recht auf Meinungsfreiheit verstoßen, wenn sie WikiLeaks & Co. bedrohen, wird erst noch zu beweisen sein. Im Hintergrund läuft jedenfalls bereits die juristische Maschinerie auf Hochtouren, um der Enthüllungsplattform und ihren Anhängern Taten nachzuweisen, mit denen sie trotz oder gerade durch die Anwendung der Meinungsfreiheit gegen Gesetze verstoßen haben könnten.

Dass es hier aber nicht nur um die Frage der Legalität (oder Illegalität) der Ausübung von Meinungsfreiheit geht, zeigt ein wichtiger Gedanke, zu dem sich Thomas Jefferson, dritter Präsident der USA und wichtigster Autor der „Declaration of Independence“ von 1776 von seinem Ideengeber, dem englischen Philosophen John Locke (1632 bis 1704), hatte inspirieren lassen.

Im zweiten seiner „Two Treatises of Government“ schrieb Locke nämlich, dass schon alleine ein Vertrauensbruch durch die Regierung und nicht erst ein legaler Bruch des „original contract“, also des Vertrages zwischen Volk und Regierung, das Recht auf gewaltsamen Widerstand gebiert.

Weder Locke in seinem „Second Treatise“, noch Jefferson in der „Declaration“ führen näher aus, worin dieser Widerstand im Detail bestehen soll bzw. bestehen darf. 

Die Guerilla-Aktionen, mit denen die WikiLeaks-Fans weltweit für ihr Verständnis von Meinungsfreiheit kämpfen, sind vielleicht illegal. In der Art jedoch, wie sie die technischen Möglichkeiten der Generation Web 2.0 für ihr Ziel einsetzen, könnten sie kaum stimmiger sein:

Die Staatsmacht missbraucht ihren ursprünglichen Auftrag durch das gezielte (und vielleicht sogar als legal darstellbare) Beschneiden der Informations- und Meinungsfreiheit durch die versuchte Beeinträchtigung von deren Trägermedium und seiner Nutzer.

Das Volk begehrt dagegen auf und leistet Widerstand: durch Gegenangriffe mittels eben dieses Mediums, dem wichtigsten Mittel, auf das die Vertreter von Informations- und Meinungsfreiheit heute global zurückgreifen können.

Die Weltöffentlichkeit hat soeben begonnen zu begreifen, dass sie öffentlich werden muss.

Freie Sicht aufs Gesicht?

Nun gibt es also mit Belgien das erste Land in der EU, in dem ein „Burkaverbot“ erlassen wurde.

Stellt sich zunächst einmal Frage, warum es nur die Burka und der Niqab, eine Verschleierung, bei der (im Unterschied zur Burka, in die eine Art Sichtgitter integriert ist) die Augen unbedeckt bleiben, sind, nicht aber auch das Kopftuch, die dem freien Blick der freien Welt weichen sollen.

Ist das Kopftuch nicht ebenso frauenfeindlich, wird es doch aus denselben Gründen von muslimischen Frauen getragen wie Burka und Niqab?

Könnte es sein, dass mit einer Ausweitung des Verhüllungsverbotes nicht nur christliche Ordensschwestern, sondern auch Bäuerinnen und diverse Freizeit-Kopftuchträgerinnen betroffen sein würden, von denen wir annehmen, dass niemand sie zwingt, ihr Haupt zu verhüllen?

Aber ist das tatsächlich so?

Zwingt nicht zumindest im Fall der Ordensschwester die Regel ihrer religiösen Gemeinschaft ihr die Kleidung auf, in welche sie sich hüllt – Kopftuch inklusive?

Bei den Bäuerinnen ist das schon etwas unwahrscheinlicher, aber auch hier mag es solche geben, die sich einer Tradition verpflichtet fühlen und deshalb Kopftuch tragen.

Die Crux an der Debatte ums „Burkaverbot“ besteht doch darin:

Wer mag entscheiden, in welchem Fall eine Verschleierung von Männern im Umfeld der betroffenen Frau erzwungen und wo sie freiwillig aus religiöser Tradition vorgenommen wird?

Dürfen die freiwilligen unter den Burka- und Niqabträgerinnen gegen ihren Willen gezwungen werden, ihre Freiheit zu opfern, weil andere vielleicht zur Verschleierung gezwungen werden?

Der säkulare Staat, dessen Werte die Befürworter des „Burkaverbotes“ durch ihre Maßnahme zu schützen versuchen, muss, seinem Selbstverständnis entsprechend, ertragen, dass Frauen sich freiwillig „erniedrigen“, wenn sie dies aus religiösen Gründen wollen.

Denn wenn er ihnen dies per Gesetz untersagt, widerspricht er seinem eigenen Anspruch und Selbstverständnis. Dann verzichtet er nämlich auf die Äquidistanz zu allen Weltanschauungen und erhebt die eigene, säkulare Überzeugung zur Religion.

Roma non locuta. Causa finita?

Darf eine Firma, gegen deren Mitarbeiter täglich neue schwere Missbrauchsvorwürfe erhoben werden, diese Vorwürfe einfach schweigend aussitzen?

Die zynische, auf die Logik von „Public Relations“ blickende Analyse lautet:

Nein.

Keine Organisation, nicht einmal die katholische Kirche, kann es sich in Zeiten von Facebook, Sensationsjournalismus und Talkshows, in denen der kleine Mann schonungslos sein Innerstes nach außen kehrt, leisten zu schweigen.

Die Tage, wo noch „Zucht und Ordnung“ herrschten, wo die heilige Dreifaltigkeit aus Vater, Lehrer und Pfarrer noch uneingeschränkt und ohne Gewaltentrennung absolut regierte und dort, wo ihre Autorität zaghaft hinterfragt wurde, Rohrstaberl und „gsunde Watschn“ abgeirrte Schafe auf den Weg der Tugend zurück führten, sind längst vorbei.

Wer heute Gewalt an Kindern und Jugendlichen verübt, braucht gute – psychologische – Gründe oder einen guten Anwalt.

Es gibt aber auch noch eine andere Betrachtungsweise, eine Betrachtungsweise, welche die katholische Kirche bei ihrem eigenen Wort nimmt:

Gerade eine Institution wie sie, deren Kerngeschäft auf der Idee von Schuld, Beichte, Sühne und Vergebung beruht, darf es sich nicht erlauben, diese Essenz ihres Selbstverständnis zu vergessen, wenn es ums eigene Personal und dessen Taten geht.

Das wäre unmoralisch, zumindest aber ein krasser Widerspruch.

Nicht alle gläubigen Menschen sind bereits aufgeklärt und kritisch genug, „ihrer“ Kirche wegen der aktuellen Skandale den Rücken zu kehren. Die Aufforderung Immanuel Kants, Aufklärung als den Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu verstehen und sich dementsprechend aus der Gewalt fremder Autoritäten zu befreien, ist leider noch nicht bis in die Köpfe aller gläubigen Menschen vorgedrungen.

Noch nicht.

Viele hängen trotz all ihrer Scheinheiligkeit noch an „ihrer“ Kirche.

Noch.

Um Gottes Willen..!

Es ist wieder einmal so weit:

Wir haben einen Karikaturen-Eklat.

Diesmal ist es nicht der Islam, der (über)reagiert, sondern der hierzulande vorherrschende Katholizismus.

Das corpus delicti sind zwei Cartoons, die Manfred Deix gemalt hat.

Mehrere Diakone der Erzdiözese Wien haben sich daraufhin bemüßigt gefühlt, der Staatsanwaltschaft Wien eine Stellungnahme zu übermitteln.

Was zeigen die inkriminierten Bilder?

Auf einem ist (nebst diversen anderen Darstellungen), unter dem Titel: „Das von Brüssel verordnete KRUZIFIXVERBOT IN DEN KLASSENZIMMERN wird man hierzulande geschickt zu umgehen wissen“, eine Christusfigur (nicht nackt!) zu sehen, auf deren rotem Gewand Hammer und Sichel, sowie ein Hakenkreuz  abgebildet sind. Am oberen Ende des vertikalen Holzbalkens ist ein Halbmond, auf einem Ende des horizontalen Balkens eine Buddha-Statue montiert. Überschrieben ist das Bild mit den Worten „Entwurf für ein multikulturelles Kompromiss-Kruzifix“.

Die Kritik der Diakone (laut Online Kurier vom 11. 12. 2009):

„Dadurch, dass das Symbol des Nationalsozialismus kritiklos auf eine Stufe mit den Symbolen von Weltreligionen gestellt wird, erscheint auch die verbrecherische NS-Ideologie gesellschaftlich quasi rehabilitiert, neu anerkannt bzw. verharmlost.“

Entweder, die beiden weltlichen Ideologien sind nicht harmlos, dann muss zugestanden werden, dass auch im Namen der Weltreligionen Verbrechen verübt wurden und werden, oder aber die beiden Ideologien haben dieselbe Exkulpierung ihrer Taten verdient (was meiner Meinung nach natürlich absurd wäre), wie dies die Diakone für die Weltreligionen in Anspruch zu nehmen scheinen.

Was Deix im ersten der beiden kritisierten Cartoons wahrscheinlich zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass es noch immer Menschen gibt, die sich einer dieser Religionen oder einer der beiden Ideologien in ungebrochenem Glauben zugehörig fühlen und das, obwohl sie alle zu Verbrechen geführt haben.

Warum sollten also die Kommunisten, Nazis, Buddhisten, Juden (das INRI des Kreuzes könnte von Deix als Symbol für die älteste der drei abrahamitischen Religionen gedacht sein) und Moslems nicht auch „ihr“ Symbol im Klassenzimmer vorfinden dürfen, wo die Christen doch so vehement darauf bestehen, dass das Kreuz dort hängen soll?

Eine prinzipielle moralische Überlegenheit des (katholischen) Christentums und die daraus abzuleitende Bevorzugung von dessen Symbol kann jedenfalls nicht ins Treffen geführt werden. Nationalsozialismus und Kommunismus mögen jeweils mehr Tote auf dem Gewissen haben als die genannten Religionen.

Dass letztere aber gänzlich ohne durch ihre „Wahrheit“ verursachte Morde durch die Geschichte gegangen sein sollen, kann nur ein Unwissender oder Unbelehrbarer behaupten.

Dass Deix sich der „Wiederbetätigung“ schuldig macht, wie die Diakone des weiteren bekunden, ist ein unsinniger Vorwurf; denn unter dieser Annahme dürften auch in einem Film (Kunst!) wie „Der Bockerer“ keine Hakenkreuzfahnen auftauchen, so wie in unzähligen vergleichbaren Kunstprodukten auch.

Auf dem zweiten der beiden Cartoons ist unter anderem ein mit weißem Gewand mit einem großen roten „G“ auf der Rückseite bekleideter Gott zu sehen, der über einem Globus, also der Erde, hockt und auf diese scheißt.

Ein Affront für die Diakone und – aus ihrer Sicht – selbstverständlich wert, auf Behandlung nach § 188 des Strafgesetzes zu pochen, geht es hier doch ganz offensichtlich um die „Herabwürdigung religiöser Lehren“.

Nun kann man die Deix-Karikaturen ob ihres unverblümten Stils mögen oder auch nicht, das, was in diesem Bild zum Ausdruck gebracht wird, ist ein reales Argument, das in der Debatte über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes unter dem Begriff der Theodizee tatsächlich diskutiert wird:

Wie lässt sich das Leid auf der Welt mit der Existenz eines allwissenden, allgütigen und allmächtigen Gottes vereinbaren?

Wäre er allwissend, so wüsste er um eben dieses Leid. Wäre er allgütig, so würde er es zum Verschwinden bringen wollen. Und falls er allmächtig wäre, so würde er das auch tatsächlich tun.

Es gibt Philosophen, die der Meinung sind, dass Gottes Nicht-Eingreifen trotz all des Übels in der Welt dafür spricht, dass er entweder nicht existiert oder, falls doch, zumindest einer (oder aller drei) der ihm zugeschriebenen Eigenschaften entbehrt.

Falls er existiert und allmächtig wäre, sich aber nicht gegen das Leid auf der Welt engagiert, so könnte man dies in die griffige, wenn auch nicht nach jedermanns Geschmack ausfallende Formel fassen:

„Gott scheißt auf die Welt.“

Die philosophische Position, die sich hinter dieser Formel verbirgt, ist – wie schon erwähnt – keine Erfindung von Manfred Deix. Es gibt sie bereits seit Anbeginn der abendländischen Philosophiegeschichte.

Geschmackvoll hin oder her, plakativer, als Deix die Vermutung, Gott würde – im übertragenen Sinn – auf die Welt „scheißen“, in seinem Cartoon in Bildsprache übersetzt, lässt sie sich in seinem künstlerischen Medium wohl nicht zum Ausdruck bringen.

Gute Menschen & das Glück

Soeben sind meine beiden Bücher

„Gut Mensch“ (Goldegg Verlag) und

„Glück“ (facultas.wuv)

erschienen.

ZUM INHALT von „Gut Mensch“

„Gut Mensch“ ist eine allgemein verständlich geschriebene Abhandlung über Ethik, sprich: Moralphilosophie.

Zunächst werden die für das Thema wichtigsten Grundbegriffe wie z.B. „Freiheit“, das „Gute“, „Sollen“ erläutert. Anschließend gehe ich auf die bekanntesten Versuche ein, Moral zu begründen, unter Rückgriff auf „Gott“, die „Natur“, das „Gewissen“ usw. Diesen eher allgemeinen Ansätzen folgt eine Darstellung der wichtigsten „klassischen Positionen“, von Aristoteles über Kant und den Utilitarismus (Bentham, Mill) bis hin zur Diskursethik (hier: nach Habermas) und dem interessenbasierten Ansatz von Norbert Hoerster.

Die letzten sechs Kapitel von „Gut Mensch“ diskutieren die aus meiner Sicht spannendsten Themenkomplexe der so genannten „angewandten Ethik“. Dies sind unter anderem „Bioethik“, „Tierethik“ und „Wirtschaftsethik „.

ZUM INHALT von „Glück“:

„Glück“ ist kein Ratgeber im üblichen Sinne, sondern eine kulturhistorische Abhandlung: Was haben antike Mythologie, Märchen und Volkssagen, was Theologie, Philosophie und politische Theorie, was Psychologie und Glücksforschung zum Thema „Glück“ herausgefunden?

„Glück“ ist Teil einer aus zehn Bänden bestehenden und von Konrad Paul Liessmann heraus gegebenen Reihe mit dem Titel: „Grundbegriffe der europäischen Geistesgeschichte“. Weitere Bände aus dieser Reihe sind etwa „Freiheit“, „Gerechtigkeit“, „Macht“, „Wahrheit“, „Tod“.

Schule machen

Besonders nett ist es nicht, dass der ÖVP-Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll seiner Kollegin im Unterrichtsressort, Claudia Schmied (SPÖ), bei ihrer Auseinandersetzung mit der Lehrergewerkschaft in den Rücken fällt. Er hätte „Verständnis“ für die Pädagogen, denn wer würde sich schon freiwillig mehr Arbeit um das gleiche Geld aufbrummen lassen.

Doch was hat das Wort „nett“ in der Politik verloren? Hier geht es um Macht, deren Erhalt und – wenn möglich – auch gleich um ihre Vermehrung.

Die Frage ist nur, was Josef Pröll mit seinem Vorgehen machtstrategisch bezweckt. Die einzige Ministerin abzuschießen, die mit beinahe rührender Courage versucht, das von ihr als richtig Erkannte durchzusetzen, ist nicht besonders klug. Da muss man nicht erst die Frage stellen, ob Schmied sich mit ihrer Vorgangsweise nicht zumindest PR-technisch selbst beschädigt hat und ob ihre Ideen der Weisheit letzter Schluss sind.

Ein seriöser Finanzminister hat die Art und Weise, wie seine Ministerkollegin ihre Hausaufgaben erledigt, nicht zu kommentieren. Noch viel weniger, wenn er selbst für die Geldknappheit zuständig ist, die (vielleicht) solch harte Maßnahmen wie unbezahlte Überstunden erfordert.

Prölls strategischer Missgriff zeigt außerdem, was die ÖVP-Minister sich von ihrem Parteikollegen im Finanzressort erwarten können; und falls dies etwas anderes sein sollte, als das, was er der Unterrichtsministerin gönnt, würde die SPÖ das bestimmt (zu Recht) thematisieren.

Wenn Claudia Schmied wirklich Courage hat, macht sie ernst mit ihrer Ankündigung und tritt zurück. Damit würde sie nicht nur ein starkes politisches Zeichen setzen. Sie würde außerdem der Regierungsspitze zeigen, was Strategie ist:

Eine Ministerin, die ihre Verantwortung vor die eigenen Interessen reiht, brächte kuschelnde Kanzler und Vizekanzler in Bedrängnis. Gleichzeitig könnte sie damit die Lehrergewerkschaft schwächen und ihren Nachfolger im Unterrichtsressort mit mehr Macht ausstatten. Dass der (oder die) dann mit dem gleichen Widerstand zu rechnen haben würde, ist unwahrscheinlich.

PS: Beruhigend zu erfahren, dass wenigstens die Schüler dem Streikaufruf der Schülerunion (ÖVP) nicht im großen Stil nachzukommen scheinen. Sich nicht für die Interessen der Lehrer (ob berechtigt oder nicht) instrumentalisieren zu lassen, zeugt von großer Bildung. Ein Schulsystem, das solche Jugendliche heran zieht, kann nicht ganz schlecht sein.

Kein Kreuzerl fürs Kreuz

Die Aktion „Pro Reli“ hat in Berlin eine Abfuhr erhalten. Zu Recht. Die Initiative wollte den verpflichtenden Ethik-Unterricht an den Schulen abschaffen und stattdessen die Wahlmöglichkeit einführen zwischen Religions- und Ethik-Unterricht.

Warum jedoch sollte ein säkularer Staat, hier: eine säkulare Stadt auf die Möglichkeit zur moralischen Bildung ihrer Bürger verzichten und der Religion den gleichen Stellenwert einräumen wie der areligiösen Erziehung?

Die Anhänger von „Pro Reli“, die sich gegen die säkulare Bevormundung der Stadt in Gestalt des verpflichtenden Ethik-Unterrichts stellten, wollten ihrerseits die Pflicht zur Wahl zwischen Religion und Ethik ab der ersten Schulklasse.

Für die Vertreter des Status quo, also des vorgeschriebenen Ethik-Unterrichts, ist es hingegen auch weiterhin möglich, dass Schüler zusätzlich zum Fach Ethik freiwillig Religionsunterricht nehmen.

Warum ist es so wichtig, dass es keine Pflicht zur Wahl zwischen Religions- und Ethik-Unterricht gibt? Weil die beiden – aus Sicht der säkularen Gesellschaft – eben nicht gleichwertig sind und daher auch nicht gleich berechtigt Teil der allgemeinen, verpflichtenden Schulbildung sein sollten.

(Das wäre übrigens so ähnlich, als würde darüber abgestimmt – und viele, vor allem US-amerikanische Konservative wollen gerade das -, ob Schüler die verpflichtende Wahl haben zwischen Biologie-Unterricht in Gestalt der „Evolutionstheorie“ und der „gleich berechtigten“ Alternative in Form einer religiösen „Schöpfungslehre“.)

Der areligiöse Ethik-Unterricht zeichnet sich im Idealfall als ein für alle Menschen, unabhängig von ihren individuellen religiösen Überzeugungen, verpflichtendes Programm des friedlichen Zusammenlebens aus. Er hat daher das Potenzial zum Verbinden. Verschiedene Formen des Religionsunterrichts betonen dagegen – zwangsläufig – das Trennende zwischen sich und ihren Konkurrenten.

Während Ethik also das „alle Menschen werden Brüder“ in den Mittelpunkt stellt, befördert der verpflichtende Religionsunterricht (auch wenn er „frei gewählt“ wurde) den „Clash of Civilizations“.

Es wäre außerdem naiv zu glauben, alle Eltern würden ihre Kinder frei wählen lassen. Die säkulare Gesellschaft hat ein Recht darauf, Kinder vor ihren Eltern und deren Traditionalismen zu schützen – zugunsten einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft, in der alle Platz haben. Auch die Anhänger eines zusätzlich angebotenen freien Religionsunterrichts.

Die Ein-Hand-Bibliothek

Stellen Sie sich vor, Sie könnten alle Bücher einer gut sortierten Privatbibliothek in ein einziges Taschenbuch packen. Faszinierend! Ich meine dabei nicht eine Schwarte, die den Weg ins Guinness-Buch der Rekorde schafft, weil sie 20 Meter dick ist. Nein, ich spreche vom so genannten eBook, dem elektronischen Buch, das es mittlerweile in verschiedenen Varianten auf dem Markt gibt.

Technische Grundlage dieser „Ein-Hand-Bibliothek“ ist das ePaper, eine Art Kunststoff, in dem Tintenpartikel eingelagert sind (eInk, natürlich!), die durch das Anlegen einer Spannung in eine bestimmte Lage gebracht werden und somit Buchstaben, Satzzeichen und Bilder darstellen. Das Geniale daran: Strom fließt nur beim Verändern dieser elektronischen „Tintenkleckse“, sprich: beim Umblättern. Der Energieverbrauch hält sich daher in Grenzen, was eine Akkulaufzeit von mehreren Tagen ermöglicht. Da lassen sich schon ein paar Wälzer verschlingen – je nach Größe des integrierten (oder zusätzlich einsteckbaren) Speichers passen mehrere hundert bis tausend Bücher in elektronischem Format auf so ein eBook.

Außerdem kann man sich die Tageszeitung, Magazine und vieles mehr überspielen, einige Modelle können sogar wie ein Notizblock verwendet und mit einem speziellen Stift beschrieben werden. Textmarkerfunktionen erweitern den Komfort, ohne die mitgeführten Bücher unauslöschlich zu verunstalten. Perfekt für Studenten, die unterwegs oder an der Uni an Texten arbeiten wollen.

Aber natürlich ist das eBook auch deshalb genial, weil es nicht einmal so schwer ist wie ein echtes Taschenbuch, schnell in die Tasche gesteckt und am Strand, im Kaffeehaus oder im Zug wieder hervor gezaubert werden kann.

Die grauschwarze Tinte auf weißem Hintergrund verdient ihren Namen: Die Buchstaben sehen wirklich so aus, als wären sie auf Papier gedruckt und nicht so, als würden sie dem Leser von einem Computerbildschirm entgegen flimmern. Das schont die Augen.

Ich werde mir ganz bestimmt ein eBook zulegen, spätestens dann, wenn es all meine philosophischen Lieblingsbücher in günstigen elektronischen Versionen zu kaufen gibt. Derzeit sind hauptsächlich belletristische Werke erhältlich. Der Preis der eBooks selbst, also der Geräte und derjenige der einzelnen Bücher, der Dokumente, muss allerdings noch sinken. Oder die öffentliche Hand fängt an, ihren Bildungsauftrag ernst zu nehmen und fördert beides – um der guten alten Kulturtechnik des Lesens und um des Wissens seiner Bürger willen.

Man stelle sich vor, was das an Entlastung für Schulkinder und deren Lehrer bedeuten könnte: Statt schwerer Schultaschen mit einem Stoß von Büchern gefüllt nur mehr ein schlankes eBook, aus dem die Texte aller Unterrichtsgegenstände gelesen werden. Die Hausaufgaben und Schularbeiten werden ebenfalls in die auf Notizbuch-Funktion umgestellten eBooks geschrieben und in der Schule per WLAN ins Netz überspielt. Die Lehrer holen sich die Arbeiten anschließend virtuell auf den Bildschirm, um sie dort zu korrigieren.

Vom positiven Einfluss auf die Umwelt habe ich noch gar nicht gesprochen: Weniger echte Bücher bedeutet mehr Bäume in der Landschaft und weniger CO2 in der Atmosphäre. Vielleicht könnte man das Plastik des eBooks so designen, dass es nach echtem Buch riecht. Nur das Gefühl (und das Geräusch) beim Blättern ginge verloren. Aber darauf würde ich verzichten, wenn ich dafür meine 3000 Bücher in einer Hand halten könnte…

Gott würfelt nicht?

Vor 200 Jahren kam der englische Theologe (welch‘ Ironie, dass er, das große Feindbild damaliger und auch noch vieler heutiger Theologen einer der Ihren war!) und Biologe Charles Darwin auf die Welt. Vor 150 Jahren erschien sein die bisherige Betrachtung der biologischen Welt radikal veränderndes Werk „Über den Ursprung der Arten“. Es ermöglichte jenen, die bereit waren, offenen Auges zu sehen, eine fundamentale Revision der bis dahin eingenommenen Perspektive.

Darwin ist für viele (hauptsächlich religiöse) Menschen noch immer ein Gottseibeiuns: Wir, die Menschen, die vermeintliche „Krone der Schöpfung“, das Ergebnis eines blinden Spiels von Zufall und Notwendigkeit, von Mutation und Selektion?

Eine unerträgliche Vorstellung!

Der Erfinder der Psychoanalyse, Sigmund Freud, hatte wohl recht, als er Darwins Theorie als eine der drei großen Kränkungen der Menschheit (nach der durch die Wiederentdeckung des heliozentrischen Weltbildes durch Nikolaus Kopernikus und vor der durch seine eigene, Freuds Theorie über die Bedeutung des Unterbewusstseins) bezeichnete.

Dabei ist alles so einfach: Keine Artenvielfalt, ja kein ein einziges mehrzelliges Lebewesen (und damit uns selbst, die Menschen) gäbe es, hätte nicht zufällige Mutation durch Variation der ersten Einzeller beim Versuch, sich selbst durch idente Reduplikation zu vermehren, als „Fehler im System“ zugeschlagen.

Wer das einmal begriffen und die verführerische Vorstellung über Bord geworfen hat, die ganze Welt wäre von Anbeginn an auf unsere Entstehung ausgerichtet gewesen, sieht vieles klarer, ja natürlicher – auch die Entstehung und Entwicklung von kulturellen Erscheinungen wie etwa Ideologien und Religionen.

Auch sie entstehen durch „Mutation“ vorhandener Bestände, durch kreative Veränderung der jeweiligen Gegenwart. Ob sie sich halten können, hängt von den Rahmenbedingungen ihrer Zeit in ihrem Umfeld ab. Manche von ihnen werden selektiert und sterben aus – so wie das geozentrische Weltbild, das dem gegenteiligen Wissen über das Universum, das die neuzeitliche Naturwissenschaft zunehmend erwarb, eines Tages nicht mehr standhalten konnte.

Welche biologischen, aber auch geistigen Arten, also Ideen und künstlerische Hervorbringungen in der Zukunft entstehen und welche wieder vergehen werden, lässt sich nicht voraussagen. Aber dass sich alles verändert, die natürliche und die kulturelle Welt, ist offensichtlich. Wer das leugnet, sollte die eigenen Überzeugungen, den eigenen Wissensstand, die eigenen Einstellungen und ihren Wandel in der Zeit in den kommenden Jahren beobachten.

Charles Darwin hat die Welt um eine Idee reicher gemacht, die sich noch weiter entwickeln wird (nicht alle Detailfragen der Evolution sind bis zum heutigen Tag befriedigend geklärt). Ihre grundsätzlichen Mechanismen „Mutation“ und „Selektion“ sind jedoch unwiderlegt und werden von Natur- und Geisteswissenschaftern gleichermaßen für ihr jeweiliges Gebiet anerkannt.

Ich liebe einen Mann

Ich muss Ihnen ein Geständnis machen: Ich liebe einen Mann.

Nein, nicht was Sie denken! Ich habe eine Freundin.

Kennen gelernt habe ich ihn schon als Kind. Zu dem Zeitpunkt war er bereits erwachsen und berühmt. Mittlerweile feiert er seinen 82. Geburtstag. 44 Jahre trennen uns also von einander.

Er hat mich zum Lachen gebracht, aber auch zum Weinen. Manchmal sogar zum Weinen vor lauter Lachen. Durch ihn habe ich gelernt, dass man das Leben nie allzu ernst nehmen sollte. Er war und ist diesbezüglich ein großes Vorbild für mich.

Ich spreche vom Komiker Jerry Lewis.

Dieser Mensch ist so herrlich verrückt, dass es schon wieder genial ist. Er nimmt das Leben so wenig ernst, wie es sich gehört. Sich selbst noch viel weniger.

Ich denke, die Größe eines Menschen zeigt sich darin, wie leicht es ihm gelingt, über sich selbst zu lachen.

Jerry Lewis lacht am liebsten über sich selbst.

Dass er die wirklich ernsten Dinge des Lebens aber trotzdem nicht ganz übersieht, beweist sein mittlerweile 40 Jahre dauerndes Engagement für muskelkranke Menschen.

Für diesen Einsatz wird Jerry Lewis bei der nächsten Oscar-Verleihung eine Ehren-Trophäe erhalten. Laut Aussendung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences soll ihm im Rahmen der Gala-Show am 22. Februar 2009 der Jean-Hersholt-Preis für humanitäres Engagement überreicht werden.

Über das Leben zu lachen hatte der Komiker übrigens nicht immer:

Prostatakrebs, eine Magenblutung, einen Herzinfarkt, eine Wirbelsäulenfraktur und eine schwere Lungenkrankheit überstand Jerry Lewis aber trotzdem, genauso wie auch seine jahrelange Tablettensucht.

Ich verneige mich in Dankbarkeit für die unzähligen Tränen, die ich seinetwegen seit meiner Kindheit vergossen habe und für seinen Humor, mit dem er mich schon bei unserem ersten Kontakt unheilbar infiziert hat, vor einem großen Künstler und einem noch viel größeren Menschen.