Die unerträgliche Leichtigkeit des Nichtwichtigseinwollens

Eher zufällig habe ich es erfahren, via Facebook, über das Posting einer Freundin, die ebenfalls Philosophin ist:

Odo Marquard ist tot.

Er starb vor drei Tagen (also am 9. Mai 2015) in Celle im Alter von 87 Jahren.

Ich habe nicht viel gelesen von diesem deutschen Philosophen, der mir das erste Mal in meinem Philosophiestudium begegnet ist – über einen seiner markanten Aussprüche, den ein Professor eher beiläufig erzählte und den ich mir bis heute gemerkt habe:

Die Philosophie, so Marquard, besäße die „Inkompetenzkompensationskompetenz“.

So viel augenzwinkernde Unaufgeregtheit, so viel sich selbst nicht wichtig Nehmen, ist schon beinahe Ausdruck philosophischer Genialität.

Es wundert kein bisschen, dass Marquard seine eigenen philosophischen Texte als „Transzendentalbelletristik“ bezeichnet hat.

Wer die Philosophie und ihre deutschsprachigen Kerzerlträger kennt, die sich gerne wichtig, allzu wichtig nehmen, wenn sie im Brustton der Überzeugung der eigenen Bedeutsamkeit Trivialitäten in die von Trivialitäten mittlerweile übergehende Welt hinaustragen, muss Odo Marquard dankbar dafür sein, dass er den Peter Sloterdijks und Richard David Prechts dieser Welt die Grenzen ihres Denkens und Schreibens aufgezeigt hat.

Obwohl ich, wie gesagt, nicht viel von Odo Marquard gelesen habe, alleine durch seine selbstironisch-bescheidene Art habe ich mehr gelernt als durch die Lektüre der Bücher seiner sich gerne ins Rampenlicht drängenden „Kollegen“.

O Captain! My Captain!

Robin Williams ist tot.

Der Schauspieler hat Suizid begangen.

Die wahren Gründe dafür werden wir wohl nie erfahren.

Von Depressionen sowie Alkohol- und Drogensucht ist die Rede, aber auch davon, dass er wohl im Anfangsstadium an der Nervenkrankheit Parkinson gelitten haben soll.

Ganz egal, was davon stimmen mag:

Es ist unendlich tragisch, dass gerade ein Mensch wie Robin Williams, ein begnadeter Schauspieler, der anderen Menschen so viel Freude bereiten konnte, es selbst nicht geschafft hat, glücklich zu sein.

John Keating hat für immer die Klasse verlassen.

Ich werde ihn vermissen.

Mehr Wurst..!

Ja, ich habe mich darüber gefreut – wie die meisten meiner homo- und heterosexuellen Freundinnen und Freunde -, dass mit Conchita Wurst ein homosexueller Mann in Frauenkleidern und mit Bart den Songcontest gewonnen hat.

Natürlich war der Sieg nicht alleine (oder vielleicht sogar nur in zweiter oder gar dritter Linie) dem Song selbst zu verdanken, obwohl der – auch wenn mir kein Songcontest-Song gefällt – wahrscheinlich einer der besseren war.

Es war die Botschaft von Conchita Wurst / Tom Neuwirth und die erfreuliche Tatsache, dass die Menschen in Europa grosso modo doch liberaler sind als ihre konservativen Politiker, die diesen Sieg möglich gemacht haben.

Apropos „Politiker“:

Es ist äußerst befremdlich, dass diejenigen, die sich bei ihren Worten und Taten meist darauf berufen, was „das Volk“ will, in diesem Punkt („Ausgrenzung von Homosexuellen“) von ihrer Praxis abweichen.

Laut einer Umfrage, die das Magazin „profil“ vor einiger Zeit veröffentlicht hat, stehen die Österreicherinnen und Österreicher Homosexuellen und Themen wie „Homoehe“ und „Adoption von Kindern durch homosexuelle Eltern“ weit offener gegenüber als so mancher Politiker.

Es braucht noch viele bekennende Prominente wie Conchita Wurst, bis die Einsicht, dass „Homosexualität“ nichts Widernatürliches ist, in die Köpfe der standhaftesten Verweigerer vernünftigen Denkens eingedrungen ist.

Sternschnuppen

Wissenschafter am Institut für Astrophysik der Universität Wien sind aus dem Häuschen:

Der Tag der Astrologie im Festsaal des Technischen Museums Wien, veranstaltet von der Wirtschaftskammer, würde, so sinngemäß die Kritik der Astrophysiker, die esoterische „Lehre“ Astrologie adeln.

Die Direktorin des Technischen Museums, Gabriele Zuna-Kratky, hingegen hat kein Problem damit, den Astrologen ihr Haus für die Veranstaltung zur Verfügung zu stellen. Geld stinkt wohl – zumindest in ihrer Nase – nicht.

Dass Astrophysiker Schwierigkeiten damit haben, wenn Astrologen in die heiligen Hallen der Wissenschaft vordringen und ihrer esoterischen Lehre dadurch einen seriösen Anstrich verleihen könnten, leuchtet ein.

Ihre Kritik ähnelt jener von Biologen an Lobbyisten, die versuchen, in manchen US-Bundesstaaten „Kreationismus“ bzw. „Intelligent Design“ gleichberechtigt neben der „Evolutionstheorie“ im Schulunterricht zu verankern.

Astrologen dürfen selbstverständlich, so wie alle Menschen in einem säkularen Rechtsstaat, ihren Überzeugungen anhängen und Veranstaltungen abhalten, so lange diese weder gegen Gesetze verstoßen, noch andere Menschen gefährden. Dafür stehen ihnen unzählige Räumlichkeiten zur Verfügung.

Das Technische Museum Wien aber ist ein Hort der Wissenschaft und sollte das auch klar zu erkennen geben – durch die Weigerung, einer unwissenschaftlichen Veranstaltung Raum zu bieten.

Let the riot go on..!

Kaum entlassen, haben sich Marija Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa von „Pussy Riot“ auch schon klar und mutig zu ihren Überzeugungen bekannt und ihre Begnadigung durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin so kommentiert:

„Das ist kein humanitärer Akt, das ist ein PR-Trick.“

In Österreich gegen die Angelobung einer Regierung zu demonstrieren, mag in Ordnung sein. Wer jedoch seine Freiheit oder sogar sein Leben riskiert, um für Menschenrechte einzutreten, wie die Mitglieder von „Pussy Riot“ oder die beiden US-Whistle Blower Bradley Manning und Edward Snowden, sollte uns den höchsten Respekt abnötigen.

Leider werden wohl auch in Zukunft Menschen gefragt sein, die es wagen, gegen die Herrschenden aufzubegehren und ihre Verbrechen anzuprangern.

Mögen sich genug Mutige finden, die diese unverzichtbare zivilgesellschaftliche Aufgabe zu übernehmen bereit sind!

Anstand verpflichtet

Die ehemalige ORF-Chefin Monika Lindner hat es geschafft:

Sie hat einen gut bezahlten Job als Abgeordnete im österreichischen Parlament.

Bekommen hat sie ihn, weil sie auf einem Listenplatz des Team Stronach zur Nationalratswahl angetreten ist.

Als der frühere Klubobmann des Teams, Robert Lugar, Lindner sinngemäß als Gegengewicht zu Erwin Pröll und Raiffeisen bezeichnete, war ihr das – bei nüchterner Betrachtung von Anfang an zweifelhafte – Engagement bei Stronach nicht mehr geheuer.

Sie zog sich zurück, aber offensichtlich nicht ganz.

Denn nun will Lindner ihren Job im Parlament doch antreten, allerdings nicht im und für das Team Stronach, sondern als so genannte „wilde Abgeordnete“.

Das ist zwar in Österreich juristisch möglich, dennoch haftet an „wilden Abgeordneten“, wohl nicht ganz zu Unrecht, der Geruch des Opportunismus.

Wer mit der Partei, die ihn oder sie ins Parlament gebracht hat, nicht mehr kann oder will, sollte sich aus dem Hohen Haus zurückziehen.

Lindner, der von anderen Politikern nahegelegt wurde, auf ihr Abgeordneten-Gehalt zu verzichten, beziehungsweise dieses zur Gänze einem wohltätigen Zweck zukommen zu lassen, wies dieses Ansinnen mit folgendem Argument zurück:

Sie würde den Job als Parlamentarierin nicht um des Geldes willen machen, denn diese hätte sie gar nicht nötig. Unentgeltliche Tätigkeiten würden jedoch nicht ernstgenommen und deshalb beharre sie auf ihrem Gehalt.

Wer genau, darf und sollte man Frau Lindner fragen, würde eine Abgeordnete im Parlament nicht ernstnehmen, wenn sie ihre „Arbeit für Österreich“, die Lindner aus Verantwortungsgefühl für ihr Land leisten möchte, kostenlos erbringen möchte?

Das Gegenteil trifft zu:

Anstand verpflichtet und Menschen, die Anstand an den Tag legen, werden im allgemeinen von den anderen Menschen mit Anerkennung geadelt.

Wenn Monika Lindner ernstgenommen werden möchte, sollte sie entweder auf ihr Abgeordneten-Gehalt verzichten oder auf den Job in Parlament.

Wien-Tour mit dem Taxi

Endlich einmal eine wirklich gute Idee:

Wiens TaxlerInnen sollen – mit Hilfe einer Broschüre, die der Wien Tourismus in Kooperation mit einem Taxi-Unternehmen produziert hat – ihr Wissen um die Stadt an der schönen blauen Donau erweitern.

Schließlich sind sie es, mit denen viele TouristInnen den ersten Kontakt haben.

Nicht selten werden die TaxlerInnen von ihren Fahrgästen zu Bauwerken befragt, an denen sie vorbei fahren – und mangels Wien-Kenntnissen schweigen müssen.

Peinlich.

Damit könnte jetzt Schluss ein, wenn die FremdenfahrerInnen zu FremdenführerInnen werden – ein guter, ein sehr charmanter Ansatz.

Bleibt nur mehr zu ergänzen, dass es manchen TaxlerInnen mindestens ebenso gut tun würde, eine Nachschulung in punkto Umgangsformen zu bekommen.

Kalten Zigarettenrauch im Wagen muss man als Fahrgast leider ebenso oft ertragen, wie laute Musik aus dem Radio oder die eine oder andere rassistische Bemerkung über Immigranten.

Wird Zeit, dass die TaxlerInnen dazu lernen.

Ästhetik, Ethik, Theologie..?

Der vor 200 Jahren geborene dänische Philosoph Søren Aabye Kierkegaard sprach bekanntlich von drei Stadien, in denen sich die Existenz des einzelnen Menschen befinden kann: im ästhetischen, ethischen und religiösen Stadium.

Während das ästhetische Stadium sich darin erschöpft, ein Leben im Hier und Jetzt, ein moralfreies Aufgehen im Genuss des Augenblicks zu bieten, findet der durch den Dauerrausch gleichsam abgestumpfte, nach Tiefgang suchende Mensch ins zweite, das ethische Stadium. Hier blickt er über den Tellerrand der egoistischen Lustbefriedigung hinaus und erkennt, dass er Verantwortung übernehmen muss für Seinesgleichen.

Eigentlich hätte Kierkegaard hier stehen bleiben können.

Ein Leben, das sich nicht im egoistischen Sinnesrausch verliert, sondern den Anderen mit einbezieht und sich auch um seine Bedürfnisse sorgt, kann das ästhetische Stadium aber durchaus integrieren:

Warum nicht Spaß haben, wenn man darauf achtet, dass es auch den Anderen gut geht?

Leider hat Kierkegaard als drittes das religiöse Stadium postuliert und zugleich – so ehrlich war er dann doch – zugegeben, dass dieses nicht mehr rational vermittelbar, sondern nur mehr durch den „Sprung“ in den Glauben erreichbar ist.

Ein Sprung, den heute – abgestoßen von der Oberflächlichkeit des Konsums – immer mehr Menschen zu machen bereit sind und sich dabei doch wieder – neuen – Konsumgütern, nämlich jenen der „Sinn-Industrie“, ausliefern.

Die Esoterik-Branche boomt.

Das Buch des Tiroler Psychologen und Esoterik-Kritikers Johannes Fischler zeigt, wie der Esoterik-Markt funktioniert und warum Menschen ihm auf den Leim gehen.

Unbedingt lesen..!

Johannes Fischler: New Cage: Esoterik 2.0. Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt

Ecclesia semper reformanda est

Es ist eine echte Revolution:

Kardinal Christoph Schönborn akzeptiert den bekennenden Homosexuellen Florian Stangl als Pfarrgemeinderat von Stützenhofen im Weinviertel.

Am revolutionären Charakter dieser Aktion kann auch die Tatsache nichts ändern, dass der Kardinal vor seiner endgültigen Entscheidung (die er – auch das ist ungewöhnlich! – nach einem persönlichen Gespräch mit Florian Stangl und seinem Lebensgefährten traf) daran gedacht hatte, der bisherigen konservativen Linie treu zu bleiben und den Pfarrgemeinderat abzulehnen.

Selbst als aufgeklärter Atheist möchte man ob solch unerwarteter Liberalität ein begeistertes „Halleluja!“ gen Himmel rufen.

Damit hatte wohl niemand gerechnet, vor allem nicht der Pfarrer von Stützenhofen, der mit der Entscheidung des Kardinals rein gar nichts anzufangen weiß und Schönborn daher nun mit einem aufgezeichneten Telefonat unter Druck setzen möchte.

Wenn selbst ein nicht gerade als liberal verschriener Kardinal es schafft, über seinen eigenen Schatten zu springen, könnte man das doch eigentlich auch von einem Dorfpfarrer erwarten.

Ob die Entscheidung Schönborns bloß ein einmaliges Zugeständnis an die Kirchenbasis von Stützenhofen (der homosexuelle Pfarrgemeinderat bekam eine große Mehrheit der Stimmen der Gemeindemitglieder) war oder doch eine ehrlich gemeinte und somit äußerst mutige Handlung darstellt, wird sich zeigen.

Wenn der Kardinal die Lauterkeit seiner Absichten beweisen will, darf er die Bestimmungen zur Wahl der Pfarrgemeinderäte jetzt keinesfalls überarbeiten, um einen Fall „Stangl“ in Zukunft zu verhindern. Er sollte ihn vielmehr als „Präzedenzfall“ für künftige Entscheidungen heranziehen.

Ob Christoph Schönborn auch im Streit mit den Vertretern der „Pfarrer-Iniative“ wahre Größe zeigt, indem er klein beigibt (so fern das kirchenrechtlich für ihn überhaupt möglich ist), bleibt abzuwarten.

So oder so:

Es gibt noch viele Baustellen in der Katholischen Kirche.

Ecclesia semper reformanda est.

Ausziehen..! Ausziehen..! Ausziehen..???

Nein, ich bin nicht prüde, ganz im Gegenteil.

Aber vielleicht bin ich einfach zu alt und zu analytisch eingestellt, um der neuesten Mode des Protests das abgewinnen zu können, was ihre Proponenten von ihren Zusehern zu erwarten behaupten.

Bei aller Weltoffenheit und eifrigem Bemühen, den diversen Kundgebungen halb- oder ganz nackter Frauen einen tieferen Sinn und somit Verständnis für diese Form des politischen Engagements zu entlocken:

Es gelingt mir leider nicht.

Das liegt nicht daran, dass die Protagonistinnen nicht auch meine Aufmerksamkeit erregen würden.

Welcher heterosexuelle Mann würde es nicht – aus rein sexueller Sicht – interessant finden, wenn sich anziehende Frauen öffentlich ausziehen und er – ganz unverschämt – hinsehen darf, indem er dies elegant hinter dem Interesse am Inhalt, nicht der Form der Veranstaltung verstecken kann?

Doch was hat das alles mit Politik, und sei es auch nur mit einer Art basisdemokratisch-anarchischem politischen Statement zu tun?

Warum müssen Kritikerinnen des Neoliberalismus, Stichwort „Occupy Wall Street..!“, ihrem Groll Ausdruck verleihen, indem sie die Hüllen fallen lassen?

Immer wieder kritisieren Feministinnen (zu Recht..!) die sexuelle Ausbeutung von (halb- oder ganz nackten) Frauen zum Zwecke der (Werbe-)Wirtschaft, Stichwort: „Autoverkauf mit Frauen im Bikini“.

Warum springen engagierte Frauen dann genau auf diesen Zug auf und fahren damit in die Richtung, aus der sie sich eigentlich entfernen möchten?

Welchen Sinn macht es, wenn ukrainische Frauen der Gruppe FEMEN, die gegen Sexismus im Allgemeinen und gegen Sextourismus in der Ukraine im Besonderen eintritt, sich halb- oder ganz nackt in der Öffentlichkeit zeigen?

Welcher (potenzielle) Sextourist oder Vergewaltiger soll durch so ein „Statement“ zum Umdenken angeregt werden (können)?

Besteht nicht viel eher die Gefahr, dass z.B. die Ukrainerinnen, die eigentlich weniger Sextouristen in ihrem Land haben wollen, genau diese anlocken, wenn durch solche Aktionen (unbeabsichtigt) signalisiert wird: „Solch’ hübsche Mädels rennen hier rum, und sie sind liberal genug, sich in der Öffentlichkeit auszuziehen!“

Die besondere Ironie an der Sache: 

Alle jene, die das freizügige Statement verstehen und nicht als Einladung interpretieren, fallen nicht in die Zielgruppe der Aktion – für die Anderen gilt das oben Gesagte.

Das „sich Ausziehen“ als politisches Statement haben schon die 68er eingesetzt. 

Sie sind schon lange wieder davon abgekommen.

Zu Recht.

Wer sich heute auszieht, um gegen was auch immer zu protestieren, ist schon vor Beginn der Schlacht dem Feind erlegen, gegen den er / sie vorgibt anzutreten.