Verlierer sehen anders aus

Die Arme hoch, die Fäuste geballt, die Brust heraus gestreckt, vielleicht ein Jubelschrei, manchmal ein Lächeln – letzteres gehört aber nicht unbedingt dazu.

Zwei Psychologen (aus Kanada und den USA) wollen durch Analyse der Bildsequenzen von über 100 Judoka (Männer und Frauen, teils sehend, teils blind) aus 36 Nationen herausgefunden haben, dass Siegerposen im internationalen Vergleich einander sehr ähnlich sind. Sie dürften also angeboren sein. Nicht nur bei Menschen, übrigens. Affen verhalten sich hier ziemlich menschlich. Oder umgekehrt.

Die Siegerpose dient, so die Interpretation der Daten, nicht nur als Ventil für die Freude über den eigenen Erfolg. Sie ist darüber hinaus ein Signal an die eigene Gruppe: „Seht her, ich bin der Größte!“

Die Bilder wurden nach gewonnenen oder verlorenen Kämpfen bei den letzten Olympischen Spielen und Paralympics von Athen aufgenommen.

Interessant daran: Die Verlierer-„Posen“ unterscheiden sich, im Gegensatz zu denen der Sieger, im Vergleich der Kontinente stark voneinander. Denn während die angeborenen Ausdrucksformen für Erfolg intuitiv und gleichsam automatisch aus uns heraus brechen, hängen Art und Umfang der zur Schau getragenen Niederlage von unserem kulturellen Umfeld, sprich: von unserer Sozialisation ab.

Verlierer aus Westeuropa und Nordamerika zeigen ihre Scham viel weniger deutlich als jene aus anderen Nationen. Die Erklärung der Wissenschafter: Verlieren ist in unseren Breitengraden viel stärker stigmatisiert als in anderen Regionen der Welt.

Hast du Worte..? Raus damit..!

Ein Freund, wir kennen uns seit 20 Jahren, hat mir gestern atemlos gemailt: „Du, ich kenne da ein Mädel, Arbeitskollegin von mir, die schreibt.“ Aber das war noch nicht alles: „Außerdem tritt sie heute Abend beim ‚Poetry Slam’ im ‚Metropol’ auf. Das müssen wir uns unbedingt live geben!“

Noch nie zuvor war ich bei einem „Poetry Slam“ gewesen. Bis dahin dachte ich immer, dass das höchstwahrscheinlich ein bisserl was von „Kritische Schülerzeitung“ hat und von „Wir lesen uns gegenseitig unsere pubertierenden Gedichte von verlorener Liebe vor, umarmen und trösten uns dabei wechselseitig und haben einander ganz toll lieb.“

Von wegen.

Der „Poetry Slam“ war ein Hammer.

12 TeilnehmerInnen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich gaben auf der Bühne Gereimtes und Prosa zum Besten. Unter Einsatz ihres ganzen Körpers, also nicht nur ihrer Stimme, rissen sie die (großteils jungen) Menschen im Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Meistens übrigens mit beängstigender Geschwindigkeit – beängstigend für mich: So schnell, wie die reden können, dachte ich bei mir, kann ich nicht einmal denken…

Aber die Poetinnen und Poeten konnten beides: Schnell reden UND schnell denken, und das, was sie scheinbar mühelos aus Ihrem Inneren, wahrscheinlich aus ihrem Innersten hervor zauberten, hatte Tiefgang, ohne weltverbesserisch humorlos zu sein, hatte Kraft und Poesie, war voller Leidenschaft, Wut und Feuer und wich somit von meinen Erwartungen vollständig ab.

Die „Frohbotschaft“ nach diesem wunderbaren Abend (der mit spannenden Gesprächen mit einigen der TeilnehmerInnen in einem Schanigarten in den Stadtbahnbögen bis in die späte Nacht hinein andauerte):

Weder die Sprache, noch die Kreativität überhaupt sind im Zeitalter des Internet und der elektronischen Medien der Verflachung oder gar dem Untergang geweiht – auch und gerade nicht unter jungen Menschen (denen man heutzutage gerne nachsagt, sie würden nur mehr vor dem Computer sitzen und langsam, aber sicher verblöden).

Das Gegenteil ist wahr:

Die Sprache lebt.

Raus damit..!

Schlechtes Karma

Sie brüstete sich einst damit, eine der intelligentesten Schauspielerinnen Hollywoods zu sein: Sharon Stone. Angeblich würde ihr IQ bei sagenhaften 154 Punkten und damit sogar über dem von Albert Einstein liegen.

Mit ihrer neuesten Aussage, das Erdbeben in China könnte vielleicht „schlechtes Karma“ für die Pekinger Tibet-Politik sein, hat sie sich jedoch nicht mit dem Ruhm der Intelligenz bekleckert.

Abgesehen davon, dass die Karma-Lehre prinzipiell unsinnig ist, findet ihre Anwendung durch Sharon Stone das falsche Ziel: warum sollte die Bevölkerung Chinas leiden, wenn dessen Machthaber Tibet unterdrücken?

Kommentare wie derjenige Stones erinnern frappant an die These eines konservativen Bischofs aus Österreich, AIDS wäre die „Strafe Gottes“ für „unzüchtiges Verhalten“, oder an die Aussage von Reverend Bill Shanks, Pfarrer in New Orleans, der Hurrikan Katrina und sein Werk der Vernichtung wären eine Säuberungsaktion Gottes in einer Stadt voller Sünde.

Wenig überraschend schimpfen derzeit Millionen von Chinesen über die Schauspielerin, laut einer Internet-Umfrage würden ihr 70 Prozent „niemals verzeihen“.

Kein Wunder also, dass der Werbepartner von Sharon Stone, die Luxusmarke Christian Dior, sie zu einer offiziellen Entschuldigung nötigte, immerhin ist China ein wichtiger Zukunftsmarkt.

Worte sind mächtig, und wenn es noch dazu die falschen Worte sind, können sie großen Schaden anrichten. Sharon Stones „Analyse“ der Ursachen der Naturkatastrophe in China sind ein gutes Beispiel – für schlechte Kommunikation.

Dialog mit dem Unsichtbaren

Ich weiß nicht genau woran es liegt, dass sich Menschen daran stoßen, dass andere Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Handy telefonieren. Mich stört das eigentlich nicht.

Müsste aber nicht jeder, der sich gegen Handy-Telefonierer in den Öffis ausspricht, Gespräche überhaupt, also auch diejenigen zwischen zwei physisch Anwesenden, in U-Bahn, Bus und Straßenbahn verbieten? Oder stört den Kritiker bloß die Tatsache, dass er bei einem solchen „Dialog mit dem Unsichtbaren“ nur die Hälfte des Gespräches mitbekommt und die übrigen fünfzig Prozent in mühsamer Detektivarbeit rekonstruieren muss, um die ganze Story zu verstehen?

Was mir persönlich sehr wohl auf die Nerven geht, ist das häufige Klingeln und Piepsen bzw. der vielgestaltige Lärm der unzähligen Anruftöne, der nur im Ohr des jeweiligen Handybesitzers doppelte Freude hervorruft: Einmal wegen der Melodie per se und dann aufgrund der Tatsache, dass es jemanden gibt am anderen Ende der Leitung, der gerade an einen denkt.

Aber diese „Störung“ ließe sich durch Umschalten auf „lautlos“ plus „Vibrationsalarm“ leicht verhindern.

Die einzig wirklich drängende Frage, die sich mir stellt, wenn ich sehe, wie die „Kommunikation mit dem Handy“ zunimmt, lautet: Worüber unterhalten sich die Menschen, wenn sie irgendwann einmal tatsächlich auf einander treffen, wenn sie sich doch ohnedies permanent via Telefon auf dem laufenden halten?

Wer beim nächsten persönlichen Zusammentreffen genügend Stoff zum Reden haben will, sollte vielleicht darauf verzichten, die Zeit bis dahin am Handy zu verplappern und sie stattdessen lieber dazu nützen, etwas zu erleben, über das zu reden sich beim nächsten Treffen lohnen würde…

Netz-Café

Der Duft frisch gebrühten Kaffees und verführerisch leckerer Mehlspeisen liegt in der Luft. Papier knistert in den Händen schweigend in ihre Lektüre vertiefter Gäste. Hier und da ein Lachen, ein paar Wortfetzen, die sich mit dem „Klink-Klink“ abwechseln, das vom Schlagen eines Mokkalöffelchens oder einer Gabel gegen Tassen und Teller gleichsam aus dem Nichts in den Raum hinein erfunden wird.

Die Atmosphäre eines echten Wiener Kaffeehauses lässt sich nicht künstlich erzeugen oder virtuell nachbilden. Das Gefühl, eine Zeitung aus „Fleisch & Blut“, also aus Papier & Druckerschwärze, in Händen zu halten, ihren Geruch tief in sich einzusagen, vor und zurück zu blättern, ist einzigartig. Hier stößt unsere atemlose, beinahe unentrinnbar schnelle Gegenwart an die Grenzen eines geheimen Reiches freiwilliger Langsamkeit – und prallt an ihr ab.

Wenn ich gefragt werde, was ich an Wien liebe, so muss ich nicht lange nachdenken. Und dennoch gestehe ich: Auch ich kann der modernen Zeit nicht ganz entrinnen, will es auch nicht, da es einiges zu entdecken gibt im weltweiten elektronischen Netz, das es lohnt, „fremd zu gehen“.

Mein „Liebling“ ist

www.zeit.de

die Online-Version der wohl umfangreichsten Zeitung im deutschsprachigen Raum. Nicht, dass die „echte“ Zeit auch nur ansatzweise durch ihre kleine, elektronische Schwester ersetzt werden könnte. Aber immer wieder findet der ziellos umher flanierende Leser Geschichten, Hintergründe, Analysen und Schwerpunkte, die es rechtfertigen, sich hier auf zu halten. Übrigens: Ich glaube, mein „Apple“, mit dem ich mir die „Zeit“ von Zeit zu Zeit ins Haus hole, wiegt nur unmerklich weniger als die Originalausgabe aus Papier…

derstandard.at

ist bestimmt eine der attraktivsten „Seiten“ des Internet – aus Österreich. Informationen, Hintergrundstorys, Kommentare – wenn der Papier-„Standard“ nicht so gut in der Hand läge und sich durch seine lachsfarbene Andersartigkeit vom Rest der heimischen Medienwelt abheben würde, wäre ich versucht, zu sagen: Mir genügt die Internet-Version. Die kann ich weltweit lesen und fühle mich sofort zuhause – mit allen Vor- und Nachteilen dieser multimedialen „Heimatverbundenheit“…

teletext.orf.at und www.orf.at

Na klar, das musste ja kommen. In einem Land, wo der ORF – trotz diverser in- und ausländischer „Privater“ – nach wie vor ein fragwürdiges Monopolistendasein führt, komme auch ich nicht ganz umhin, mich seiner Angebote zu bedienen. Die Farbcodierung der ORF-Site ist einfach praktisch, das lässt sich nicht leugnen. Wer mehr, sprich: tiefer gehende Informationen sucht, darf hier natürlich nicht Halt machen. Die Online-Version des Teletext hat den Vorteil, dass sie knapp, also prägnant daher kommt und eine höhere Aktualität in kürzerer Zeit erreicht, sprich: Hier erfahre ich ziemlich am schnellsten, was sich in den letzten Minuten verändert hat. Wahrscheinlich liegt das daran, dass die „copy/paste“-erfahrenen Redakteure zwei Browserfenster neben einander offen haben: Ihr eigenes und dasjenige der APA…

Zurück ins „Ausland“:

Mit der elektronischen Version der „Neuen Zürcher“

www.nzz.ch

sympathisiere ich vor allem wegen der „Dossiers“ und Hintergrundberichte. In Zeiten, wo die Geschwindigkeit von Sein und dem darüber Nachdenken erschreckende Ausmaße annimmt, finde ich es anziehend anarchistisch, wenn ein Online-Medium wagt, Texte ins Netz zu stellen, für deren Lektüre man länger braucht, als für den Verzehr einer Mozartkugel – oder meinetwegen eines einzelnen Gipfels einer Toblerone…