Natürlich braucht jede Bewegung ihre Bannerträger. Und jede Idee sehnt sich nach mindestens einer konkreten Figur, die sie exemplarisch verkörpert und ihr in der Öffentlichkeit ein Gesicht verleiht.
Das Bedürfnis nach Idolisierung von Weltanschauungen scheint den Menschen angeboren zu sein.
Leider befriedigen es diese selten, indem sie sich Vorbilder suchen, die dieser Rolle gerecht werden.
Doch das alleine ist noch nicht das größte Problem. Schlimmer scheint mir zu sein, dass gute Vorbilder vor allem solche Menschen sind, die zugeben, dass die Suche nach Vorbildern selbst und die Eitelkeit Jener, die sich dazu küren lassen, gefährlich sind. Denn sie führen meistens in eine unkritische Verehrung der betreffenden Personen. Die Meisten von uns wollen jedoch keine „Führer“ mit Selbstzweifel, sie wollen HeldInnen, die an ihre Sache glauben und bereit sind, alles dafür zu geben.
Die unkritische Verehrung solcher schlechten Vorbilder verunmöglicht es den Menschen, die Sache selbst, um die es geht, differenziert zu betrachten. Warum? Weil eine differenzierte Betrachtung eines Themas bzw. einer bestimmten Weltanschauung sowie der damit verbundenen normativen Forderungen bedeutet, auch kritische Punkte aufzuzeigen.
Durch die Personalisierung der jeweiligen Position wird eine solche kritische Herangehensweise a priori erschwert, weil Kritik an der Sache meist mit Kritik an der Person, die für sie ein- und öffentlich auftritt, verwechselt wird.
Wenn man etwa Greta Thunbergs Positionen an der einen oder anderen Stelle hinterfragt, wird man von ihren Adepten attackiert, weil man – so die einfältige Schlussfolgerung ihrer Fans – „Greta hasst“ und sie „verunglimpfen“ möchte.
Doch wenn man bestimmte Ideen und ihre RepräsentantInnen nicht kritisch betrachten darf, stirbt der öffentliche Diskurs und eine vernunftbasierte Auseinandersetzung mit Themen, wo doch nur eine solche zu einem klugen, für alle akzeptablen Ergebnis führen kann.
Man darf Menschen wie Greta natürlich für den Einsatz für „ihre Sache“ bewundern. Aber man sollte sie nicht auf ein Podest stellen, damit man sie jederzeit wieder als Vorbilder loswerden kann, falls sich ihre Überzeugungen als falsch oder zumindest ungenau herausstellen.
Die Fehlerhaftigkeit von mit Begeisterung vorgetragenen Ansichten lässt sich aber nur dann herausfinden, wenn unsere Vorbilder hinterfragt werden dürfen und auch tatsächlich von uns hinterfragt werden.